Nachdem bekannt wurde, dass unser Zwischenseminar nun doch in Russland, St. Petersburg, stattfinden würde, buchte ich sofort einen Flug dahin. Da ich keine Lust hatte, mit den anderen in einem höchstwahrscheinlich unbequemen und viel teuereren Zug ab Moskau zu fahren, flog ich einfach mit Laura (die genausowenig Lust darauf hatte) die ganze Strecke (die anderen Freiwilligen wollten mehr „Abenteuer“). Natürlich war die einfachere Variante viel problematischer als die schwierige. Wie immer hier. Denn als wir überpünktlich am Yerevaner Flughafen ankamen, hatte die Aerofloter Maschine erst einmal 2 1/2 Stunden Verspätung. Natürlich verpassten wir dann auch glatt den Anschlussflug (genau 1 h zu spät waren wir dran) und mussten nach den ganzen Registrationsprozessen und Sicherheitskontrollen nochmal unser ganzes Gepäck holen, um komplett neu einzuchecken. Da weder Laura noch ich schon jemals solche Probleme gehabt hatten (Lauras 3. und mein 2. Flug überhaupt), beschlossen wir, erst einmal zum Serviceschalter zu gehen und uns zu erkundigen, wie es jetzt weiter gehen sollte.
Dort erwischten wir glücklicherweise eine sehr nette Dame, die uns auch sofort unseren Flug umbuchte, so dass wir nur 2 Stunden auf den nächsten Flug warten mussten, worüber wir, nach der ganzen Hektik, sehr erleichtert waren. Aber die Sicherheitskontrollen waren wirklich sehr nett: Nicht nur, dass man, wie im Flug von München nach Prag nach Yerevan, Gürtel und Jacke ausziehen musste, sondern auch die Schuhe, so dass man lustige blaue Fußüberzüge bekam, um so durch den Nacktscanner laufen zu können. Aber irgendwie ist das schon putzig.
Müde und total mitgenommen stiegen wir aus dem Flugzeug, ließen noch einmal die Sicherheitsmaßnahmen über uns ergehen und strebten Richtung Ausgang. Dort waren auch promt 5 Geldautomaten, wo wir uns erst einmal mit russischen Rubeli eindecken konnten. Es gab sogar einen Automaten der russischen Raiffeisenbank – dort konnte man, man glaubt es kaum, die Sprache „Deutsch“ wählen!!! Die nächste Hürde war dann die Fahrt mit dem Bus zur Metro. Dieser war Gottseidank leicht zu finden – gegenüber dem Haupteingang. Natürlich war es ein Problem, dass wir kein russisch konnten, also warfen wir dem Busfahrer nur den Brocken „Moskovskaya“ hin, die U-Bahn – Station, von der aus wir weiterfahren mussten, er nickte und wir bezahlten. So fuhren wir, zusammengequetscht mit vielen anderen Menschen, zur Haltestelle, und stiegen einfach dort aus, wo die meisten ausstiegen, was sich als goldrichtig herausstellte. Wir waren bei der U-Bahn angelangt.
Dort kauften wir uns durch Gedankenübertragung ein Ticket (natürlich ist es klar, dass ich, wenn ich am Schalter stehe, eine Fahrkarte haben will, aber trotzdem, das finde ich eine beachtliche Leistung der Kassierin!) und schlugen uns mit vereinten Kräften und ein wenig kyrillischen Buchstaben – Kenntnissen (viele Metro – Schilder sind nur auf Russisch) zum nächsten Checkpoint durch, wo wir erneut umsteigen mussten, bis wir am Ligovsky Prospekt ankamen, auf welcher Straße sich unsere Unterkunft befinden sollte. Danach suchten wir einfach noch die Hausnummer, betraten ein Vorhaus, sagten „Hostel“ und stiegen die Treppen bis zum 3. Stock hoch. Ich möchte daran erinnern, dass wir das alles mit gepackten Koffern für fast zwei Wochen taten. Aber ich wollte ja unbedingt „Abenteuer“ erleben. Jetzt habe ich sie.
Vom Hostel selbst wurde ich aber sehr positiv überrascht – es war größtenteils sauber, jung und mit freundlichem Personal. Außerdem gab es ein echt leckeres Frühstück. In diesem Hostel wurden wir in einem 12 – Bett – Zimmer untergebracht, was mich aber nicht weiter störte, da ja alle darin meine Leidensgenossen / Arbeitskollegen im weiteren Sinne waren und ich schon ein paar im Vorbereitungsseminar kennen und schätzengelernt hatte. Klar war es am Anfang ein wenig „zusammengewürfelt und nun schauen, was daraus wird“, aber jetzt, im Rückblick, bin ich echt froh, mich mit diesen Leuten auszutauschen und Probleme und Lösungen diskutieren zu können.
Aber zuerst ging es nach Losevo, irgendein Kaff – Dorf, in dessen Nähe ein ehemaliges Pionierlagerist, wo wir zwei Tage lang untergebracht worden waren. Dort gab es wirklich nur Wald und Büsche, und dazu noch einen See, auch wenn es durch den 2 m hohen Zaun, der das Pionierlager umgab, äußerst schwierig war, zu diesem durchzudringen. Aber natürlich findet man immer Mittel und Wege, wenn man wirklich will (z.B. ganz banal über den Zaun drübersteigen).
Und da´s da wirklich nix anderes gab, musste man sich zwangsweise mit seiner Situation befassen, was teilweise gar nicht so einfach war. Als wir am Anfang die Probleme in der Einsatzstelle besprachen, war ich beispielsweise total deprimiert, dachte, alles läuft nicht, alles ist schlecht,… Aber als wir dann besprochen haben, was wir alles schon an Projekten gemacht haben und was wir schon umsetzen konnten, dachte ich mir: wow, hab ja schon ganz schön viel geschafft, ich hab Glück mit meiner Einsatzstelle, top, ich kann mich ja schon richtig gut verständigen,…
Fazit: Losewo hat sich für mich echt gelohnt, so dass ich jetzt, wieder neu motiviert (ja, ich gebs zu, teilweise war ich ´n bisschen deprimiert von meiner Arbeit und dem kollektiv schlechtem Niveau meiner Schüler), wieder in meinen Alltag zurückgekehrt bin und der 1. Konversationszirkel echt gut gelaufen ist. Ich habe nämlich während des Seminars beschlossen, mal n paar B – Seiten aufzulegen und mit den Kindern nicht nur zu spielen, sondern auch etwas Stoff zu machen. Also habe ich mir ein Foto von Michael Ballack und von Tokio Hotel gesucht, die Körperteile mit Pfeilen versehen und mit den Kindern so Sachen wie „Nase“, „Mund“, „Trikot“ usw. gelernt. Kam auch überraschenderweise gut an, am Dienstag schaue ich mal, ob sie die Vokabeln noch können…
Auch das Essen war, zu meinem Leidwesen, echt lecker. Ich muss sagen, ich bin wirklich froh, keine Waage hier in Armenien zu haben! Aber ich muss immer daran denken, dass ich nicht weiß, wie lang ich hier noch bin, und dann nehm ich mir halt nochmal eine Portion (bzw. kriegs von der Gastgeberin auf den Teller geladen), weils ja meine letzte sein könnte oder so… Ging aber vielen anderen auch so, habe ich mitgekriegt.
Nach Losewo gings dann nach St. Petersburg. Aber da dort auch so viel los war, teile ich das Kapitel einfach mal. Also bis demnächst!