Kapitel 1: Der Anfang – Sitten, Wohlstand und andere Kleinigkeiten

Wow, i-wie hats jetzt doch mit dem Internet  funktioniert. Na, dann nutz ich das doch gleich mal aus!

Also, dann fangen wir mal an. Meinen ersten Eindruck von Armenien und den Leuten konnte ich schon im Flugzeug gewinnen. Kurz nach dem Abflug von Prag nach Eriwan wurden, trotz den Aufforderung des Flugpersonals, erst einmal 20 Handys gezückt und ausgiebig telefoniert –  und genauso viele Handyklingeltöne konnte ich während des ganzen Fluges (um 4:00 Ortszeit!!) hören. Und auch jetzt kann ich bestätigen: Das Handy ist das wichtigste Gerät des Armeniers. Sogar im Unterricht darf dieses Teufelsding (auch von den Schülern!)  im Unterricht eingeschalten bleiben. Die Lehrer rufen sich auch gerne mal gegenseitig im Unterricht an. Ich lass das jetzt mal ohne Wertung hier stehen.

Den 2. Eindruck hatte ich auch ziemlich schnell – nämlich als wir abgeholt wurden und in das 45 km entfernte Armavir fuhren (Westliches Armenien). Zuerst wurden wir rigoros davon abgehalten, uns anzuschnallen – das sei überhaupt nicht üblich in Armenien, oder wollen wir die Fahrkünste des Fahrers in Frage stellen?!) Alles klar, dachte ich – so schnell können wir ja gar nicht fahren (ich hatte gelesen, dass die Straßen in Armenien sehr schlecht seien). Großer Fehler. Es wurde ALLES aus dieser Blechkarre rausgeholt, was die Straßenverhältnisse zuließen (ca. 80 km/h bei Schlaglöchern mit ein wenig Teer dazwischen). Dann überfuhren wir geflissentlich eine rote Ampel. Aber das ist mir inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen. 1. Verhaltensordnung: Verkehrsregeln ignorieren. Manchmal werden Ampeln eingehalten, aber meistens wird das mit einem komplexen Hupsystem, das ich immer noch nicht ganz durchblicke, geregelt. Wenn ich weiß wie`s funktioniert, lasse ich es euch natürlich wissen.

Wir kamen dann auch in Armavir an (die genaue Adresse weiß ich bis heute noch nicht) . Dann betraten wir ein „Hochhaus“ mit 4 Stockwerken und hievten unsere Koffer bis in die 3.Etage hoch – dort sollte ich also ein Jahr wohnen. Trotz der späten bzw. frühen Stunde (ich denke, es war nach 5 Uhr), war ich erst einmal geschockt. Das Treppenhaus war ein einziger Verhau. Putz war entweder nicht vorhanden oder sah antik (im NEGATIVEN Sinne aus) und die Gasleitungen waren überall zu sehen und nicht richtig isoliert (ich denke, dass es Gasleitungen sind). Ich machte mich wirklich auf das Schlimmste gefasst und als dann auch noch die Türklinke unserer Wohnung schief herunterhing und unsere Begleiterin die Tür erst einmal nicht aufbekam, hatte ich ein starkes Bedürfnis, aus dem Haus zu rennen und i-wie nach Deutschland zurückzutrampen.  Gut, dass ich erst noch abwartete, bis die Tür schließlich den Kampf verlor und mein zukünftiges Zuhause preisgab. Ich meinte, im falschen Film zu sein: sauber, geräumig, frisch renoviert und gestrichen, SAUBERES BAD und DUSCHE und eine gemütliche Küche.

Mein ästhetisches Auge wurde zwar leicht von der Sperrmüllcouch und den Sperrmüllsesseln beleidigt (ich weiß – ich bin ein deutsches Wohlstandskind… xD), aber inzwischen würde ich diese Einrichtung nicht mehr hergeben – die Möbel sind wirklich bequem und jetzt haben wir (Laura und ich) die komischen Flecken, die auf der  Couch waren, unter einer Decke verschwinden lassen, so dass sie jetzt richtig gemütlich aussieht. Wie ich festgestellt habe, haben die Nachbarn nicht mal ansatzweise so viel Luxus und tolle Einrichtungsgegenstände wie ich (bis jetzt wurden wir von 2 Nachbarn zum Kaffee – armenischer Kaffee ist echt lecker – eingeladen) und ich bin jeden Tag dankbarer darüber, wie schön ich wohnen darf!

Außerdem habe ich so eine coole Wäscheleine, die zum Nachbarhaus rüber gespannt ist und die ich mit der Frau, die im 3. Stock des Nachbarhauses wohnt, mitbenutzen darf. Nach anfänglicher Skepsis, wie das System funktioniert und Zweifeln, ob die Nachbarn das in Ordnung finden, wenn ich da auch meine Wäsche aufhänge  (ich war fest davon überzeugt, dass mich diese böse anstarrte, als ich mein Schlafzimmer, zufälligerweise habe ich das Zimmer mit dem Fenster, aus dem man die Wäscheleine erreichen kann, bezog) – aber das hat sich nach einem kurzen Plausch mit dieser älteren Dame am Fenster, bei dem weder ich noch sie etwas verstand, gelöst und nach Überwindung meiner Höhenangst und der Erkenntnis, dass man die Wäscheleine vor Aufhängen der Wäsche immer saubermachen sollte, alles gelöst. Funktioniert prima, schaut lustig aus und bis jetzt ist noch kein Wäschestück davongeflogen (3. Stock!). Was ich aber immer noch nicht geschafft habe, ist es, meine Unterwäsche aufzuhängen, da immer, wenn ich Wäsche raushänge, irgendwelche alten Männer gerade unter mir eine Zigarette rauchen und mir dabei interessiert zuschauen müssen. Lustigerweise auch um 11 Uhr nachts. Ich weiß nicht warum, aber das beklemmt mich irgendwie.

Auch das Bad gestaltete sich als sehr spannend:  Gleich am 1. Tag funktionierte das Klo nicht mehr. Hm – was tun? Ganz einfach: Bauen wir doch einfach fden Spülkasten auseinander und schauen nach! Gottseidank war es ein einfaches System (einfach den Deckel abnehmen) und dann guckten wir sehr ratlos rein. Nach einer kleinen Diskussion mit meiner Mit – Freiwilligen und WG – Mitbewohnerin Laura wurden die Einmalhandschuhe ausgepackt und mit Elan in den Spülkasten gegriffen (meistens ist das Wasser normal farblos, manchmal ist es aber weiß mit Bläschen, k.A. warum). Es war ganz einfach zu reparieren – einfach die Spülschnur, die sich gelöst hatte, wieder einhängen. Da sich die Schnur fast täglich aushängte, wurden wir immer routinierter und was anfänglich ein Riesen – Procedere war, können Laura und ich inzwischen im Vorbeigehen. Aber ich glaube, jetzt haben wir die Schnur so bombenfest gemacht, da dürfte nichts mehr passieren. Manchmal funktioniert der Schwimmer im Klo auch nicht, so dass kein Wasser in den Spülkasten mehr nachläuft. Das kann man ganz einfach beheben, habe ich festgestellt. Einfach kraeftig auf den Spülkasten hauen, dann geht`s wieder.

Dusche ist noch in Progress, da sind wir noch dran, das zu verbessern. Mit „das“ ist zum einen die Wasserwärme gemeint. Die lässt sich nämlich nur bedingt regeln. Anfangs mussten wir sowieso erst rausfinden, dass „kalt“ gleich „warm“ ist und umgekehrt. Aber das ist ja kein großer Akt, wenn man`s erst mal weiß. Das 2. Problem ist, dass das Wasser entweder siedend heiß ist oder a*kalt. Bis jetzt dusche ich immer in den 5 Sekunden, in denen die Wassertemperatur gerade am Wechseln ist. Bei 4 Wechseln sind die Haare dann gewaschen und man ist froh, dass man`s überlebt hat. Aber Wechselduschen sollen ja gesund sein. Mal schauen. 3. Problem: Nach jedem Duschen muss ich das Bad wischen, denn die Dusche läuft aus – und zwar ganz heftig. Deswegen habe ich mir einfach mal Silikon gekauft und ein zufällig vorbeikommender Freund war dann so freundlich und hat mir den Duschrand (die Dusche ist verkehrt herum eingebaut worden) abgedichtet. Hat auch super funktioniert. Jetzt läuft kein Wasser mehr vorbei. Leider hat sich rausgestellt, dass nicht nur da das Wasser rauskommt, sondern auch unter der Dusche. Deswegen habe ich den Vermieter angerufen und ihm mit meinen tollen Armenischkenntnissen erklärt, dass er wegen der Dusche kommen soll (Barev! Intsch pes ekh? Dusche tsche chist. Gnal?). Er kann nämlich nur Armenisch und Russisch. Übrigens, rein informativ: Auf dem Land spricht man ausschließlich armenisch. So ziemlich jeder kann russisch, aber Armenisch ist die Sprech – Sprache.  Der kam auch dann um 21:00 zu uns mit seinem Bruder, einem Hobby – Handwerker (wie ich herausgefunden habe, ist er eigentlich Jurist).  Dann versuchten sie mit einem Pömpel, das Problem zu lösen. Funktionierte natürlich nicht. Außerdem wollten sie mir weismachen, dass das Wasser über die Duschwanne drüber lief. Da ich die Abdichtung derselben persönlich überwacht hatte, wies ich das natürlich rigoros zurück („Tsche!“, „Ajo!“, „TSCHE!!“) , was zur allgemeinen Erheiterung beitrug und schließlich konnte ich sie sogar überzeugen und dann fanden sie auch das eigentliche Problem (hoffe ich, werde es morgen testen): Der Siphon war nicht richtig abgedichtet und lies die Abwasserbrühe durchsickern und unter der Dusche hervortreten! Dann unterhielten sich die beiden über Silikon und „sawtra“ – dieses Wort hatte ich von dem Vermieter schon öfter gelernt. Es ist russisch für „morgen“. Da brachte ich in das Gespraech ein, dass ich Silikon im Haus haette. Dies führte zur weiteren Erheiterung der Runde und wollten es mir nicht glauben – die dachten wahrscheinlich, ich hätte irgendwas vercheckt oder ein Wort falsch aufgeschnappt oder so. Tja, also packte ich meine tolle Silikontube aus und erntete Bewunderung und Respekt (natürlich nicht ohne vorher lauthals „an“gelacht zu werden). Mein Vermieter bezeichnete mich dann als „master“. Morgen darf ich dann die Dusche testen.

Das also war mein erster Blogeintrag – Respekt, wer ihn ganz gelesen hat.

Also bis denne!

 

2 Gedanken zu „Kapitel 1: Der Anfang – Sitten, Wohlstand und andere Kleinigkeiten

  1. Hallo, auf diesen alten Blog zu Antworten ist vom Zeitlichen wohl nicht mehr aktuell.
    Aber ehrlich gesagt, die Küche , mit dem Foto von Dir, zählt in jedem Land in Europa schon zur Mittelklasse. Und alle kleine Herausforderungen sind doch zum schmunzeln. Ich spreche grundsätzlich nicht von Problemen. Denn das Wort Problem , hat schon einen Negativ Toutch weg.Als ich von der Katholischen Kirche auf den Philipinen Brunnen für Trinkwasser gebaut habe, war deine Wohnung der pure Luxus in Armenien. Eine Bambushütte , wo der Wind durch alle Ecken zog, und man in Hängematten schlief, und die Natur allgegenwärtig an zu treffen war, das ist eine Herausforderung. Und trotzdem waren die Einheimischen Glücklich und zufrieden . Wenn man keinen Luxus kennt, vermisst man ihn auch nicht, oder begehrt ihn nicht.
    Jeder Mensch auf dieser Welt, sollte doch wenigsten gesundes Wasser trinken können. Dafür ging ich ein Jahr in die dritte Welt um das ändern zu können.Und es freute mich diesen Menschen geholfen zu haben.
    Gruss an alle Armenier. Lasst den Kopf nicht hängen. Schaut voraus in die Zukunft.
    Volker aus Deutschland

  2. Klasse!
    Bin Armenierin, habe deinen Blog meinem Sohn (14) und meinem deutschen Mann vorgelesen.
    Allgemeine Erheiterung-wunderbar.
    Freue mich auf mehr!
    Hast ’ne tolle Art zu Schreiben.

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