C Die Zeit nach dem Frühlingsfest
Endlich wird die Frage aller Fragen beantwortet: Wer ist Jojo?
Die liebe Jojo hat auf mich gewartet, als ich aus Chongqing gelandet bin. Sie ist selber erst eine Stunde früher angekommen als ich. Jojo hatte ihr Frühlingsfest in Wenzhou bei einem Freund verbracht, wollte eigentlich mit dem Zug kommen, aber das wurde ihr von der etwas überprotektiven, aber sonst ganz netten Mutter verboten.
So, und woher kenne ich jetzt Jojo?
Jojo ist auch kulturweit-Freiwillige, das war ja irgendwie schon klar, und Jojo hat ihre Einsatzstelle in Hangzhou, da wo wir unser Zwischenseminar hatten. Und damals hatte sie mir in Aussicht gestellt, sie würde mich mal besuchen kommen. Tja – ehe man sie sich versieht, macht sie diese Drohung auch noch wahr!
Zusammen sind wir ins gute Nansha zurückgefahren, um zwei Tage exzessives Landleben zu haben. Aber SO extrem hatten wir es uns nicht vorgestellt! Es war… alles ausgestorben. Also, ich meine, noch ausgestorbener als sonst. Wegen dem Frühlingsfest sind viele Laden- und Restaurantbesitzer nach Hause gefahren, und die Straßen waren wie leergefegt. Sogar mein Restaurant im Dörfchen gegenüber der Schule war zu! Hallo?? Das war noch nie, NIE, zu! Nicht mal nachts um 2! Das war schon ein Schock.
Aber sogar im nächstgrößten Städtchen, Jinzhou, der Endstation meiner U-Bahn, haben wir nur ein Restaurant gefunden, das auf hatte. Ehrlich gesagt war das nicht so schlimm, da Jojo und ich so wohlgenährt von unserem Frühlingsfest wiederkamen, dass sich unsere Mägen mit Vergnügen erst einmal wieder verkleinern mussten.
Wir knabberten Nüsse und fanden einen Obstmann, der Restware verkaufte. Normalerweise hätte ich mir von DEM Angebot nichts ausgesucht, aber es war ja Not am Mann, Jojo brauchte ihre Pomelo. Sie hat aber so schlecht geschmeckt, dass wir sie leider wieder entsorgen mussten.
Doch Abhilfe wurde von Fliegenden Händlern an der U-Bahnendstation geschaffen; beinahe über Nacht waren sie aufgetaucht mit ihren Karren und Decken, und verkauften Pfannkuchen mit Salat und Würstchen, oder gebratene Nudeln, gedünstete Maiskolben und Süßkartoffeln. Auch Bananen und Gemüse wurde angeboten.
Ein Problem kommt selten allein: Nicht nur die Nahrungsaufnahme gestaltete sich schwierig, sondern es war auch noch außerordentlich kalt. Wir zwei froren, obwohl wir Tee tranken und unter drei Decken zusammengekuschelt waren. Dabei hatte sich Jojo so auf den warmen Süden gefreut! In unseren Wohnungen gibt es ja nur Klimaanlagen, und da das Ganze sehr schlecht isoliert und abgedichtet ist, plus meinen nicht unbedeutenden Schlitzen unter und neben der Tür, zog der Landwind da natürlich mit Freuden durch.
Am Tag danach holten wir Nuri mit improvisierter Kommunikation von der Fernbusstation ab, so wie damals, als man noch keine Handys hatte. Doch sogar zu dritt froren wir bitterlich.
Das war der Moment, wo ich mir endgültig vornahm, doch noch für die kurze verbleibende Zeit einen Heater zu kaufen, also eine Art tragbare Heizung.
Trotzdem hatten wir sehr viel Spaß zusammen, zum Beispiel, als unser Bus mal wieder tanken musste, während wir noch drin saßen, oder als Nuri am nächsten Morgen früher aufstand, und Jojo und ich daraufhin sofort wieder zusammenrückten wie die Sardinen, um die Lücke zu schließen und selig weiterzuschlummern.
Außerdem konnten Nuri und Jojo glücklicherweise schon mal bei mir in Jinzhou ihre Rückfahrt buchen. In Guangzhou war vergleichsweise nämlich die Hölle los! Trotzdem haben sie geguckt wie ein Auto, als klar wurde, dass es vor dem 4. Februar keine Zugtickets zurück nach Shanghai geben würde! Das muss man sich mal geben: Wir waren am 26. Januar da! Also buchten sie für den 29. Flugtickets.
Ich freute mich: So hatten wir noch einen Tag mehr zusammen als geplant!
Am Freitag wollten wir nach Guangzhou, ins wohlbekannte Hostel auf der Shamian-Insel einchecken, und uns dann mit Alex die Laternenshow im Yuexiu-Park ansehen. Die war echt der Hammer. Wir kamen gerade dann an, als es dunkel war, und das war ideal.
Im Yuexiu-Park war ich einmal schon zu Beginn meiner Zeit in Guangzhou, doch diesmal war alles festlichst dekoriert. Der Eingang war schon eine überdimensionale Laterne in der Glücksfarbe Rot. Dahinter hatte man in mühsamer Einzelarbeit Porzellanteller, -tassen und -löffel zu einer endlos langen Drachenfigur gebaut. Der Drache begegnete uns noch oft im Park, schließlich befinden wir uns jetzt im Drachenjahr. Die Wege waren gesäumt von chinesischen Lampions, alle Tierkreiszeichen (mit unseren Sternzeichen zu vergleichen; es gibt 12 von ihnen, die sich also alle 12 Jahre wiederholen) wurden auch als Laterne dargestellt.
Man hatte sich richtig viel Mühe gegeben, und der Park strahlte.
Die folgenden Tage liefen wir durch Guangzhou. Überall das gleiche Bild. Sogar der Fake-Market am Hauptbahnhof hatte alle seine Tore verrammelt. Man kam sich vor wie die letzten Menschen auf der Welt oder nach einer großen Katastrophe.
Das Wetter war auch einfach nicht so gut auf uns zu sprechen.
Einmal hatten wir vermutlich 100% Luftfeuchtigkeit, man konnte sie praktisch sehen. Es war wie ein ganz feiner Regen, nur dass es nicht regnete. Man sah ihn nur im Scheinwerferlicht. Trotzdem war der Boden nass, und meine Haare nach einer Weile auch.
An diesem Abend waren wir in Zhujiang New Town, dem Stadtteil, in dem alles für die Asian Games 2010 gebaut wurde. Auch dort leuchtete alles in Lichtskulpturen.
Die Nacht war von einer zarten Schönheit…
Und hach ja. Das Essen.
An dem einen Abend gingen wir zu Tiger Prawn, dem vietnamesischen Restaurant, das wir schon schätzen und lieben gelernt hatten, und keine Sekunde zu spät. Um 11 schloss die Küche, und so wurden wir dazu angehalten, SOFORT zu bestellen.
Am anderen gingen wir zu einer sogenannten Latin Bar. Die war bekannt für ihr Churrasco, die brasilianischen Fleischspieße. Wir bezahlten einen Pauschalpreis von 98 Yuan, bekamen immer wieder neue Köstlichkeiten vom Grill serviert und konnten uns zudem noch an dem Buffet satt essen. Es gab dort sogar einen Schokobrunnen!
Und Caipirinha. Und eine Live-Band.
Also, wir ließen es uns trotzdem gut gehen, und in Guangzhou war es auch nicht mehr so kalt.
Außerdem kaufte ich endlich einen Heater – muah! Dank sei ihm! – und ich war Schlittschuhlaufen! In einer Mall.
*
Ich danke den beiden für ihren Besuch und freue mich, dass sie da waren!