In China feiert man am 1.5. auch Tag der Arbeit. Es ist ein großer Feiertag und deswegen bekamen wir nicht nur den Donnerstag, sondern auch noch den Freitag frei. Den so entstandenen Urlaub verbrachte ich ziemlich kurz entschlossen in Taiwan bei Alexia, die ein paar von euch vielleicht noch als meine französische Kommilitonin aus Leeds kennen! Zuletzt gesehen hatte ich sie im Sommer letzten Jahres, es gibt auch ein Beweisfoto.
Taiwan liegt eigentlich recht nah bei Shanghai, aber es war für mich billiger, über Hong Kong zu fliegen. Und naja, gibt ja eh schlimmere Orte als Hong Kong, ne 😀
Um kurz nach Mitternacht landete ich endlich in Taibei Taoyuan und wurde von Grace und Alexia und einem kalten Bubble Tea (kommt ja aus Taiwan) zusammen abgeholt. Es war sehr schwül und warm in Taiwan, aber die Luft war so viel besser…!
Mit dem Bus fuhren Alexia, Grace und ich in die Hauptstadt Taipei (Taibei) und ich durfte bei Alexia unterkommen. Sie wohnt mit einem jungen amerikanischen Paar zusammen und einem kleinen Hund. Schnell beschloss ich, mich einfach mit der (Luft)Feuchtigkeit abzufinden, und es zu akzeptieren, wie der Körper darauf reagiert. Taiwan war auch viel zu schön, um sich damit aufzuhalten.
Freitag nahm sich Alexia frei und zeigte mir ihre Stadt. Es war komisch, einmal einen Rollentausch mitzuerleben, nachdem ich ja jetzt mehrmals hintereinander meinen Freunden meine Stadt gezeigt hatte. Wir begannen mit gefüllten Reisbällchen, einer taiwanesischen Spezialität, und dann besichtigten wir den Longshan Tempel. Es gab überhaupt sehr viele Tempel, ganz unverhofft und oft. Der Tempel lag in der Nähe von dem alten japanischen Viertel mit vielen historischen Artefakten. Danach bestaunten wir die Chiang Kai Shek Memorial Hall, die komischerweise viel prächtiger ist als die von Sun Yat-sen. Komisch, weil logischer wäre es anders herum. Sun Yat-sen ist Taiwans Nationalheld und Chiang Kai Shek der „böse“ Gegenpart vom Festland. Mir gefiel das blau geziegelte Dach und der weite Platz jedenfalls sehr. Zufällig kamen wir auch noch rechtzeitig zur Wachablöse, wo die Soldaten zur Mahnwache bestimmt zwanzig Minuten brauchten, um von ihrem Podest herunter zu steigen, sich zu entfernen und einen neuen Posten zu postieren.
Ich hatte immer wieder versucht, Geld abzuheben, weil ich kein Geld in der dortigen Währung Taiwan Dollar besaß, aber das sollte mir den ganzen Aufenthalt über nicht gelingen. Meine Karte funktionierte nicht. Naja, immerhin brauchte ich kein Visum für diesen paradiesischen Ort. Alexia, die Liebe, bezahlte aber fortlaufend für alle meine Bedürfnisse. (Ich konnte mich zum Glück später in Shanghai revanchieren.)
Abends gingen wir taiwanesischen Hot Pot essen, wobei jeder seinen eigenen Kessel hatte – im Gegensatz zum chinesischen. Grace begleitete uns und auch Arendse war am Start (auch eine Leeds Studentin, die aber letztes Jahr in Marokko verbracht hatte, sodass ich sie nicht in England kennengelernt habe.) Nach dem Essen deckten wir uns mit Getränken ein, schwangen uns auf die Räder, die man an jeder Ecke mieten kann, und fuhren auf den Hügel vor der Stadt mit bestem Ausblick auf Taipei – und Taipei 101 natürlich 😀
Es war herrlich.
Die Tage vergingen wie im Fluge.
Samstag, den 3. Mai fuhren Alexia, Arendse und ich ans Meer und durften beaufsichtigt schwimmen. Ich war kaum mehr aus dem Wasser zu bekommen. Wir aßen taiwanesisches Essen und das berühmte shaved ice. Anschließend fuhren wir nach Ximen und schlürften einen Cocktail in einer gay bar.
Am letzten Tag fuhren Alexia und ich mit dem Fahrrad, ‚tschuldigung, ü bike, zum Wolkenkratzer Taipei 101, aber da an diesem Tag ein Marathon in dem Gebäude stattfand, konnten wir diesmal nicht die Aussicht genießen.
Wir liefen viel durch die Gegend, auch an der Sun Yat-sen Memorial Hall vorbei, und abends zeigte mir Alexia mit ihrem Freund Karson den Nachtmarkt Raohe.
Wir ließen den Abend bei Arendse zuhause mit frisch gebackenem Käsekuchen ausklingen und zur Erinnerung bekam ich noch ein Polaroid Bild von Grace mit.
In dieser Nacht schlief ich nicht viel, zumal ich am Montagmorgen um 6h über Hong Kong zurück nach Shanghai fliegen musste.
Neben bereichernden Erfahrungen und wertvollen Erinnerungen nahm ich leider auch noch meine erste Bindehautentzündung mit zurück nach Shanghai … Aber immerhin kam ich rechtzeitig zum Unterricht am Montag in der Uni an, geradewegs vom Flughafen zum Campus.
Besonders aufgefallen als besonders anders in Taiwan sind mir folgende Punkte:
– Es ist möglich, zusammen miteinander anstatt koexistent nebeneinander her zu leben. In Taiwan hatte ich das Gefühl, dass westlich aussehende Menschen und solche mit asiatischen Gesichtszügen sehr wohl eine Gesellschaft, eine Gemeinschaft bilden.
– Taipei wirkt auf mich internationaler als Shanghai.
– Das Lebensgefühl könnte amerikanischer Natur sein; ich habe jetzt nicht den Vergleich, aber dank der ganzen diners und wenn englisch gesprochen wurde, dann amerikanisch, habe ich mich teilweise in die Vereinigten Staaten versetzt gefühlt.
– Über der Insel ruht ein Frieden, der schwer zu beschreiben ist. Menschen lachen unkontrolliert, verhalten sich ungezwungen, haben keine Angst.
– Überall war es grün. Die Luftfeuchtigkeit war zwar sehr hoch und ich hätte nach den eh schon häufig beanstandeten Duschen sofort wieder eine gebrauchen können, aber durch die Bepflanzung in der ganzen Stadt war die Luftqualität äußerst gut. Es gab mächtige Bäume; einen Anblick, den ich lange schon nicht mehr genossen hatte.
– Die U-Bahn, oder MRT, wie sie in Taipei genannt wird, ist extrem sauber. Die Toiletten in der Station sind makellos und mit breast feeding rooms ausgestattet. Essen und Trinken ist verboten, nicht mal Kaugummi kauen ist erlaubt hinter der Linie bei den Schranken zum Bahnsteig.
– Auch das Essen ist peinlich sauber, alles war genauestens angepackt und ordnungsgemäß gelagert. Saftläden sind der letzte Schrei.
– Die Müllabfuhr kommt jeden Tag zu einer festen Uhrzeit zu bestimmten Orten und Für Elise, und alle Bewohner stehen mit ihren Mülltüten bereit.
– Die Menschen kleiden sich sehr ausgefallen, verrückt, individuell, modisch. Hipsters, wie man sie auf neudeutsch nennt.
– Taiwanesen lieben Desserts, und vor allem Eis.
– Mir fielen einige Leute auf, die auf etwas Rotem rumkauten. Auf Nachfrage erfuhr ich, dass das bethel nuts sind, die den Mund taub machen. Aha. Vor allem aber verfärben sie die Mundwinkel des Kauers.