Crème-Torte – Im wahrsten Sinne des Wortes

Wenn man im Ausland ist, kann es passieren, dass auf einmal, völlig unerwartet der Geburtstag vor der Tür steht. So ging das vergangene Woche auch mir. Zu Hauf wurde ich deshalb gefragt: Und wie feiert man einen indischen Geburtstag? Bisher konnte ich darauf noch keine klare Antwort geben. Denn zur Feier meiner alljährlichen Alterung habe ich ein paar deutsche und indische Freunde eingeladen und ihnen Spaghetti mit Pesto Rosso und Gurkensalat vorgesetzt. Indisch war daran, außer dass ich mich zu eben diesem Zeitpunkt in Indien befand und Shruta indischen Nachtisch mitgebracht hat, rein gar nichts.

Gefüttert werden gehört genauso zu einer indischen Geburtstagsfeier…

Nachdem aber eine Woche nach mir Luisa Geburtstag hatte, haben unsere Kollegen für uns eine Geburtstags(nach)feier organisiert. Üblich ist es dabei eine Torte zu kaufen (für uns mit Heidelbeergeschmack und psychedelischem Muster). Wir mussten die Kerzen ausblasen (kennt man), den Kuchen anschneiden (kennt man auch von so mancher Hochzeit), uns gegenseitig zu füttern (das ist dann schon sehr indisch, weil Füttern irgendwie ein Teil der hiesigen Kultur ist) und dann kam es: Zwei unserer Kolleginen haben uns das komplette Gesicht mit der Sahnetorte eingerieben. Mir hing nach dieser Aktion die Sahne überall: An den Backen, in den Haaren, unterm Kinn und auf den Wimpern. „Happy Birthday“ kann ich da nur sagen.

Dabei hatten wir noch Glück mit der Menge, die uns im Gesicht verteilt wurde. Eigentlich wird für solche Anlässe nämlich eine extra Torte (wenn auch eine kleine) gekauft, die dann wie in einem schlechten Slapstick-Gag im ganzen Gesicht verrieben wird. Ist man zusätzlich auch noch männlich Geschlechst, dann muss man noch eine ganze Menge Klapse einstecken. Soll wohl Glück bringen oder es macht den anderen Beteiligten einfach zu viel Spaß.

…wie die Sahne im Gesicht verteilt zu bekommen.

Obwohl ich mich im Bad von der Crèmemasse befreite, habe ich Stunden später immer noch irgendwo Überreste gefunden. Aber wenn ich meine Haut heute so anfasse, dann ist mir als spüre ich eine glättende Wirkung von dieser Crèmetorte. Nivea kann einpacken.

Meine Eltern haben mir sogar ein Geburtstagspäckchen geschickt. Unglücklicherweise ist der Zoll ein ziemlicher Spielvertreter. Das fängt schon damit an, dass man auf dem Zollerklärungsaufkleber angeben muss, ob es sich um eine „Warenproben“ oder eben wie bei mir, um ein „Geschenk“ handelt. Darunter muss dann der genaue Inhalt angegeben werden und so steht da dann halt „Buch (Roman) 1,2 kg“. Danke lieber Zoll, Überraschung adé. Nun hat der Zoll aber auch noch mein Packet geöffnet und die Verpackung um mein Buch aufgeschnitten (natürlich sehr ordentlich und nur an den Buchenden, aber trotzdem). Spätestens dann war dem Zoll jedoch klar, dass die Seiten meines Romans nicht aus Kokain, sondern aus Papier bestehen und sie haben es endlich weitergeschickt. Wie auch immer. Ich habe mich trotzdem sehr gefreut Post von zu Hause zu kriegen und so soll’s ja auch sein.

Mein psychedelischer Nachgeburtstagskuchen

Pünktlich zu meinem Geburtstag hat übrigens der Monsun eingesetzt. Die Regenfälle waren bisher noch relativ normal, wenn man aber bedenkt, dass Chennai nur in wenigen Bereichen über eine intakte Kanalisation verfügt und die wenigen Kanäle nach einem starken Regenguss total überfüllt sind, kann man sich vorstellen, wie es in Chennai dann aussieht. Gerade am Straßenrand stauen sich die Wassermassen. Manchmal sogar tagelang bis alles verdunstet ist. Nicht selten stapfen wir deshalb durch knöcheltiefe Pfützen (manchmal steht das Wasser auch noch höher). Was so alles in der braunen Brühe schwimmt, will ich lieber gar nicht wissen. Offene Wunden an den Füßen wünscht man bei dem Wetter aber keinem. Wenn es einmal richtig schlimm regnet, ist ziemlich schnell die ganze Stadt lahm gelegt. Rikschas fahren nicht mehr, weil die Motoren mit den Pfützen nicht klarkommen, Busse fahren weiter, weil sie total überfüllt sind und selbst unser Yogakurs, der um 6 Uhr morgens stattfindet, wurde wegen der Wassermassen abgesagt. Ich bin gespannt, was mich die nächsten Wochen noch so erwartet.

Bis bald, Anna

 

 

 

Teeplantagen, Eukalyptus und frische Luft – Ein Ausflug nach Ooty

Vannakam,

Mein Zugbett auf der Hinfahrt – bequemer als man vermuten würde.

die vergangene Woche war wieder einmal reich an Feiertagen. Schließlich hatten wir nicht nur an Gandhis Geburtstag (2. Oktober), sondern auch am Tag der Deutschen Einheit frei. Idealerweise konnten wir im Anschluss noch ein paar Tage frei nehmen und so ein verlängertes Wochenende im wunderschönen Ooty verbringen. Ooty, auch Udhagamandalam genannt, ist ein Gebirgsort an der Grenze zu Kerala. Die etwa neunstündige Fahrt dorthin verbringt man am bequemsten im Nachtzug. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist jedoch jedes Mal auf’s Neue ein Abenteuer – so auch diesmal:

Zum einen ist es gar nicht so einfach kurzfristig (also ein paar Tage vorher) Zugtickets zu bekommen. Aber Poornima, die Rezeptionistin im GI, hat uns dankenswerterweise bei der Fahrkartenbuchung geholfen. Und so konnten Luisa, Johannes und ich gerade noch die letzten drei Karten für die Rückfahrt ergattern. Zudem stehen auf dem Online-Ticket weder das Datum der Abfahrt, noch die Abfahrts- oder Ankunftszeiten. Letztere lassen sich auch im Internet nur sehr schwer bis gar nicht recherchieren. Dafür gibt es anscheinend aber ein zweites Buchungsblatt, auf dem man versteckt einige Reisedetails finden kann – das muss man aber wissen. Alles in allem haben wir aber den richtigen Zug am richtigen Bahnhof (davon gibt es ja auch mehrere in Chennai und auf den Tickets findet man nur die Abkürzungen) gefunden und nach einigem Suchen und Rumfragen auch unseren Wagen, sowie unsere Betten.

Kurz nach Fahrtanbruch konnten wir uns dann auf unsere Klappbetten legen, mit Lacken und Wolldecken zudecken (die waren aufgrund der Klimaanlage auch bitter nötig) und überraschend gut schlafen. Naja abgesehen davon, dass unterhalb von uns der „narkoleptische Schnarcher“ lag, der die merkwürdigsten Schnarchgeräusche von sich gegeben hat, die mir in meinem Leben je zu Ohren gekommen sind.

Panoramablick von Ooty

Panoramablick aus Ooty

In Coimbatore angekommen sind wir dann mit der Bummelbahn weiter nach Mettupalayam gefahren und haben von dort aus den Bus nach Ooty genommen. Die Hinfahrt war zwar lange und anstrengend, aber das Ziel war alle Strapazen wert. Ooty ist das absolute Gegenteil zu Chennai ist: Es liegt in den Bergen, es ist tagsüber vergleichsweise mild, nachts kühlt es sich richtig ab (so stark, dass wir trotz zwei Lagen Wolldecken gefroren haben), es ist ruhig dort und die Luft ist rein. Die perfekte Erholung von der indischen Großstadt also.Von Ooty aus haben wir eine tolle Trekkingtour gemacht, bei der wir durch Teeplantagen und Eukalyptuswälder gewandert sind und am Ende die Aussicht

Teeplantagen so weit das Auge reicht und ich mittendrin.

von einem Berggipfel genossen habe. An den folgenden Tagen haben wir dann Tagesausflüge nach Coonoor und Kottagiri gemacht. In Coonoor waren wir bei den affenbevölkerten Aussichtspunkten Lamb’s Rock und Dolphin’s Nose. In Kottagiri haben wir uns von einem Taxifahrer, Kanan, in die Nähe der Elch Wasserfällen fahren lassen. Von dem Parkplatz aus sind wir vorbei an Teesträuchern, Ziegen und Kühen direkt an die Wasserfälle gewandert. Dort konnten wir Frauen beim Wäschewaschen am Fluss beobachten und wurden – wie sollte es auch anders sein – von einer Horde Indern zum Fototermin gebeten.

Immer wieder werden wir zu Fototerminen gebeten

Das mit den Fotos ist wirklich so eine Sache: Egal wie schön die Natur, der Tempel oder das Bauwerk ist, das wir besichtigen, es gibt immer ein paar Inder, die sich unbedingt mit einem von uns oder am besten mit allen herumstehenden Weißen fotografieren lassen wollen. Viele davon bitten wirklich höflich um ein Foto und geben einem danach zum Dank die Hand, manche versuchen aber auch ganz „unauffällig“ ein Bild zu schießen (als ob wir das nicht merken…). Gerade Gruppen von jungen Männern können sogar richtig nervig werden, wenn sie uns schon fast verfolgen und einem ständig hinterherbrüllen „Hey, hey, hey, foto, Madame“. Aber da ich ja kein Superstar bin, kann ich ja glücklicherweise einfach weitergehen, ohne meinen guten Ruf zu verlieren.

Eine sehr schöne Geschichte von meinem Besuch in Ooty war, als uns unser Taxifahrer Kanan nach dem Ausflug zu den Wasserfällen noch zu sich nach Hause eingeladen hat. Einfach so, aus reiner Gastfreundschaft. In seinem kleinen Haus, in einem Dorf etwa drei Kilometer von Kottagiri entfernt, haben wir seine Mutter, seine Ehefrau und die einjährige Tochter kennengelernt. Kanans Frau hat uns Chai (Tee) und Kaffee gekocht und uns verschiedene Knabbereien wie Bananenchips und Kekse vorgesetzt. Anschließend wurden uns Fotos von anderen Deutschen und Niederländern gezeigt, für die Kanan schon als Fahrer tätig war. Obwohl Kanans Mutter kein Englisch konnte, hat sie uns mit Händen und Füßen versucht zu erklären, wen man auf den Fotos sehen kann und wo sie zum Beispiel abgebildet war. Kanan hat uns dann sogar zurück an den Busbahnhof nach Kottagiri gefahren ohne dafür auch nur einen Cent zu verlangen. So herzliche Gastfreundschaft

Ein Wasserfall in Kottagiri

ohne Hintergedanken würde ich mir manchmal auch in Deutschland wünschen.

So das war’s für heute von mir aus Indien, aber ich melde mich bald wieder. Schaut euch in der Zwischenzeit die schönen Fotos aus Ooty an.

Parkalam, eure Anna

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