Ferien. Was mache ich denn jetzt? Gar nicht so einfach, wenn man in Armavir lebt. Eigentlich gibt es da nämlich gar nichts. Zumindest nichts, was annähernd mit „kulturweit“ in Verbindung zu bringen ist. Also was tun?! Aber glücklicherweise besitzt man ja Freunde, die sehr glücklicherweise im Eriwaner Zoo ( http://www.yerevanzoo.am/index.php?id=47&L=0&cHash=66199e2eeb0e7b97c2eda6c4175a3d23) arbeiten und die ein gutes Wort bei der Zooverwaltung für mich eingelegt haben.
So stand ich pünktlich um 9:00 Uhr vor dem Eingangstor des Eriwaner Zoos und wartete auf jemanden, der mich abholen sollte. Natürlich tauchte die halbe Stunde, die ich vor dem Tor verbrachte, niemand auf. Deshalb fasste ich mir ein Herz, kaufte mir eine Eintrittskarte (500 Dram = 1 €) und suchte das Verwaltungsgebäude. Dort schickte man mich zu Herrn Manukyan, der den Zoo, der vor kurzem von der Umweltorganisation FPWC gekauft worden war (http://www.fpwc.org/index.php?id=1883&L=4), mit verwaltete. Ihn zu finden war auch nicht so leicht, der Zoo ist relativ groß und in einigen Ecken wollte ich gar nicht suchen, da ich als zartbesaitete Tierliebhaberin dann doch manchmal in Tränen ausbrechen könnte, was die Haltungsbedingungen betraf. Umso mehr war ich mir meiner Mission sicher: Ich wollte dem FPWC und dem Zoo helfen – so gut wie ich konnte.
Als ich Herrn Manukyan fand, war ich beruhigt. Solchen Menschen konnte die Wiederherstellung des Zoos gelingen. Außerdem konnte er Englisch. Zweiter Pluspunkt. Er meinte, ich könne mir aussuchen, was ich machen wolle und auch wie lange. So entschied ich mich für die Vögel, von denen es eine ganze Menge gab. Außerdem wollte Herr Manukyan ausprobieren, ob wir nicht ein paar Pfauen im Zoo frei herumwandern lassen könnten. Ich sollte auf sie aufpassen und dabei ein wenig dokumentieren, wie sie auf die Besucher und die Besucher auf sie reagierten.
Die Wärter des Vogel-Bereichs waren allesamt sehr nett, so dass ich mich gleich sehr wohl gefühlt habe. Leider konnten wir uns nur auf Armenisch verständigen. „Leider“, weil ich sehr gerne mit ihnen geplaudert hätte, aber wenn es um irgendwelche politischen Angelegenheiten oder Fachgebiete ging, hatte ich mit meinem Wortschatz schnell das Nachsehen. Aber immerhin lernte ich durch sie einige wichtige Begriffe wie „Pfau“, „Strauß“ oder „Machst du bitte den Käfig sauber“.
Außerdem waren in meinem Arbeitsbereich ca. 100 Meerschweinchen (Schlangenfutter), 20 Hasen (auch als Futter gedacht) und 2 Hunde. An einem Tag entdeckte ich ein kleines Meerschweinchen in der Vogelküche. Natürlich musste ich es gleich streicheln und verhätscheln und füttern und mit ihm spielen. Gemeinsam mit den anderen taufte ich es auf den Namen Mathilda und durfte es behalten. 🙂
Natürlich wurde es auch als Kinderattraktion eingesetzt, sie durften es halten und vorsichtig streicheln. Die Kleinen waren begeistert von Mathilda! Natürlich musste ich den Eltern erklären, dass Mathilda keine Ratte war, sondern einfach ein kleines, süßes Meerschweinchen („tsovachozuk“). Auch die Pfauen waren eine Attraktion, aber mehrmals musste ich Kinder und Erwachsenen erklären, dass die Pfauen ihre Federn gern behalten würden und dass sie gerne ein paar lose von mir haben könnten. 
Was mir außerdem sehr in Erinnerung geblieben ist: Auf einem meiner Streifzüge durch den Zoo kam ich in ein Eckchen mit einem Wärter, der gerade zwei süße kleine Braunbären mit dem Schlauch abspritzte. Er lud mich ein in den Käfig, dann könne ich die beiden streicheln! Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen! Einen hielt ich sogar im Arm. Leider hatten die beiden schon einige Raubtierbeißerchen, die ganz schön zwicken konnten. Aber wert wars der blaue Fleck trotzdem. 🙂
Ach ja, das Bild schaut schlimmer aus, als es war: Der Käfig war eine Übergangslösung, da die beiden von ihrer Mutter nicht angenommen wurden. Später dürfen sie in das Gehege mit den anderen Braunbären. Außerdem waren sie sehr verspielt und tollten im Käfig miteinander herum, so dass ich stundenlang zuschauen hätte können!
Nebenbei wurden die ersten Fortschritte bei der Wiederherstellung des Zoos gemacht: Einige Tiere wurden in größeren, artgerechteren Gehegen untergebracht, das Braunbärenmännchen wurde kastriert, und ein Tierarzt aus den Niederlanden sicherte die medizinische Versorgung der Tiere. Herr Manukyan gab mir jedes Mal Bescheid, wenn eine Aktion stattfand, was ich natürlich super fand und so half ich mit, die Uhus umzusiedeln, die Pferde zu scheren und war auch beim Gespräch mit dem Zoodesigner Bernard Harrison mit dabei. Ein großes Dankeschön dafür!!!!
Außerdem lernte ich meinen besten Freund im Zoo kennen. Eigentlich verbrachte ich jede freie Minute mit ihm und ich hatte sehr viel Spaß! Anfangs fand ich ihn ein wenig unheimlich, da er größer und furchteinflößender war, als ich gedacht hatte, aber dennoch wurden wir sehr schnell unzertrennlich: Axpers und ich!
Er war ganz allein in seinem Gehege, und ihm wurde in seiner Kindheit der Hals gebrochen, was er nur mit knapper Mühe und Not überlebt hatte. Nichtsdestotrotz liebte er es zu spielen! Mit Apfelstückchen ließ ich ihn tanzen, mir nachlaufen und stillstehen, so dass ich seinen Hals streicheln konnte. Die Apfelstückchen nahm er mit seinem Schnabel aus meiner flachen Hand. Manchmal war er ein bisschen gierig und so hatte ich ein paar Schwielen an meinen Händen, aber das war mir egal, denn – er war einfach großartig. Anfangs wurde ich von meinem Vogel-Team belächelt, aber am Schluss waren sie doch sehr beeindruckt, was der Vogel so alles machte für Apfelstückchen… Und auch die Besucher, die vorbeikamen waren natürlich voll dabei, ein Vogel Strauß so nah und dann kann er auch noch Kunststückchen!
Vor meiner Abreise adoptierte ich ihn natürlich, meinen Freund. Das ist übrigens eine gute Sache, die Zootier-Adoption. Nur um ein bisschen Werbung zu machen: Der Eriwaner Zoo hat es verdient. Und die Armenier haben es verdient, einen schönen Zoo zu haben. Und auch die Kinder haben es verdient, Tiere in einer naturnahen Umgebung zu sehen und den Wert der Tiere und der Natur vor Ort zu erleben. Und da ich die Verantwortlichen kennen gelernt habe und weiß, dass sie wirklich etwas verändern wollen, ist das Geld dort sehr gut aufgehoben.
Jeder Tag im Zoo erfüllt mich und ich gehe gerne dorthin. Ich mag meine Kollegen, die Tiere und meine Arbeit dort. Sie ist teilweise auch traurig, wenn trotz Anstrengungen doch wieder ein Tier stirbt und alle Mühe vergebens war. Auch sind einige Tiere so traumatisiert, dass eine vollständige Genesung unwahrscheinlich ist. Aber dennoch: Irgendwo muss man anfangen und ich bin sehr stolz, dass ich mithelfen konnte, auch wenn mir bewusst ist, dass dieser Monat natürlich nur ein kleiner Beitrag war.





