Hiermit ist es offiziell: Vodafone hat es sich zum Lebenswerk gemacht mich in den Wahnsinn zu treiben. Vergangene Woche war ich mal wieder im VF-Shop, inkl. Mietbescheinigung, Ausweiskopie, Immatrikulationsbescheinigung und Freiwilligenausweis, um die Karte entsperren zu lassen. Und was haben sie von den Dokumenten gebraucht? Gar nichts. Sie sind nur in ihrem kleinen Kämmerchen verschwunden und haben die Dokumente weggeschickt (als ob sie das nicht schon längst hätten machen können). Wenige Minuten später ging mein Handy wieder…zumindest bis Samstag. Seit dem geht nämlich gar nichts mehr. Ich kann noch nicht mal mehr Anrufe empfangen, geschweige denn selber welche tätigen.
Gestern war es deshalb wieder Zeit meine Freunde bei VF zu besuchen, mich in die beduftete Eishöhle namens Geschäft zu setzen und mich von der in Dauerschleife laufenden „Dumm-dumm-dumm“-Musik beschallen zu lassen, die mal eher lateinamerikanisch, mal irisch, mal nach Comedysendung klingt. Eigentlich fehlt nur noch eine Bandansage à la „Der nächste freie Mitarbeiter ist in Kürze für Sie da. Haben Sie noch einen Moment Geduld.“ Als ich endlich an der Reihe war durfte ich zum dritten (!) Mal meinen Antrag ausfüllen, mein kompletter Reisepass wurde noch einmal kopiert (diesmal auch die letzte Seite, wieso auch immer), ich musste schon wieder ein Passfoto abgeben und dann den Antrag drei Mal, sowie jede der drei Kopien meines Ausweises unterschreiben und zwar genauso wie ich meinem Pass. Dann wollten meine guten Freunde dieses Mal sogar noch meine Adresse in Deutschland haben und erneut Kontaktdaten von meinem Vermieter. Währendessen ist mein Sachbearbeiter für unbestimmte Zeit in seinem Kämmerchen verschwunden. Angeblich sollte meine Sim-Karte innerhalb von sechs Stunden wieder funktionieren, ich warte bereits seit 24 Stunden, werde ihnen jedoch noch einen weiteren Tag einräumen, man kann ja nie wissen. Wenn mein Handy dann immer noch nicht funktionieren sollte, werde ich VF leise „Servus“ sagen und mir einen anderen Anbieter suchen. So nun aber genug von meinem Telefoniewahnsinn.
Vergangenen Mittwoch hatte Ganesha, dieser rosafarbene Elefantengott, der immer von einer Horde Mäusen umgeben ist, Geburtstag gefeiert. Zur Feier des Tages hatten wir frei und konnten einen Ausflug nach Mamallapuram machen. Mamallapuran, oder auch Mahabs genannt, ist eine sehr alte Tempelstadt, die von Chennai aus bequem in eineinhalb Stunden mit dem Bus zu erreichen ist. Dort haben wir uns die kunstvoll gestalteten Tempel aus dem 7. Jahrhundert angesehen, die in der ganzen Ortschaft verteilt sind. Die meisten davon konnten wir kostenlos besichtigen, für die zwei UNESCO-Weltkulturerbe-Tempel mussten wir jedoch Eintritt bezahlen. Interessanterweise ist die Kostenspanne der Eintrittskarten für Inder und Ausländer sehr groß. Als Inder zahlt man nämlich nur 10 Rupien (0,15 €) , als Ausländer 250 Rupien (3,60 €). Die Tempel waren aber allesamt sehr sehenswert, vor allem, weil viele davon aus einem einzigen riesigen Stein herausgearbeitet wurden. Durch den Tsunami 2006 ist der Meeresspiegel in Mahabs gesunken. Dadurch wurden viele Tempel, die eigentlich im Meer versunken sind, teilweise wieder freigelegt. An vielen Stellen kann man deshalb die Spitzen der Tempel aus dem Meer ragen sehen. Während wir die beeindruckenden Tempel in Mamallapuram besichtigt haben, waren wir lustigerweise für die indischen Touristen die Attraktion des Tages und wurden ständig fotografiert.
Die Feierlichkeiten rund um Ganeshas Geburtstag haben übrigens mehrere Tage gedauert. An seinem Geburtstag selbst kaufen die Hindus kleine Ganesha-Figuren aus Sand oder Lehm, es wird im Tempel gebetet und natürlich ausgiebig gegessen. Fünf Tage später werden diese kleinen Ganesha-Figuren dann an den Strand gebracht und im Meer versenkt. Aus allen Teilen der Stadt sind deshalb die Hindus in einer Art Prozession an den Strand gepilgert. Die Prozession war jedoch eher mit einem Faschingsumzug vergleichbar, da die Inder auf geschmückten Lastwägen ans Meer gedüst sind. Auf dem Dach des Führerhäuschens war meist eine riesige rosa Ganesha-Figur befestigt und hinten auf der Ladefläche haben Männer und Frauen gesungen und getrommelt. Uns Ausländern wurde natürlich zugewunken und zugejubelt. Leider haben wir die Feierlichkeiten am Meer nicht mitverfolgen können, aber ich bin mir sicher, dass die Inder eine große Party daraus gemacht haben.
Natürlich geht dieser unsägliche Mohammed-Film auch in Indien nicht spurlos an uns vorüber. Das Video an sich wurde ja sehr schnell gesperrt, aber natürlich wurde der Feiertag rund um Ganeshas Geburtstag für zahlreiche Proteste in der Stadt genutz. Schon Tage vor dem Feiertag konnten wir beobachten wie das Polizeiaufgebot rund um die amerikanische Botschaft immer weiter aufgestockt wurde. Am vergangenen Dienstag waren hunderte Polizisten und Polizistinnen teils mit Schusswaffen, teils mit Schlagstöcken bewaffnet an den Straßen platziert. Auch die deutsche Botschaft soll zu dieser Zeit verstärkt bewacht worden sein. Es kam zu einigen Ausschreitungen in der Stadt bei denen unter anderem die Überwachungskameras des US-Konsulats zerstört wurden. Zeitweise haben die Ladenbesitzer ihre Läden geschlosse, weil nicht abzusehen war wie die Demonstrantenzüge reagieren würde. Alles in allem scheint die Lage jedoch nie bedrohlich gewesen zu sein. Und mittlerweile hat sich alles wieder beruhigt und die Polizei ist wieder auf ein Minimum reduziert.
Heute Abend werden wir übrigens einen Ausflug ins Hilton Hotel machen, da dort eine der wenigen Bars ist, in der man auch mal ein Gläschen Wein oder Bier trinken kann. Der Zugang zu alkoholischen Getränken ist in Chennai, wie in fast ganz Tamil Nadu, so gut wie unmöglich. Außer man hat natürlich die nötigen Kontakte. Bei all den Bildern vom Oktoberfest und den vollen Bierkrügen musste ich deshalb unweigerlich an Paul Kuhns „Es gibt kein Bier auf Hawai“ denken, das man situationsbedingt sehr gut in „Es gibt kein Bier in Chennai, es gibt kein Bier. Drum bleib ich nicht in Chennai, drum bleib ich hier“ umdichten könnte. Damit wir uns jetzt aber nicht falsch verstehen: Chennai hat dafür aber eine wunderbare Auswahl an frisch gepressten Fruchtsäften für ganz wenig Geld zu bieten, sowie frische Kokosnüsse an jeder Straßenecke. Aber ab und zu ein alkoholisches Getränk werden wir uns trotzdem gönnen und wenn wir dafür ins Hilton fahren müssen.


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