Mein zweites Weihnachten in China war so ganz anders als das erste. Zwar ist Shanghai internationaler als Guangzhou, aber weihnachtliche Stimmung kam ohne Schnee trotzdem nicht ganz auf. Hinzu kommt wohl, dass alle meine englischen Kommilitonen ja nicht an Heiligabend, sondern erst am 25. feiern (würden).
Immerhin hatte uns die Uni ein paar kulante Feiertage gegeben.
Ich hab mir trotzdem ein angemessenes, langes Weihnachtsfest gemacht, mit einem dekadenten 7 Gänge-Menü in Lauras Restaurant La Pétanque, wo sie als Kellnerin arbeitete. Danach rollte ich mit Will in die St. Ignatius Kathedrale praktisch nebenan, die größte katholische Kirche Shanghais. Das war also fast wie zu Hause: riesiges Abendessen und dann feierlich in die Kirche. Während mein Magen versuchte zu verdauen, tat mein Kopf dasselbe mit dem Chinesisch, das uns, haha, vorgebetet wurde. Eigentlich hatten wir vorgehabt, in die englische Messe zu gehen, aber die uns bekannten Zeiten stimmten nicht ganz. Überhaupt, es war eher so ein stetiges Kommen und Gehen. Gerade als wir gehen wollten, überredete uns ein englischer älterer Herr, doch noch zu bleiben. Für ein Gloooooooria, In Excelsis Deo taten wir das auch. Ich sang auf deutsch, Will auf irisch.
Danach trafen wir uns mit Andrew, Kareem und seiner deutschen Freundin Anna für selbstgemachten Glühwein und Ginger Biscuits. Wir saßen beisammen und guckten Father Ted (typisch irisch), Wallice and Gromit und Mrs Brown’s Boys (typisch englisch).
Am 1. Weihnachtsfeiertag, dem „echten“ Weihnachten für die Engländer, waren wir bei Tori, Sammie und Ella eingeladen, den drei Kommilitoninnen aus Leeds. Es kamen auch noch ein paar andere Studenten. Dort aß ich meine ersten Mince Pies, die die Mädels selbst gebacken hatten!, und auch hier wurde Wallace and Gromit geschaut. Eine anerkannte britische Tradition, wie ich lernte. Allerdings war die Internetverbindung sehr schlecht und das Video wollte nicht wirklich laden. Es war umso netter miteinander zu schmausen und zu schnacken, und der Wein mit dem Käse schmeckte umso hervorragender. – Den Abend ließen wir dann gemeinsam im Perry’s ausklingen, einer internationalen Bar(kette), weil zu dem weihnachtlichen Anlass war es auch noch James‘ Geburtstag – wie Jesus, meinten alle. Ich war die einzige, die da energisch widersprechen musste. Wobei, wer weiß? Es war schließlich nachts, auch in unserem deutschen Glauben, dass das Christkind geboren ist, nicht wahr?