Tripping ii

… Ich traf Will also am Bahnhof und wir begannen unsere Bahnfahrt am frühen Nachmittag. Irgendwie hatten wir erwartet, dass wir daher so in den Abendstunden in Guangzhou einrollen würden, in meiner zweiten chinesischen Heimat… Aber es stellte sich heraus, dass wir um 7h morgens am nächsten Tag immer noch nicht da waren 😀
Es war aber eine trotzdem sehr angenehme Reise; wir unterhielten uns, schauten hinaus, die Leute starrten zurück, und selbstverständlich waren wir höchst dankbar für den inzwischen fremd gewordenen Schlaf.

Betten gefunden...

Betten gefunden…

... und sogleich eingeschlafen.

… und sogleich eingeschlafen.

 

 

 

 

 

 

1) Guangzhou, Canton, 广州 29.-30. Juni

Leticia, die Spanischlehrerin von meinem Freiwilligendienst, sagte uns leider kurzfristig unsere Unterkunft ab, aber ich wusste Rat. Und so checkten wir kurzerhand um 9h in mein geliebtes, immer noch gleich gebliebenes Shamian Island Youth Hostel ein, alleine in einem Dormitory. Es sollte das beste, sauberste Hostel unserer Reise bleiben. Danach ging es stetig abwärts. – Es waren subtropische 35°C, aber auch das sollte im Verlaufe nur noch schlimmer werden 😀 Trotzdem erfreuten wir uns einer Dusche und Zähneputzen nach der langen Reise und ich zeigte Will erst einmal die Insel. Er war natürlich hin und weg wegen der Architektur, die so gar nicht chinesisch war. Und er war auch begeistert von den Models 😉 Außerdem begannen wir eine neue Tradition; seine Mutter liebt Starbucks und so beschlossen wir, an all den exotischen Orten einmal in einen Starbucks zu gehen.

Die Musikantenflüsterin

Die Musikantenflüsterin

Der Schoßsitzer

Der Schoßsitzer

Der Starbucks

Der Starbucks

 

 

 

 

 

 

Dann führte ich Will durch den Yuexiu-Park, wir fuhren Bötchen, ich zeigte ihm die Ziegenstatue, das eine Wahrzeichen Guangzhous, das Sun Yat-sen Memorial; und anschließend von einem traditionellen Viertel über den „Times Square“ Guangzhous zurück zu unserem Hostel. Es war mal wieder Zeit für eine Dusche. Es folgte eine Einladung in den Vorort Nansha zu meiner alten Schule, an der ich meinen Freiwilligendienst abgeleistet hatte. Wir waren Gäste zur Verabschiedung zweier Kollegen und durften köstliches Essen genießen. Es war ein Traum, alle wiederzusehen 🙂 Nach so kurzer Zeit, ich war ja im Januar erst da gewesen, aber trotzdem. Allen voran natürlich Gu Yihan, „meine“ Deutschlehrerin. Wir mussten allerdings peinlichst genau auf die Zeit achten, da die Metro ja um halb 10 schon ihre Tore schließt, und wir noch einen langen Weg zurück in die Stadt hatten. Auf halber Strecke zu stranden, die Erfahrung hatte ich ja schon mal gemacht, und das musste nun nicht unbedingt wiederholt werden. – Wir haben es aber geschafft, und da es noch recht früh war, spazierten wir am Perlfluss entlang, und ich fand tatsächlich die kleine, süße Bar von vor mittlerweile drei Jahren wieder… und belohnten uns mit einem unschuldigen Cocktail. Es war ein wundervoller Start in unseren Urlaub. Aber dann hab ich es irgendwie geschafft, mich zu verlaufen. Naja. Typisch Clara.

Montag checkten wir schon wieder aus, aus unserer kleinen Oase, aber wir verbrachten den Tag dennoch noch in Guangzhou, der Stadt der Ziegen. Zunächst erkundeten wir Lychee Bay, diesmal von der anderen Seite aus; wir begannen im Park nahe der Metrostation 中山八 und siehe da, der Lotus stand gerade in voller Blüte. Das hatte ich noch nie miterlebt. Ich hatte auch noch nie so viel Wasser getrunken, aber glaubt mir, das hatten wir nötig. ES WAR SO HEIß. In der schattigen Mittagshitze spielten wir mit den Einheimischen 花毽 oder auch bekannt als 毽子(Jianzi), Shuttlecock oder Federfußball, und Federbadminton. Im Gespräch erfuhren wir, dass man uns für ein Ehepaar hielt. –   Als nächste Station hatte ich mir Zhujiang New Town überlegt, das Finanzzentrum Guangzhous, das eigens für die Asian Games aus dem Boden gestampft wurde und vor allem bei Nacht wundervoll glitzert. Von weitem sahen wir schon den Canton Tower, den ehemals größten Fernsehturm der Welt und außerdem wahres Wahrzeichen der Ziegenstadt. Das war unser Ziel. Im 111. Stock auf 490m Höhe waren wir den Wolken ganz nah – und der Sonne, was sich mit einem ersten Sonnenbrändchen bemerkbar machte. Ihr könnt euch Wills Wonne nicht vorstellen, er ist „ein bisschen“ architekturbegeistert, und sollte den ganzen weiteren Urlaub von dem Canton Tower schwärmen. – Einen Ort hatte ich aber noch, den ich nicht missen wollte auf meiner Reise in die Vergangenheit. Es gibt da dieses hervorragende arabische Restaurant in 小北 Exit B, Restaurant Sallah. Es männerdominierend zu nennen wäre eine Untertreibung, ich war die einzige Frau. Aber ich wusste, worauf ich mich einzustellen hatte 😀 Uh, das Essen war der Wahnsinn. Wie erwartet. Dafür hat sich die Fremdartigkeit mal wieder vollends gelohnt. Dann eilten wir unser Gepäck abzuholen und erneut die letzte Metro zu erwischen. In Jiaomen, Nansha, dem Vorort wurden wir herzlichst von Gu Yihan in Empfang genommen und aufgenommen. Wir hatten sogar den Luxus eines jeweils eigenen Zimmers 🙂

2) Nansha 南沙, Guangzhou 1.-3. Juli

Wir schliefen aus und gewöhnten uns an ein Ticken mehr Hitze und Luftfeuchtigkeit. Zum Mittagessen trafen wir uns mit den Lehrerinnen in meinem geliebten Dörfchen mit meinen noch heißer geliebten Nudeln. Das war vielleicht ein Bild: Die gehobenere Schicht mit ihren Regenschirmen zum Schutz gegen die Sonne kam von ihrer Seite der Straße zur anderen Seite der Straße. Pünktlich als das köstlichste Essen Chinas serviert wurde, gab es  einen Platzregen, der uns unter dem Wellblech aber nicht weiter störte. Danach zeigte uns Yihan den Campus und siehe da, es hatten sich schon wieder einige Dinge erneuert und verändert. Allerdings musste meine Freundin und Lehrerin dann wieder arbeiten, deswegen zeigte ich Will die riesige Brücke, die immer noch nicht ganz fertig gebaut ist. Wir liefen so lange wir konnten und es war uns sogar möglich bis zur Humen Bridge sehen, die nach Shenzhen führt. Leider schickten uns die Bauarbeiter dann wieder zurück, aber wir trösteten uns mit Fangenspielen. Außerdem war Will sowieso völlig aus dem Häuschen, denn er liebt Brücken über alles. Leider war uns dann ziemlich warm, denn es war sowieso schon heiß. Da kam uns die Klimaanlage im Büro der Schule ganz gelegen. Außerdem schmiedeten wir den Plan, an dem Abend ins Schwimmbad zu fahren. Nachdem wir unser Badezeug geholt hatten, fuhr ich zum ersten Mal mit einem E-Bike. An diesem Abend brachte ich der lieben Xiaoyang bei, mit der ich schon bei meinem Freiwilligendienst viel Spaß hatte, wie man schwimmt. Auf Chinesisch wohlgemerkt. Zurück bei Yihan zuhause beschlossen wir den Tag mit einer Teezeremonie.

Mittwoch schlief Will bis zur Mittagszeit, wir gingen 饺子 (Jiaozi) essen – Teigtaschen – und dann hatte uns Yihan einen Fahrer organisiert, der uns für wenig Geld zu dem Tianhou Tempel fuhr, dem Tempel der Meeresgottheit, zu dem ich immer fahre, wenn ich in der Nähe bin. Wir verlebten wieder einen sehr unbeschwerten Nachmittag, mit Wippen, bei dem mein Eis auf meinem Arm landete, und einem Parkbesuch, wo ich uns beiden mal wieder um den teuren Eintritt brachte 😉 indem ich mein Wissen um die geheime Treppe in den Park anwandte! Wir mussten zwar über ein rostiges Tor klettern und hoffen, dass wir zwei Weißen nicht so auffielen – aber das tun wir so oder so. In dem riesigen Urwald, der zu dem offiziellen Tempelpark führte, warteten leider viele riesige Spinnen auf uns, die in den Bäumen auf uns warteten. Wir wären beinahe in die zahlreichen Spinnennetze gelaufen und hatten dann natürlich den Schock unseres Lebens. Folgerichtig konnten wir dann gar nicht eilig genug aus dem Gestrüpp herausfinden. Trotzdem wurden wir von der Aussicht und der weitläufigen Tempelanlage durchaus entschädigt. Nach dem erfolgreichen Abstieg und dem ordnungsgemäßen Ausgang aus dem Park liefen wir bis zum Strand und ließen uns das Wasser um die Zehen spülen. Mit dem Bus fuhren wir dann zurück nach Jinzhou, wo wir die Lehrerinnen zum Dim Sum trafen. Zurück zuhause, nach Duschen und Sun Lotion sessions, ließen wir den Tag auf dem Balkon ein bisschen Revue passieren. Da Yihan Abendklasse hatte, begleiteten wir sie zur Schule und nutzten die Zeit (und das WLAN), um unsere Reise für den darauffolgenden Tag zu planen.

Donnerstag mussten wir leider Abschied nehmen von unserer lieben Gu Yihan, die sich wieder einmal so treusorgend um uns gekümmert hatte. Wir standen um 9.30 auf, um fertig zu packen und trafen meine Lieblingslehrerin ein letztes Mal im Dörfchen, wo wir noch einmal mein Leibgericht zu uns nahmen. Dann fuhren wir mit dem winzigen Bus über Yihans Wohnung, wo unser Gepäck auf uns wartete, zur U-Bahn-Station Jiaomen, wo wir umstiegen in einen Bus, der uns zur Fernbusstation brachte. Dieser Fernbus wiederum fuhr uns über Wills geliebte Humen Bridge in die Grenzstadt Shenzhen. Will war natürlich selig. Am Busbahnhof von Shenzhen ging es dann ganz leicht zur Emigration/Immigration und schwuppdiwupp waren wir in Hong Kong. Mit der Metro fuhren wir erst einmal in unser Hostel am Causeway Bay.

3) Hong Kong 香港 3.-8. Juli

Unser Hostel wurde im Treppenhaus von empörten Hausbewohnern erst einmal für illegal erklärt, war aber ganz nett. Unsere Betten waren in einem von drei Zimmern, die allesamt vollgestopft waren mit Schläfmöglichkeiten. Wir erkundeten jedoch erst einmal unsere unmittelbare Umgebung, nachdem wir Hong Kong Dollars abgehoben hatten und liefen über den Victoria Park, den ich von Januar wiedererkannte, zur Causeway Bay. Es war atemberaubend, wie sich die Dämmerung über die Hafenbucht legte und die Lichter langsam angingen. Deswegen gingen wir als nächstes zum Supermarkt und deckten uns mit dem Nötigen ein. Mit unseren schwedischen und schottischen Mitbewohnern ließen wir den Abend dann auf dem flachen Dach unseres Hostels mit atemberaubendem Ausblick ausklingen.

Causeway Bay

Causeway Bay

Die Bucht von Hong Kong

Die Bucht von Hong Kong

Blick von Hong Kong Island auf Kowloon

Blick von Hong Kong Island auf Kowloon

Freitagmorgen begannen wir in der Pacific Coffee Company um die Ecke und liefen dann zu Fuß nach Wan Chai, um mit der Star Ferry überzusetzen nach Kowloon. Die Avenue of Stars war schnell abgehakt, und in einem Starbucks – kleine Tradition für Wills Mutter – schrieben wir eine Postkarte an einen gemeinsamen Freund. Als nächstes liefen wir etwas weiter ins Landesinnere: Nathan Street, Cameron Street, Guangdong Street, Shanghai Street – bis wir wieder in in Tsim Sha Tsui ankamen. Das billigste Transportmittel Hong Kongs, die Star Ferry, brachte uns wieder auf Hong Kong Island und nachdem wir uns wieder frisch gemacht hatten, trafen wir uns um 19.45 zum Abendessen mit Sin-Man von Hatch and C, und Natalie, meiner hongkongnesischen Mitbewohnerin aus dem ersten Jahr in Leeds! Letztere hatte ein koreanisch/japanisches Restaurant in einem riesigem Hochhaus ausgesucht, bei dem wir die Schuhe ausziehen und auf dem Boden sitzen mussten. Zum Nachtisch gingen wir zu einem berühmten Hong Konger Dessertladen, das vor allem Mango und Durian-Frucht anbietet. Es war noch mehr los als sonst, zudem gab es wohl gerade in der Nachbarschaft einen Feuerwehreinsatz. Da es schon spät war, fuhr die Star Ferry nur noch Central auf Hong Kong Island an, sodass wir ein bisschen länger laufen mussten als sonst. Es war soooo nett mit den beiden 🙂
Tja und an dem Abend gingen wir auch noch aus. Leider wirkten Wills Tipps aber ein bisschen verlassen, sodass wir nur ein paar Cocktails tranken in Soho. Um 5h nahmen wir die erste Tram nach Hause.

Das hatte dann zur Folge, dass Will am Samstag ohne Witz bis 16h schlief. Deswegen brachen wir erst in den frühen Abendstunden nach Kowloon auf, um uns die Lightshow anzusehen. Wie am Vortag liefen wir dann ein bisschen durch die Straßen, aber diesmal waren die ganzen Nachtmärkte aufgebaut. Nach unserem sehr scharfen, sehr billigen Abendessen fuhren wir zurück zum Hostel und machten uns ausgehfertig und fuhren mit der Metro nach Central Hong Kong Island. Von da aus gingen wir ins Propaganda, hatten dort einen Heidenspaß, und von 5-6 Uhr morgens lief ich durch die morgendlichen Straßen nach Hause. Will vergnügte sich noch ein bisschen länger und war um 12.30 am nächsten Tag wieder da 😀

Sonntag, den 6. trafen wir uns zum Mittagessen mit einer Kommilitonin aus Leeds, die in Hong Kong wohnt, Florence, und mit Nina, der Schwester von meiner guten Freundin Stella, die gerade ein Praktikum in Hong Kong machte. Leider saß uns das obligatorische Logbook von Leeds noch im Nacken, sodass wir das schnell im WLAN der IFC Mall erledigen mussten. Aber dann war endlich die Besteigung des Peaks an der Tagesordnung, dem großen Hügel auf Hong Kong Island. Nina stellte sich mit uns ganze anderthalb Stunden für die Peak Tram an, in der schlimmsten Mittagshitze auf engstem Raum. Es war grenzwertig, ehrlich gesagt 😀 Auf dem Peak nahmen wir den fest ausgemachten Starbucks zu uns, machten Fotos und begannen den Abstieg, als die Moskitos überhandnahmen. Allerdings mussten wir dabei den flinken Kakerlaken ausweichen. Mit dem Mid-Level Elevator, der überlangen Rolltreppe kamen wir zuletzt unten in Central wieder an.

4) Macau 澳门, ehemalige portugiesische Kolonie gegenüber von HK, 7. Juli

Tja, an besagtem Montag, den 7. Juli entschlossen Will und ich uns spontan, mit dem TurboJet, einem Katamaran, nach Macau überzusetzen. Das war tatsächlich etwas noch nicht Dagewesenes, denn Macau hatte selbst ich noch nie besucht. Ich war während meines Freiwilligendienstes nur zur Grenzstadt Zhuhai vorgedrungen, aber das liegt wie gesagt auf der chinesischen Seite. In Macau angekommen irrten wir aber erst einmal eine Weile im Terminal herum, da wir nicht genau wussten, wie wir in die Stadt kamen. Ehrlich gesagt war es alles auch etwas merkwürdig. Straßenschilder waren auf portugiesisch und chinesisch, es gab Linksverkehr und vor allem riesige Casinos, die meist ihren Betrieb erst gegen Abend öffneten. Des öfteren waren ganze europäische Gebäude oder zumindest in ihren Charakteristiken nachgebaut. So liefen wir durch ein Amphitheater neben einem holländischen Fachwerkhaus und einem Casino ganz in Gold. In diesem aßen wir den teuersten McFlurry unseres Lebens – trotz Studentenrabatts – und kamen immerhin dem Eingang zum Casino sehr nah. Doch Ausweiskontrollen waren ein Muss, und da Will noch nicht 21 war, kam das nicht in Frage. …die Verlockungen des Unbekannten… So wagten wir uns wieder in die Hitze und schlenderten über den „Wharf“ am Ufer entlang und fanden so eines von Macaus Wahrzeichen: eine große goldene Statue im Meer einer buddhistischen Frau. In ihr befand sich ein Museum und eine Touristeninformation – und eine Klimaanlage: also retteten wir uns dorthin. Es gab aber ehrlich gesagt sehr interessante Wandmalereien und vor der Statue einen Ort, wo man ein Echo vernahm, wenn man an einer bestimmten Stelle stand. Von dort schlugen wir dann den Weg ins Landesinnere ein, auf der Suche nach den Ruinen von St. Paul – einer abgebrannten Kirche, die aber weltbekannt ist. Im Schatten neben der Kirche verzehrten wir eine Macauer Spezialität, Egg Tartes, und sahen anscheinend so einheimisch aus, dass wir von anderen Touristen angesprochen wurden. Auf dem Rückweg zum Terminal aßen wir noch zu Abend und waren plötzlich wieder sprachlos. Mandarin war irgendwie nicht die richtige Sprache, Englisch sowieso nicht, Kantonesisch beherrschten wir beide nicht, und Portugiesisch erst recht nicht. Irgendwie klappte es aber doch, und wir durften sogar mit unseren Hong Kong Dollars bezahlen – aber bekamen Macau-Patacas zurück! Um 20.30h fuhren wir mit dem Katamaran zurück und fühlten uns, als wären wir kurz in Europa gewesen. Mit der Tram fuhren wir zum Hostel an der Causeway Bay zurück, duschten, packten und schliefen von 2-6h morgens.

5) Sanya, Hainan 三亚,海南 8.-12. Juli. Wurde dann aber der 13.

Der Airport Bus 11 holte uns beinahe vom Hostel ab und brachte uns über zahlreiche Brücken zum Flughafen, was einen verschlafenen Will zu einem sehr beglückten Will machte. Am Terminal lief alles wie geschmiert und so verließen wir pünktlich um 11.15 unser geliebtes Hong Kong und versprachen baldige Rückkehr. Um 12.45 landeten wir schon auf der Südseeinsel Hainan im Südchinesischen Meer, wo ich im Februar schon mit meinen Eltern gewesen war. Am Flughafen Sanya, Hainan angekommen mussten wir sehr lange über die weiteren Transportmöglichkeiten diskutieren. Ich hatte extra herausgesucht, wie man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu unserem Hostel gelangen würde, aber am Flughafen wollte uns plötzlich jeder weismachen, dass das nicht ginge, und wir mit einem völlig überteuerten Fahrer mit seinem privaten Auto fahren müssten. Ja, nee. Aber alle Anlaufmöglichkeiten und eigentlich unabhängigen Instanzen (Busunternehmen, illegale Taxifahrer, und sogar das bewaffnete Sicherheitspersonal vom Flughafen) hatten sich gegen uns verschworen, bzw. steckten wahrscheinlich alle unter einer Decke. Alle waren sich einig, es gäbe keinen Bus zu unserem Hostel. Also blieb uns letztendlich nichts anderes übrig, als das großzügige Angebot des „Taxifahrers“, der uns die ganze Zeit bedrängte, anzunehmen, mit 70 Yuan bei ihm mitzufahren. Allerdings fuhr er uns bis in das entlegene Dörfchen Tianyazhen 天涯镇, das unser Zuhause bis Samstag sein sollte. Uns bot sich ein interessanter Anblick: Ungefähr die gesamte Dorfgemeinschaft war auf den Beinen und bereitete gemeinsam das Essen vor. Sie manschten Fisch oder Fleisch in riesigen Bottichen und kneteten Teig, mischten Soßen und machten natürlich große Augen, als unser Auto durch die Menge fahren wollte. Wir mussten bald kapitulieren und beschlossen, zu laufen. Es war aber nun wahrlich kein touristischer Ort, und der Boden, wenn überhaupt befestigt, war von der Essenszubereitung eher schleimiger Konsistenz und sehr schlüpfrig. Die meisten machten ihr Geld durch Fischerfang, oder indem sie den wenigen Touristen, die sich hierhin verirrten, ihr Boot für eine Tour aufschwatzten. … Auf der Suche nach dem Hostel habe ich mich jedenfalls fehl am Platz gefühlt wie selten zuvor. Das Hostel existierte jedoch wider Erwarten und nahm uns auch auf. Wir kamen in einem Zimmer unter, das nicht mal echte Wände hatte, aber direkt aufs Meer hinaus blickte. Und die Dachterrasse entschädigte uns auch für die sonst eher mageren hygienischen Standards vor allem im Waschraum, das die einzige Toilette des vierstöckigen Hostels beinhaltete, eine nicht weiter abgetrennte Dusche und Waschbecken. Unser Zimmer hatte neben dem äußerst wackligen Hochbett nur noch ein Bestandteil als Mobiliar: ein Kakerlakenspray. Das ließ die Herzen doch höher schlagen. Wir nahmen es mit Humor und freuten uns, dass unsere Wohnstandards wenigstens zu Beginn der Reise so hoch waren. Und, wie gesagt, die Dachterrasse:

Unser Refugium.

Unser Refugium.

An diesem uns auserkorenen Platz schliefen wir auch gleich ein, Will in seinem schwarzen Kokon und ich in meinem weißen. Leider quittierte sich das gleich am nächsten Tag mit einem ordentlichen Sonnenbrand. Das war es uns aber wert.
Eine letzte böse Überraschung erwartete uns dann noch, als wir versuchten, uns im Meer abzukühlen. Ich war ja das schöne Resort-Wasser gewohnt, und das hatte ich praktisch auch Will angepriesen. Das war hier nur leider nicht der Fall. Das Meer war voller Plastik und Abfälle und toter Fische. Aber ich musste meine Phobie überwinden und lernen, mich nicht davon stören zu lassen… trotzdem war es schwer, das kann ich euch sagen.
Abends wurden am Strand längliche Grills aufgebaut, auf denen frisch gefangene Fische und Gemüse mit Saucen mariniert und über Kohle gegrillt. Köstlich. Wir saßen auf Plastikstühlen im Sand zwischen den ganzen weiß-blauen Fischerbooten und brauchten nicht viel zum Glücklichsein. Einziger Wermutstropfen war, dass mit einbrechender Dunkelheit auch die Ratten zwischen den Booten hin- und herflitzten und auch zwischen unseren Füßen nach Essbarem suchten!
Nach dem BBQ entschlossen wir uns, am Strand entlang zu laufen und zu sehen, ob es noch mehr gab in unserem verlassenen Ort. Und wird wurden fündig! An der nächsten Bucht, nach Überqueren eines Flussarmes, der ins Meer mündete, lockte uns eine Bar mit kantonesischer Popmusik und großer Leuchtreklame. Es gab noch mehr BBQ zur Auswahl und…. FRISCHE KOKOSNÜSSE, die wir aufgeschlagen bekamen und austrinken durften. Das wurde zu einer sehr schönen allabendlichen Tradition, und viel mehr nahmen wir ehrlich gesagt auch nicht zu uns, außer Massen an Wasser, Beach Barbecue und eine Kokosnuss am Abend. Manchmal auch zwei, wenn wir ganz verrückt waren.

Die erste Nacht in dem Dorf war beinahe unerträglich heiß. Wir hatten keinen Ventilator oder sonst eine Möglichkeit des Durchzugs und es kühlte über Nacht auch nicht wirklich ab. Also verfolgte ich lieber über den Liveticker das Deutschland-Brasilien-Spiel und wurde Zeuge eines 7:1 Sieges. Am nächsten Morgen liefen alle acht Tore des Fußballspiels rauf und runter im chinesischen Fernsehen des Hostels und wurden mit großem Gejohle immer wieder gefeiert. Schnell erfuhr man, dass ich Deutsche bin, und alle Chinesen applaudierten mir und meinten, das hätte ich doch gut gemacht. Tja.
Um 12h machten wir uns auf, um ein Restaurant zu suchen. Hinter einem Palmenwald mit lauter Bethelnuss-kauenden Frauen, die mir Schuhe liehen, weil der Sand meine Füße tatsächlich ziemlich verbrannte. Auch hier hielt die Dorfgemeinschaft wieder eng zusammen, die Damen führten uns zu einem Restaurant und verlangten dann praktisch direkt Vermittlungsgebühr von den Restaurantinhabern, die uns wiederum 100 Yuan für einen Fisch abzwackten. Den hatten wir uns zuvor, wie das so üblich war, aus dem Aquarium ausgesucht und wurde dann für uns zubereitet. Das hatte sich ja richtig gelohnt. Will und ich entschieden uns deshalb dafür, nicht weiter von den Einheimischen abgezockt zu werden, und von billigem Beach BBQ zu leben. Die Hitze vertrieb sowieso jeden Hunger. Auf dem Rückweg vom Restaurant stürzte ich mich wieder in die nicht ganz so klaren Fluten – es war einfach zu heiß. Den restlichen Tag verbrachten wir auf UNSERER Dachterrasse.

Donnerstag gab es um 9h morgens einen Stromausfall, was einherging mit einer Hitze – wir hatten an der Rezeption winzige Puppenventilatoren aufgetrieben, die wenigstens für einen relativen Luftaustausch sorgten am Fußende unserer jeweiligen Betten – jedenfalls bis 9h morgens. Dann war es zu heiß zum Schlafen und ich bin schwimmengegangen. Das WLAN war auch lahmgelegt. Ansonsten fing Will an, in mein Skizzenbuch zu malen, was eine viel bessere Idee war, als wenn ich mich versucht hätte. Abendessen gab es diesmal im Restaurant nebenan, denn wir hatten den Tag nur Mandelkekse gegessen. Es war aber ehrlich gesagt ein köstliches Mahl bestehend aus Kartoffelstreifen und Peperoni, Schweineschwarte und Peperoni und Tomate, Ei und Reis. Dann machten wir uns wieder auf zur Bar, wo man sich sehr über unsere Wiederkehr freute, so sehr, dass man sogar die Musik für uns änderte. Zu Heavy Metal.

Freitag, der 11. Juli war schon unser vorletzter Tag! Da konnte ich endlich bis 13h dösen, weil der Strom wieder da war und dementsprechend der Ventilator funktionierte. Wir schrieben die letzten Postkarten und dann hatte Will Hunger. Ganz stilgerecht kauften wir uns eine Fertignudelsuppe im Pappetopf und leihten uns dazu vom Hostel ein Teeservice aus. Auf dem Balkon genossen wir dann den Sonnenuntergang mit Oolong Tee und Suppe. Es folgte ein Spaziergang am Strand und Nachtschwimmen – bei dem mir leider ein lebendiger Fisch ins Auge sprang. Das war dann ein jähes Ende kann ich euch sagen. Zumal ich dann auch noch einen Krampf hatte. Aber wir hatten trotzdem Spaß. Nach einer Dusche machten wir uns zum letzten Ma auf in die Bar, tranken eine Kokosnuss und verspeisten eine köstliche gegrillte Makrele mit Limetten, und eine gegrillte Aubergine zu einem tropischen Remix von Ed Sheeran’s „I See Fire“. Wie im Paradies.


Auf dem Rückweg war der Flussarm etwas angeschwollen, sodass ich Will Huckepack tragen musste 😉 Welch schöner letzter Abend.

Samstag, den 12. wurden wir um 12h mittags aus dem Hostel geworfen, packen durften wir aber noch in aller Eile, und dann machten wir uns auf den abenteuerlichen Weg zum Flughafen. Doch davon möchte ich euch in einem eigenen Eintrag erzählen, denn es lief alles so ganz anders als geplant…!

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