oder: Der duftende Hafen.
Ganz allein auf der Reise nach Hong Kong.
Bevor ich wieder nach Deutschland fahren würde, konnte ich nicht ignorieren, dass da eine verlockende Megastadt in greifbarer Nähe zu Nansha lag – und doch unerreichbar für mich.
Denn obwohl Hong Kong ja seit 1997 de facto wieder zu China gehört, ist es de iuste immer noch ein bisschen besonders. Dazu zählt auch, dass ich mein hervorragendes 180-Tage-Visum am Hafen von Nansha aufgeben musste. Zack, zwei Stempel, das Visum wurde durchgestrichen, und schon war ich auf der Fähre, und damit eigentlich nicht mehr in China.
Jo! Ich habe den Wasserweg gewählt, weil Nansha, der Stadtteil Guangzhous, in dem ich lebe, ja schließlich einen Hafen hat. Das musste natürlich ausgenutzt werden. Allerdings waren die Erwartungen mal wieder viel größer als das eigentliche Ereignis. Es war halt ne Fahrt mit der Fähre. Aber wir saßen die ganze Zeit im geschlossenen Raum. Also nichts Besonderes.
Doch wie auch immer man nach Hong Kong kommt – es haut einen völlig um. Diese Stadt ist…. atemberaubend.
Extrem, gigantisch, cool, modern, alt – und überraschend grün!
Hong Kong besteht hauptsächlich aus drei Teilen; in der Reihenfolge der damaligen britischen Annektierung wären das Hong Kong Island, Kowloon (Festland) und die New Territories (noch weiter nördlich). Über die New Territories kommt man mit der U-Bahn jetzt sogar bis zur Grenzstadt Shenzhen!
Außerdem zählt man noch 243 Inseln zu Hong Kong.
Mein Hostel war auf Hong Kong Island, relativ in der Mitte an der Küste. Die Fähre kam aber in Kowloon an. Dort brauchte ich erst einmal anderes Geld! Hong Kong Dollar. Die Scheine sind sehr farbenfroh =) Und eine octopus-Card – das ist die Metrokarte. Dann fuhr ich mit der Metro unter dem Meer hindurch, nach Hong Kong Island.
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Auf Hong Kong Island gibt es die dicht besiedelte Küstenlinie mit den Geschäftsvierteln Central, Admiralty, Wan Chai und Causeway Bay. In Wan Chai und in Central legen im 5 Minuten-Takt die Star Ferries ab, die nach Kowloon übersetzen.
Es war ziemlich teuer in Hong Kong, bis auf die Star Ferries und die süßen Doppeldecker-Trambahnen, die auf der Insel ihre Bahnen zogen. Bei letzteren musste man hinten einsteigen, und den Fahrpreis erst zahlen, wenn man vorne ausstieg.
Alle die mich kennen, wissen, dass ich ein echter Morgenmuffel bin. Früh aufstehen gelingt mir zähneknirschend nur mit vier Weckern. – Nicht so in Hong Kong.
Diese Stadt hatte so viel zu bieten, dass ich jeden Tag spätestens um 7h aufstand, um so viel wie möglich zu sehen! Dafür war ich vor den (anderen) Touristen an traumhaften Orten, zum Beispiel „on the Peak“, der Berg mitten auf Hong Kong Island, den ich morgens im Frühtau umrundete. Dorthin gelang ich mit der Peak Tram, ein beinahe antikes Gefährt, das es auch schon seit 1904 gibt, eine Drahtseilkonstruktion, deren Waggons (mit den Fahrgästen darin) meist in 45° Schieflage den Berg hinaufgezogen werden.
Außerdem lernte ich, Stadtpläne zu falten, mit dem Reiseführer einen Tag zu planen (naja, seien wir ehrlich: die nächsten Stationen bis zum nächsten Stop.), irgendwann auch so etwas Ähnliches wie Orientierung, jedenfalls, was die Busrichtung anging.
Ich sah im Südwesten der Hong Kong Island das Fischerörtchen Aberdeen mit den Hausbooten, den südlichsten Zipfel der Insel mit dem amerikanischen Vorzeigeort Stanley und seinen asiatischen Nannys, im Südosten das Surferparadies Big Wave Bay und Shek’O (Shi’Ao = 石奥), ein Rollband, das die wirklich steilen Straßenzüge Hong Kongs über mehrere Kilometer hinaufführte. Die einzelnen Abschnitte machten es einem einfach, beliebig wo auszusteigen, und durch das Viertel SoHo (South of Hollywood) zu flanieren – oh, mit so vielen köstlich aussehenden europäischen Küchen! Ich entdeckte jede Menge Bäckereien, zwar nur mit Weißbrot, aber dennoch!
Das Sun Yat-sen Museum war von Interesse und mittwochs kostenlos zu besichtigen, viele Märkte – und natürlich, am Montag (6. Januar) der gebührende Abschluss des Frühlingsfestes und aller Neujahrsfeiern: Das Laternenfest.
Dieses beging ich gepflegt am Ufer von Kowloon, die imposante Skyline von Hong Kong Island im Blick. An der Avenue of Stars, einer Art Walk of Fame, der Promenade, waren zwei Bühnen und jede Menge Aktionen aufgebaut: Wahrsagen, rote Fensterbilder, Kalligraphie, und Aufführungen über Tanz, Gesang, Akrobatik und Lyrik hin aus verschiedenen Teilen Chinas. Zum Beispiel das Lied „Qingdao zaoyun lai“, wenn ich das richtig verstanden habe, oder eine irre Gruppe bestehend aus zwei Männern und einer Frau, aus Humai?, die ihre Stimme so klingen lassen konnten wie ein Didgeridoo. Ich glaube, sie kamen aus der inneren Mongolei, einer Provinz im Norden Chinas. Sie versuchten uns zu erklären, wie man diese Geräusche hinbekommt, und haben manche Stücke gespielt, die beinahe nach Metalmusik klang.
Das Angenehme war, dass diese Menschen Mandarin gesprochen haben. Das heißt, ich habe Fetzen verstanden. Beim Kantonesischen (die offizielle Programmsprache, und in der ganzen Stadt) hatte ich keine Chance. Ich fühlte mich wie eine Ausländerin 😀
Die älteren Einwohner Hong Kongs konnten meist sehr gut Englisch, sodass ich eine Weile brauchte, um mich daran zu gewöhnen, nicht auf Mandarin meine Pomelo einzukaufen, sondern auf Englisch – des Kantonesischen bin ich ja nicht mächtig.
So hatte ich manch interessante Begegnung mit ergiebigeren Konversationen als sonst mit meinem bruchstückhaften Mandarin.
Sogar die Ordnungskräfte sprachen lieber Englisch als Mandarin.
Nicht nur das Verstehen war anders, auch das Lesen fiel mir viel schwerer; in Hong Kong schreibt man Chinesisch in Langzeichen, so, wie man es vor der Reform geschrieben hat. Bei dieser Reform wurden viele Zeichen vereinfacht, so, wie man sie heute lernt.
Doch deswegen kenne und erkannte ich viele der Langzeichen natürlich nicht!
Ich brauchte auch eine Zeit lang, um den Linksverkehr in Hong Kong genügend zu verinnerlichen, erst nach rechts zu gucken, nicht nach links.
Die Zusammenlegung von britischen und chinesischen Elementen war einfach entzückend, ich hab mich teils gefühlt wie in London, einer Stadt, die ich ja nun auch sehr mag. Die Doppeldeckerbusse haben da schon ihren Teil zu beigetragen, aber sogar die Straßenschilder, ja, die Straßenbeschaffung und die Schuluniformen, die Shops und der Stadtgeruch war manchmal verblüffend ähnlich.
Das Wetter war sumpfig warm, aber mit einem unverkennbaren Seewind.
Natürlich hatte Hong Kong eine große Anzahl von internationalen Schulen (gesehen: Delia, School of Canada; International British School; American School; Lycée Français); aber überraschend fand ich die Frequenz von Glaubenshäusern; alleine von lutheranischen Kindergärtern gab es jede Menge, aber auch Zion, Königreichssaal der Zeugen Jehovas, und überall Kreuze an den Fassaden…
Apropos: Wie alles in die Straßen hineinragt! Werbetafeln, die sich von der gegenüberliegenden Straßenseite beinahe berühren können, sodass ich mich nicht mehr wundere, wieso die Busse nicht breiter sind, sondern in die Höhe gehen!
Und so wahnsinnig viele Ausländer! Den Anblick war ich echt nicht mehr gewöhnt.
Tauben! Hallo? Und Schwarzmilane, zogen ihre Kreise über der Stadt.
Man sah einige Wohlstandsbäuchlein, aber nicht nur das unterschied die Hong Konger Menschen augenscheinlich von den Chinesen (für mein Verständnis): Ich roch plötzlich, zum ersten Mal seit langer Zeit, wieder Parfum; und es waren viele kleine Gesten, die man gar nicht genau beschreiben kann; wie der Mann sich über sein Haar gestrichen hat, wie aufgeschlossen und selbstbewusst die Menschen lachen, oder auch nur grinsen…
Eine andere Art zu gehen; mit ein bisschen zu großen Schritten, egal ob Männlein oder Weiblein, aber mit schlaksigem und schreitendem Ausdruck…
Viele Menschen waren groß! Und sehr individuell und eigen gekleidet, aber meistens gut! Manche trugen einen Bart (höchst ungewöhnlich in China) oder Männer lange Haare (auch ungewöhnlich). Einige Subkulturen ließen sich an der Kleidung ausmachen…
Sogar an Bushaltestellen werden Schlangen gebildet. Das erwischte mich kalt. Ich wollte eigentlich nur den Fahrplan studieren, das tat ich für eine recht lange Zeit, und dann dreh ich mich wieder um – plötzlich standen 10 Leute ordentlich hinter mir in einer Reihe!
Hong Kong war definitiv eins der Highlights meiner Reise.
Und es ist schon cool, mit der Metro zurück nach China, sprich, nach Shenzhen zu fahren…