Parallelen zum ursprünglichen Thema.

Das Wetter.
It takes some time to get used to it.

Das kann man wohl sagen.
Wie „damals“ in China braucht es seine Zeit, bis man sich an die anderen Witterungsbedingungen gewöhnt hat. War es in China das subtropische Klima und die mir völlig unbekannte feuchte Hitze, so ist es hier in Leeds auch nass, aber eher kalt-nass, und vor allem ist es mir absolut unerklärlich, wie es so viel regnen kann.
Das erste was ich morgens mache, ist, aus dem Fenster zu gucken, und mit schlafverquollenen Augen abzuschätzen, was das Wetter heute wohl bringen wird.
Eine mittlerweile gewonnene Einsicht: Verlass dich nicht auf den ersten Eindruck.
Was für Menschen gilt, kann auch hier angewandt werden.
Scheint es noch freundlich und sonnig am Morgen, das perfekte Wetter für fröhliche Herbstmode, so sei dir sicher, diese Hoffnung ist hier trügerisch. Ehe du dich versiehst, findest du dich in einem Regenschauer ohnegleichen wieder, der vielleicht nicht so bald sein Ende findet. Und selbst wenn es so aussieht, als würden die Regenmassen mal wieder tagelang nicht abreißen, und es wieder egal ist, was für Schuhe oder Jacke man anzieht, weil man sowieso völlig durchnässt wird; es kann durchaus sein, dass der Himmel schon mittags so aufreißt, dass man sich fühlt wie im Hochsommer.
Das Wetter ändert sich hier so schnell… Es regnet und windet oft, es regnet oft lang. Aber in den Genuss eines Gewitters bin ich noch nicht gekommen.

Die Sprache.
Can you tell by the accent where the speaker comes from?

Also, ich noch nicht. Ich kann zwar schon unterscheiden, dass es verschiedene Dialekte gibt, und ich meine auch zu erkennen, ob die Person Engländer, Amerikaner oder anderer Nation ist… Aber so ein Meister im Dialektezuordnen bin ich noch nicht.
Das Verstehen bereitet mir grundsätzlich keine großen Schwierigkeiten; ich komme auch gut mit den Notizen mit während der Vorlesung. Und nein, entgegen einiger Vermutungen übersetze ich meine Gedanken nicht, bevor ich sie ausspreche.
Aber, ich befinde mich in einer Phase, wo ich manchmal etwas frustriert bin, dass ich mich nicht ganz so ausdrücken kann, wie ich das gerne würde. Ich liebe es, zuzuhören und dem reichen Wortschatz der anderen zu frönen; aber mich selber in dem gleichen Niveau zu artikulieren ist bisher noch ein bisschen unmöglich. Verständlicherweise. Teils aus Unvermögen, teils aus Zurückhaltung, um sich mit der Ausdrucksweise nicht zu blamieren. Es ist ähnlich wie während meines Aufenthalts in China, als ich eine schier unendliche Zeit lang dachte, meine Sprache würde überhaupt keine Fortschritte machen. Aber ich weiß, das ist nur vorübergehend, und mein Vokabular wird beständig erweitert.
Außerdem, wie damals, vermisse ich es manchmal, mich sorglos in meiner Sprache zu unterhalten, nicht unbedingt mit anspruchsvollem Wortschatz, aber einfach kommunizieren ohne mir groß Gedanken über Aussprache und Wirkung zu machen,… versteht ihr ein bisschen, was ich meine?

Das Essen.
I’m happy to have a Cantonese flatmate who cooks like a goddess.

Ansonsten ist das englische Essen… Nun ja den Vorurteilen entsprechend. Kann man so sagen. Aber ich koche selber auch gerne und muss mich dementsprechend nicht völlig dem Gastland anpassen! Oh, und ich werde tatsächlich sehr verwöhnt von der Küche meiner kantonesischen Mitbewohnerin aus 广东 (Guangdong = Canton), ach, ich fühle mich wieder zurück versetzt an die Stätte des göttlichen Essens…
Gerne wird unser Mahl auch gemeinsam zubereitet oder eingenommen. Dazu dient unsere kunterbunte Villa Kunterbunt aka zusammengewürfelte Küche. Hier ein kleiner Eindruck:

Jeder hat ein Gericht beigesteuert und wir haben geschmaust!
Auch mit Carla und Virginia (meine spanischen Mitbewohnerinnen) hab ich schon so manche lustige Mitternachtssnacks gehabt. Virginia ist aber leider schon wieder ausgezogen! Sie hat eine Wohnung ganz nah am Campus angeboten bekommen.

In China habe ich allerdings nicht so viele Flyer in die Hand gedrückt bekommen wie hier, oder ich finde sie jeden Tag im Hausflur vor, weiß der Kuckuck, wie die da hinkommen. Lieferservice hier, Party da, Sonderrabatte für Studenten… Jedenfalls alles unglaublich lebenswichtige Informationen, ohne die ich mein Studium niemals für gelungen erklären könnte. (Das war ein Witz.)

Die Wegstrecken.
Umwege erhöhen die Ortskenntnis. – Kurt Tucholsky

Parallelen zu China lassen sich insofern finden, dass ich viele Wege zu Fuß erledige, sei es auf dem Campus, um von Veranstaltung zu Veranstaltung zu flitzen oder um von der Uni zur Stadt zu gelangen – in der Fußgängerzone kommt man mit dem Bus eh nicht weit; aber auch die Länge von der Uni zu meiner Unterkunft kann sich sehen lassen…. 40 Minuten zu Fuß, weswegen ein Vergleich zur Anfahrtsdauer zur Guangzhou Fremdsprachenschule hier durchaus angebracht ist. Also, ich kann Virginia schon ein bisschen verstehen, dass sie jetzt lieber nahe bei der Uni wohnt.
Ansonsten teilt man sich auch hier gerne ein Taxi, wenn man zu mehreren unterwegs ist und es schon ein bisschen später ist.
Und es wird euch sicher alle freuen, dass ich mich hier langsam zurechtfinde und nicht mehr so oft verlaufe…. Also, eure CT kommt nicht ständig zu spät!

Deutsch sein.
Not one single Philosophy or Politics Lecture without mentioning Germany’s dark history.

Ich gebe zu: Es ist ein dankbares Beispiel. Und: Es ist wichtig, darüber zu reden. ABER, es gibt auch andere Möglichkeiten, um unmoralische Geschehnisse zu illustrieren und ich fühle mich einfach jedes Mal ein bisschen schuldig oder zumindest merkwürdig, Deutschland immer nur in diesem Kontext zitiert zu hören.
Aber das ist schon okay. Vielleicht gewöhne ich mich ja eines Tages daran.
Meine Freunde wissen jedenfalls schon um meine Sensibilität und bedenken mich jedes Mal mit einem breiten Grinsen, wenn der unvermeidliche Fingerzeig wieder ansteht.

Abgesehen davon, hat Deutschland aber eigentlich ein ganz positives Bild. Das erinnert mich auch wieder an China; sobald beim Kennenlernen herauskommt, dass ich aus Deutschland komme, fällt meinem Gegenüber immer mindestens ein witziger Satz ein, der in Erinnerung geblieben ist. Das ist ganz nett.
Außerdem finde ich es erstaunlich, wie vorher schon erwähnt, wie viele Student_innen Deutsch lernen wollen. Ich habe ja die Möglichkeit eines Language Exchange Partner Meetings und muss jede Woche wieder zwei neue Interessenten abweisen, weil ich einfach keine zusätzliche Zeit mehr finde. So eine große Resonanz hätte ich nicht erwartet!

Der eigenwillige Straßenverkehr.
Tell me, why is there only one main road?

Es ist wahr, es gibt nur eine einzige Straße, die meinen Stadtteil, in dem ich wohne, mit der Uni verbindet. Je nach Tageszeit – also meistens, wenn ich unterwegs bin – ist diese Straße verstopft. Ich habe es auch noch nicht ganz durchschaut: Eigentlich hat diese Straße 1 1/2 Spuren, damit die Busse auch schön rechts ranfahren können. Trotzdem, Rettungswagen etc. müssen auch irgendwie (versuchen!) schnell an ihr Ziel zu kommen, und bahnen sich ihren Weg immer durch die goldene Mitte der Straße. Klingt chaotisch, ist auch so. Ich frage mich halt einfach, wieso man nicht eine Ausweichstraße bedacht hat.

Und die tatsächliche Bedeutung von den Ampeln habe ich auch noch nicht ganz verstanden; ja, klar, danke, rot und grün gibt es hier schon auch und was ich dann zu tun habe, weiß ich auch; aber nach einer kurzen Grünphase blinkt das grüne Männchen immer noch ein Weilchen weiter, und bei den Autos blinkt das Orange (auf Englisch: „amber“ = bernsteinfarben). MEISTENS heißt das, dass die Fußgänger ihren Weg über die Straße noch beenden dürfen, aber manchmal fahren die Autos ab dem Blinken auch wieder los. Man muss – wie in China – einfach austesten, ob man noch das Recht zum Übergang hat, oder nicht. Mit dem Unterschied, dass die Autos und Busse im Zweifel zum Glück halten!!

 

Ich bin fasziniert von der interdisziplinären Überschneidung all meiner Fächer Philosophie / Ethik, Internationale Politik und Modernes China. So fasziniert, dass ich begonnen habe, mir eine Übersicht mit all den angeschnittenen Themen zu schreiben.
Was mich jetzt mal interessieren würde: Ist das Absicht, dass diese Themen zur gleichen Zeit in den verschiedenen Modulen behandelt werden, oder ist das einfach ein Zwinkern des Schicksals, um mir eine diebische Freude zu bereiten?

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2 Antworten zu Parallelen zum ursprünglichen Thema.

  1. Moma sagt:

    Meine liebe Clara,
    jetzt habe ich also endlich – dank Deiner lieben Mama – den Zugang zu Deinem Blog gefunden! WoW!!
    Deine Artikel machen mir sehr viel Freude. Danke. Auch Dein Humor scheint sich dem englischen Flair anzupassen! (z.B.:CT nicht ständig zu spät!) Den Tucholsky-Spruch werde ich in mein Repertoire aufnehmen! Danke auch.
    AllesLiebe von Deiner Moma

  2. Mama sagt:

    Mein Liebling, thanks god for your flat-goddess und dein Lob der Module
    ist ein Lob an alle Reformschulem, allen voran den
    Waldorfschulen, da nennt man es Epoche (Erbstück der Schulpädagogik des 19. Jahrhunderts in Anschluss an den Herbartianismus). Das Anna versuchte es ja
    auch und Frau Dr. Neuner hatte es von der Helene-Lange-Schule. Es ist wohl nun
    so wissenschaftlich ertabliert und anerkannt, dass es zu jeder
    ganzheitlichen Ausbildung dazu gehört. Weiter viel Freude. Hier schneits

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