Nur ein Wochenende später fand ich mich wieder mit Laukje unterwegs im Zug, diesmal südwärts, dem beliebten Ausflugsziel der Shanghainesen: Hangzhou 杭州. Ja, da war ich früher schon mal, zum Zwischenseminar meines Freiwilligendienstes „kulturweit“ vor zwei Jahren. Hangzhou ist berühmt für seinen Westsee, deswegen ist der auch auf jedem 1 Yuan Schein abgebildet. Außerdem ist er die Anlaufstation für Hochzeitsbilder und sonstige wichtigen Fotografien.
An besagtem letzten Novemberwochenende stand ich Samstag um 6.30h auf, traf mich mit Laukje an der U-Bahnstation und unser Zug fuhr um 8.30h gen Hangzhou ab. Aufmerksame Leser werden sich erinnern, dass ich gerade erst eine Woche vorher dorthin gefahren war, auf der Durchreise zu Moganshan. Diesmal blieben wir aber in Hangzhou und gingen sogar auf der Suche nach unserem Hostel schon einmal einen Großteil des Westsees ab. Unnötigerweise, wie sich herausstellte. Mit dem Taxi fuhren wir die ganze Strecke wieder zurück und checkten erst einmal in unser wundervolles Hostel ein. Es war eingerichtet wie ein kleines Dorf mit mehreren Häusern.
Jedoch verweilten wir dort nicht lange, sondern zogen gleich wieder los an den Westsee, der eine Minute vom Hostel war. Das Wetter war traumhaft! Nach der Kälte des Winters in Shanghai, die einem durch Mark und Bein geht, und vor allem in der Wohnung schwer zu ertragen ist, war die Sonne eine absolute Wohltat. Bei unserem Spaziergang fanden wir ein Teehaus, das unglaubliche 60 Yuan für ein paar (sehr berühmte, lokale, zugegebenermaßen) Teeblätter haben wollte, aber wir bezahlten willig und erhielten so viel heißes Wasser wie wir wollten, und hatten dementsprechend viele viele Teeaufgüsse. Für mehrere Stunden saßen wir einfach nur da, versuchten Sonne zu tanken, Laukje schlief sogar ein, und ich habe die Ruhe und die Wärme genossen, die mir in der Stadt so gefehlt hatten. Abends hab ich mit freudigem Erschrecken festgestellt, dass ich sogar einen kleinen Sonnenbrand auf meinen Wangen bekommen hab!
Am späten Nachmittag liefen wir weiter, diesmal in Hangzhous sehr einkaufsfreudige Innenstadt. Malls an Malls und lebhafte Einkaufsstraßen überall. Wir sahen eine Frau mit einem Vogel auf dem Kopf, hielten ihn erst für ausgestopft, aber dann flog er plötzlich seine Kreise, während wir auf die Ampel warteten, und wieder zurück auf den Kopf der Frau, die Fahrrad fuhr. Es war höchst absonderlich. Doch nicht nur für uns. Auch anderen Menschen fielen die Augen aus dem Kopf.
Hinter den Shoppingzentren fing dann ganz abrupt die chinesische Seite Hangzhous an. Wir haben verschieden Snacks in einem Mondkuchengeschäft probiert und suchten weiter nach billigem Essen. Da wir aber nicht in der typischen Mittagessenszeit unterwegs waren, und auch zu früh für Abendessen, hatten die meisten Restaurants gerade zu. Also suchten wir weiter, und fanden eines der 拉面 (La-mian, siehe auch japanisch: Ra-men) „Restaurants“, die es in jeder Stadt gibt. „La“ heißt ziehen und „mian“ sind Nudeln. Die gibt es entweder als Nudeln mit was auch immer man will oder als Suppe mit den Zutaten deiner Wahl. Lamian-Geschäft werden oft von der muslimischen Minderheit Chinas geführt und damit einher geht eine bevorzugte Verwendung von Rindfleisch vor anderem Fleisch. Also bestellten wir genau das, Nudeln, mit Rind und Kartoffeln. Köstlich. Dazu wird immer eine einfache, stärkende Suppe gereicht mit Koriander und einem Hauch von Zimt oder Anis.
Als wir fertig waren mit unserem Mahl, war es dunkel geworden und wir fanden uns in einem Zustand allgemeinen Umziehens wieder, wie wir dachten. Es stellte sich aber heraus, dass die Menschen den allabendlichen Nachtmarkt aufbauten! Der Nachtmarkt ist eine halblegale Angelegenheit, wo alles Mögliche verkauft wird. Schuhe, Schmuck, iPhone-Hüllen, Ladekabel, Handschuhe, Mützen, Kleidung, … Ich fand auch gleich ein Weihnachtsgeschenk für Laura und war kurz davor, einen Pullover zu kaufen, aber natürlich gab es nicht wirklich meine Größe.
Wir bummelten also ein bisschen herum, und wärmten uns danach in einem Café auf mit einer Waffel und heißer Schokolade. Dann traten wir den Heimweg an und kamen genau zur rechten Zeit zu der Music Water Fountain im Westsee. Bei diesem Spektakel gibt es eine Fontänenshow mit Lichteffekten und musikalischer Untermalung im Westsee. Das fulminante Finale war Céline Dion. – Zurück im Hostel verbrachten wir noch ein wenig Zeit in der Hostel Bar und gingen dann schlafen.
Am nächsten Tag war über Nacht Dezember geworden. Wir standen schon um 7h auf und fuhren mit dem Bus auf den Spuren des Drachenbrunnentees zu den Teeplantagen. Der Bus fuhr für eine Stunde und hielt dann im Dorf mit dem Drachenbrunnen, der angeblich Krankheiten und Gebrechen heilt und vielleicht sogar ewiges Leben verspricht, wenn man der Inschrift glaubt (und sie lesen kann, natürlich). Doch wir wollten eigentlich zu den Plantagen, wo besagter Tee angebaut wird, und mit dem lebensverlängerndem Wasser benetzt wird, also fuhren wir weiter. Wir fanden tatsächlich eine der vielen Plantagen, fernab der Hauptverkehrsstraße und der touristischen, überfüllten Orte. Ein Mann führte uns dorthin und wollte auch gleich, dass wir in seinem Restaurant einkehren, aber wir bestanden darauf, erst einmal die Plantage zu besichtigen, was wir dann auch taten. Wohin das Auge reichte, überall Teepflanzen. Wir durften durch sie hindurchwandern und liefen sehr weit. Es war immer noch wundervoll warm und es ging uns richtig gut.
Danach waren wir dann aber tatsächlich hungrig und ließen uns darauf ein, zu speisen. Es war köstlich und billig. Für eine lange Weile rückten wir immer wieder in die Sonne und genossen sie wie zwei faule Katzen. Ich hab außerdem noch Freundschaft mit einem kleinen Hund geschlossen. Nach dem Essen bekamen wir noch Sonnenblumenkerne, die ein Lakritzaroma hatten…. Keine Ahnung, wie das möglich ist. Dann gingen wir zurück zur Hauptstraße und kamen an einem Pomelobaum vorbei… Der Bus fuhr uns auch wieder zurück nach Hangzhou und wir kamen pünktlich zum Sonnenuntergang am Westsee an. Das war tatsächlich ziemlich romantisch und bilderbuchreif. Bis zum letzten Sonnenstrahl waren wir dabei und folgten der Sonne auch noch auf die Dachterrasse der Hostel Bar.
Mit diesem einzigartigen Ausklang im Herzen fuhren wir zum Bahnhof und wieder zurück in den Winter nach Shanghai.