Wickelkleid deluxe oder Als ich (fast) auf einer indische Hochzeit war

Eine Art Volkssport hier in Indien scheint das Ansprechen von hellhäutigen Menschen wie mir zu sein: Polizisten sprechen mich am Strand an und unterhalten sich mit mir über Musik aus den 80ern. Kleine Jungen fragen mich an der Bushaltestelle oder im Kaufhaus, ob ich ihnen nicht ein bisschen Geld aus meinem Land gebe (gibt’s natürlich nicht, aber fragen kostet nix). Und einmal wurde mir sogar schon angeboten mich auf einem Motorrad durch die Gegend kutschieren zu lassen.

Schürze an, Haarnetz auf und schon haben wir munter bei der Teigproduktion mitgemischt.

Eines der amüsantesten Erlebnisse war jedoch als ich am Wochenende mit zwei Freundinnen in einer Bäckerei einen Kaffee trinken war. Wir hatten uns gerade gesetzt und waren dabei unsere Croissants zu verspeisen, als plötzlich der Chefbäcker des Ladens an unseren Tisch kam und uns darum bat mit in die Backstube zu kommen. Dort wurde nämlich soeben ein neuer Teig angemischt. Und für die indische Bäckermannschaft gab es offenbar keine größere Ehre, als uns drei Ausländerinnen bei der Zubereitung dabeizuhaben. So kam es also, dass wir uns schon wenige Momente später Schürzen umbanden, Haarnetze aufsetzten und unsere Hände in Plastikhandschuhe steckten. Unsere Aufgabe war es jeweils eine Flasche Rum über einem Gemisch aus kandierten Früchten zu verteilen und das Ganze fröhlich zu vermischen. Natürlich wurden wir dabei fotografiert – wie sollte es auch anders sein. Aber schön, wenn man Menschen so einfach glücklich machen kann.

Vor einer Woche war ich auf einer indischen Hochzeit eingeladen, was sich als perfekte Möglichkeit zum Tragen meines blauen Seidensaris entpuppte. Für alle, die keine Vorstellung haben, was ein Sari ist, möchte ich das kurz erläutern: Es handelt sich um ein überdimensionales Stoffstück, das wie ein Wickelkleid über einem langen Unterrock und einer auf den Leib geschneiderten Bluse getragen wird. Kushboo, eine indische Bekannte, hat Veronika, Luisa und mir beim Ankleiden geholfen. Als Sari-Neuling ist das nämlich gar nicht so einfach. Erst muss ein Teil des Stoffs in den Unterrock gesteckt werden, dann wird der restliche Stoff sorgfältig in Falten gelegt und so um den Körper gewickelt, dass es danach ansprechend aussieht. Das Werk wird dann mit drei Sicherheitsnadeln fixiert – et voilà. Hübsch ist es auf alle Fälle, aber bis ich das Stoffmonstrum alleine anziehen kann, brauche ich noch etwas Übung.

Falten, falten und nochmals falten. Sarianziehen will geübt sein.

Die Hochzeit selbst war leider etwas ernüchternd. Zum einen war es eine südindische Hochzeit, d.h. es wird nur selten so ausgelassen getanzt wie man das aus den Bollywood-Filmen kennt. Eigentlich wurde gar nicht getanzt. Bei dem Hochzeitsempfang am Sonntagabend hat zwar eine Band gespielt, bewegen wollte sich dazu aber keiner. Nur das Brautpaar hat auf der Bühne gestanden und so lange gelächelt bis sie mit jedem Gast mindestens ein Foto gemacht haben. Die anderen Gäste haben währenddessen auf Plastikstühlen Platz genommen oder sich das südindische Abendessen einverleibt, wobei ich mir beim Essen eher wie bei einer Uni-Prüfung vorkam. Es gab zwar eine Tafel, an der wurde aber immer nur auf einer Seite Leute platziert. Wir haben also wie Hühnchen auf der Stange nebeneinander gesessen und brav die verschiedene Gerichte, die auf einem Bananenblatt serviert wurden, verspeißt. Währenddessen ist die Brautmutter um uns herumgewuselt und hat jedem freudig erzählt, dass wir aus Russland kämen. Und das, obwohl wir ihr erst wenige Minuten zuvor unsere eigentliche Herkunft verraten hatten. Nach knapp eineinhalb Stunden war der ganze Hokuspokus vorbei und wir wieder in unserem Hotelzimmer.

Und so sieht das dann aus, wenn der Sari fertig gewickelt ist.

Die eigentliche Hochzeit am Montagmorgen haben wir leider verpasst, weil Kushboo sich verspätet hatte. Die Hochzeit hätte um 7:30 Uhr begonnen, wir waren aber erst um 8:15 Uhr da. Deshalb gab es für uns nichts weiter zu sehen als das nun verheiratete Brautpaar, das – mal wieder – Fotos gemacht hat. Nachdem auch wir müde in die Kamera gelächelt haben, gab es südindisches und unnötig fettiges Frühstück. Wie schon am Vorabend wurden wir eifrig von einem Kameramann gefilmt wie wir mit unseren Händen Dosa, Iddly und andere Gerichte in unseren Mund verfrachteten. Das Licht, dass er zu diesem Zweck auf seiner Kamera geschraubt hat, hat uns dabei nur „minimal“ geblendet. Was dem Brautpaar nun von unserem Besuch bleibt? Fotos von Weißen im Sari, Fotos von Weißen in Salwar Kami und Filmmaterial von Weißen die südindisches Abendessen zu sich nehmen und am nächsten Tag verschlafen ihr südindisches Frühstück verspeisen. Wir wissen nun zwar leider immer noch nicht, was bei einer Hinduhochzeit genau passiert, aber eines ist in Indien ja glücklicherweise sicher: Die nächste Hochzeit kommt bestimmt.

 

P.S: Euch sind bestimmt schon die Abstimm-Buttons zu Beginn und Ende meiner Artikel aufgefallen. Tut mir doch den gefallen und stimmt für diesen Artikel und am allerbesten noch für alle anderen bisher erschienen Artikel ab. Mit etwas Glück wird mein Blog dann nämlich ausgezeichnet. Ich danke euch :). Bis bald.

One response to “Wickelkleid deluxe oder Als ich (fast) auf einer indische Hochzeit war

  1. Ihr Bericht zu den indischen Hochzeiten versetzt mir als Bollywood Fan einen mittelschweren Schock. Ich hatte nicht geahnt, dass es regional solch gravierende Unterschiede gibt. Ich hatte vorausgesetzt, dass indische Hochzeiten vor allen Dingen durch wild tanzende Gäste wie auch das Brautpaar bestimmt sind. Doch die realistischen Eindrücke bekommt man wohl erst, wenn man vor Ort die Lebensweise in einem Land hautnah erlebt. Wahrscheinlich getreu dem Motto: Viel Zauber um fast gar nichts!

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