Die Chefin in Guangzhou

Was für aufregende Nachrichten!

Dr. Angela Merkel kommt in MEINE Stadt!

Nachdem unsere Bundeskanzlerin am Donnerstag, den 2., zu Gesprächen über Nordkorea, den Euro und den deutsch-chinesischen Handel nach Beijing eingeladen wurde, in die chinesische Hauptstadt, stattete sie am Freitag, den 3., unserem schönen Guangzhou einen Besuch ab! Dort fand das Chinesisch-Deutsche Wirtschaftsforum statt, wie ihr vielleicht aus den Nachrichten mitbekommen habt. DAX-Führungskräfte redeten über die Zukunft der Provinz Guangdong (Kanton). Warum Kanton? Ist Shanghai nicht viel besser aufgestellt in Sachen deutsche Wirtschaft?
Naja, wusstet ihr zum Beispiel, dass auch einige namhafte deutsche Firmen (Herrenknecht, BASF, Bosch,…) in Guangzhou eine Fabrik haben? Also, ich nicht!
Träger der Veranstaltung war die Außenhandelskammer.

Bis dahin war das alles ja ganz interessant, und Franzi und ich freuten uns, dass unsere Stadt solch hohen Besuch bekommen würde. In gewisser Maßen war sie für uns Freiwillige des Auswärtigen Amts ja auch die Vorgesetzte. Jedoch wussten wir, es war unmöglich, sie persönlich zu erleben, weil das Wirtschaftsforum nur mit Einladung besucht werden durfte.

Aber dann kam der Hammer. Am Vorabend des großen Tages erreichte mich eine Email meiner lieben Mentorin, Ilona:
„Hallo Clara, könntest du mir einen riesigen Gefallen tun, und diese Rede hier korrigieren? Ich bräuchte sie heute noch zurück. Vielen vielen Dank!“
Ich willigte natürlich ein und machte mich an die 9 Seiten.
Schon bald fiel Franzi und mir auf, dass es thematisch ganz schön anspruchsvoll war. Und plötzlich kam der Satz: „…und deshalb freuen wir uns ganz besonders darüber, heute die deutsche Delegation und Dr. Angela Merkel bei uns zu begrüßen!“

Wie bitte?!
Auf Nachfrage bestätigte sich dann unsere Ahnung: Ilona war doch tatsächlich von ihrer Uniprofessorin gebeten worden, an diesem besonderen Abend zu dolmetschen.
Hallo?!
Franzi hatte ALLES versucht, sie hatte die Außenhandelskammer angeschrieben, über ihre Arbeit beim Deutschen Akademischen Austauschsdienst und das Deutsche Generalkonsulat Kanton, alle Kontakte genutzt, um dabei sein zu können – vergebens.
Und jetzt das??
Wir waren sprachlos.
Ilona war natürlich wahnsinnig nervös und aufgeregt – klar, wäre ich auch gewesen.
Zum Dank für die Verbesserung ihrer Fehlerlein konnte sie uns sagen, was geplant war mit unserer Bundeskanzlerin:

Freitag
Besuch der Herrenknecht AG Firma in NANSHA (mein Stadtviertel!)
Deutsch-Chinesisches Wirtschaftsforum im Sofitel Guangzhou
Bootsfahrt auf dem Perlfluss

Samstag
7h Besuch der Chen Clan Academy (ein kunstvoller Familientempel mit vielen edlen Holz- und Elfenbeinschnitzereien und etwas, wofür Guangzhou berühmt ist: Jade Curving)

Unsere letzte Information war, dass Merkel nur einen Tag lang bleiben würde! Zu dem Zeitpunkt dieses neugewonnenen Insiderwissens war es schon 10h abends.
Nichtsdestotrotz kurzschlussten Franzi und ich und fuhren mir nichts dir nichts zum Sofitel (auf Chinesisch: zou fei te). Wir kannten uns noch aus, waren wir doch im Oktober zum Tag der Deutschen Einheit von Konsulat genau dort eingeladen gewesen.
Wir kamen an, und sahen überall Schilder, die den Anlass der Versammlung angaben. „Chinesisch-deutsches Wirtschaftforum“. „Gesponsort von Audi“. „Registrierung hier“. „Nur mit Einladung“. Tja. Da standen wir nun.

Da! Plötzlich ging eine Tür zum Seiteneingang auf. Dort musste es reingehen! Schnell huschten wir hindurch und fanden uns wahnsinnig mutig. Giggelnd schlichen wir weiter, – aber es war alles merkwürdig verlassen. Mechaniker schraubten an Rolltreppen herum, Banner wurden eingerollt, Standtafeln abgebaut. Hmm. Wir ließen uns aber nicht beirren und gingen weiter zum Great Ballroom – da war auch unser Empfang gewesen.
Hach, welch ein Anblick. Alle Stühle standen noch da, ein Hauch Wichtigkeit hing noch in der Luft. Aber es wurde schnell klar: Die Veranstaltung musste schon eine Zeit lang vorbei sein.
Unverrichteter Dinge, aber trotzdem mit dem Gefühl, Großes vollbracht zu haben, fuhren wir wieder heim zu Franzi.
Da erfuhren wir dann erst von Ilona von der Perlflussfahrt im Anschluss des Forums, und dass sie Frau Merkel 5m entfernt neben sich hatte. Außerdem verriet sie uns eben, dass sie noch zur Chen Clan Academy wollte. „Aber ihr müsst früh aufstehen“, meinte sie. „Die wollen vielleicht um 7 oder 8h da sein.“

Franzi und ich sahen uns an – eigentlich hatten wir vor einer Stunde unabhängig voneinander gesagt, wie sehr wir uns schon darauf freuten, endlich einmal auszuschlafen.
Keine Frage – wann hat man schon mal die Chance, seine Bundeskanzlerin zu treffen?
Also standen wir tapfer am nächsten Morgen um 6h auf und fuhren mit einem der ersten Busse zur Chen Clan Academy.

Dort versuchten wir, unauffällig zu warten. Kein einfaches Unterfangen, bei zwei blonden Westlern, die eine Stunde lang so tun, als würden sie dieselbe Tafel wieder und wieder lesen… Dann versuchen, in dem Oma-Taiji-Kurs unterzutauchen, die mit Fächern und Schwertern und Musik ihre Morgengymnastik machten…

Wir bildeten uns ein, die Anzeichen, dass sie gleich kommen würde, verdichteten sich: zwei, drei Polizisten patroullierten…. vielleicht 10 Anzugträger eilten versetzt schon in das noch für den Normalsterblichen geschlossene Gebäude… Und überlegten uns schon einmal, was wir ihr eigentlich sagen wollten.

Um 8.30h wurde die Kasse dann eröffnet, und wir mussten uns schon einmal eine Alternative überlegen. Es war auch langsam nicht mehr zu übersehen, wie wir uns am Eingang herumdrückten.
Um 9h kauften wir uns dann ein Ticket, und sahen im Innenhof des Tempels gerade noch, wie zwei kleine Busse abfuhren.
Waren sie das gewesen? Kann es tatsächlich sein, dass wir sie aufmerksam verpasst haben? Wurden wir hereingelegt? Gab es noch einen anderen Geheimeingang?
Oder wurde die ganze Aktion dank zweier verdächtiger Mädchen abgeblasen, wegen akuter Terrorgefahr?

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2 Antworten zu Die Chefin in Guangzhou

  1. Moma sagt:

    Oh, meine Liebe, das war’s dann??? Aber trotzdem sehr mutige Aktion von Euch! Dass Du wirklich soooo dicht dran warst, hätte ich gar nicht gedacht. Tatsächlich war ich von der Nachricht im Fernsehen elektrisiert, weil ich Dich doch in dieser chinesischen Stadt wußte!… Na ja, noch eine besondere Episode in Deinem China-Leben! AllesLiebe von Moma

    • Clara No sagt:

      ja… ich weiß. Und das Traurige ist ja, sie wird NIEMALS erfahren, was wir alles versucht haben, um mit ihr zu sprechen!
      😉 Naja, hat ja trotzdem sehr viel Spaß gemacht, ne, Franzi?

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