Vorbereitungsseminar in 上海

Das Goethe-Institut öffnet seine Türen

Am Sonntag, den 11. Dezember, stahlen sich unsere Mongolen und unsere Mit-Kantonesin Franzi in aller Frühe aus dem Hostel, während wir noch den Schlaf der Gerechten schliefen. Erst, als wir damit fertig waren, ließen wir unseren Tag gemütlich beginnen. Und es war ein außerordentlich glücklich gefügter Tag.
Wir hatten einstimmig beschlossen, den Transrapid zum Flughafen und wieder zurück zu nutzen, da dieses Projekt für München ja wegen wirkungslosen 10 MINUTEN doch nicht realisiert wurde. Diese Maglev (= magnetisch und schwebend) erreicht 450 km/h!
Am Ausgangspunkt angekommen erfuhren wir aber, dass diese Höchstgeschwindigkeit nur innerhalb einer Dreiviertelstunde am Tag gefahren wird. Aber wir hatten Glück! Wir waren gerade zu dieser Zeit dort! Also bezahlten wir unsere 80 Yuan für eine Fahrt hin und zurück und erlebten einen wahren Geschwindigkeitsrausch. Vor allem der Moment, wo einem der andere Transrapid entgegenkommt…. Dieser Ruck, der durch den ganzen Zug geht… Das war schon ein Erlebnis!
Am Flughafen plünderten wir nur kurz einen Lawson’s Shop, weil wir da Schogetten fanden! und diverse andere ausländische = heimische Artikel! und schon eilten wir wieder zurück zur Magnetschwebebahn, um auch auf dem Rückweg in den Genuss der Maximalgeschwindigkeit zu kommen.

Wir waren noch völlig geflasht von dem zufällig so gut getroffenen Timing (ja, ich liebe Anglizismen) – als wir ankamen, wo wir vor einer knappen Stunde losgefahren waren. Gemächlich schlenderten wir zu unserem nächsten Ziel unserer Wahl: Die Duolun Kulturstraße. Dieses Fleckchen von Shanghai sah wieder ganz anders aus, jedenfalls nicht chinesisch, sondern es hatte etwas von der guten alten Zeit,… ich kann euch nur Assoziationen liefern, die ich damit hatte: Frank Sinatra, Casablanca,… all sowas. Es gab lauter süße kleine Cafés, wieder andere, europäische Architektur… – Und plötzlich standen wir vor einer Kirche. Wir wären beinahe daran vorbeigegangen, weil sie eben nicht aussah, wie wir eine Kirche bauen würden. Aber das Kreuz am Eingang und ein paar Glasfenster ließen dann doch keinen anderen Schluss zu!
Wir trauten uns hinein und besichtigten erst die Kapelle. Dort hörten wir, wie eine Frauenstimme ein Kirchenlied übte. Ich kannte weder die Melodie noch den Text, aber es klang weder nach einem chinesischen Lied, noch nach einem aus unserer Liturgie.
Dann bekamen wir mit, dass in einer Minute der Gottesdienst beginnen würde, und kurzerhand entschlossen wir uns, diesem zuzuhören!
Es gab viele „usher“, die einem einen leeren Platz zuwiesen, und – sehr erstaunlich für mich – die Kirche war randvoll. Es kamen so viele Leute! Da wären die meisten Kirchen in Deutschland vor Neid erblasst.
Man konnte dem Ablauf des Gottesdienstes per Beamer mitverfolgen, alle Psalmen und Liedtexte wurden an die Wand geworfen. Doch vor uns in der Bank lagen auch Liederbücher und die Bibel in einem. Das war sehr interessant! Natürlich war alles auf Chinesisch, und so dauerte es eine Weile, bis wir erkannten, welche Zeichen „Jesus“ (耶稣) und „Amen“ (阿门) bedeuten. Die Lieder waren mir alle unbekannt, aber von der Idee her, dass eine Botschaft immer wiederholt wird, war es gleich – so weit ich das beurteilen kann. Was uns noch verwunderte, war, je länger wir dem Pastor zuhörten, desto mehr verstanden wir. Man hörte sich irgendwie ein….
Trotzdem blieben wir nicht ganz bis zum Schluss, sondern huschten heimlich wieder hinaus. Froh über noch so einen gut gewählten Zeitpunkt, und berührt von etwas Vertrautem, aber doch völlig Unbekanntem, liefen wir weiter.
In der Nebenstraße (alles gepflastert, auch sehr ungewöhnlich, also Kopfsteinpflaster) gab es dann, wie so oft, oh, wie ich sie hier in Guangzhou vermisse!, Spieße. Wie immer bestellte ich Aubergine (茄子 = qiezi) und Pilze, bitte scharf….
Es war wirklich ein schöner Tag, den wir dann noch auf der Rooftop Bar ausklingen ließen. Das Besondere an ihm war, dass wir keinen festen Zeitplan hatten, und trotzdem immer genau zur rechten Zeit an schönen Plätzen landeten.

Am Montag, dem 12. Dezember, begann unser Vorbereitungsseminar vom Goethe-Institut. Dort trafen wir uns auch um 10h morgens, aber es war in Fußnähe zum Hostel. Wir wurden nur kurz begrüßt, und dann führte uns Reiner, auch ein kulturweit-Freiwilliger, der aber im Goethe-Institut Shanghai eingesetzt ist, durch Shanghai.
Zuerst besuchten wir den buddhistischen Longhuasi 龙华寺 (long = Drache, hua = Blüten, Blumen, si = Tempel) voller Weihrauch, Gold, und Tempelanlagen. Wir sahen Gelöbnisbänder, einen vielarmigen Buddha und eine Vase, auf die man seinen mao (fast kleinste Münze) werfen sollte: Wenn er auf ihr liegen blieb, dann war einem der Reichtum sicher. Nach all den guten Räucherstäbchen machten wir uns ein bisschen benebelt auf den Weg zu einem köstlichen Restaurant….
Und danach ging es zum Kleidermarkt! Der Kleidermarkt war ein dreistöckiges Gebäude voller Verkaufsstände, in dem du dir deine Kleidung selber schneidern lassen konntest! Es gab wirklich alles: Mäntel, Handschuhe, Mützen, Schals, Abendroben, Blusen, Hemden, Anzüge, Hosen, Kostüme, Ohrwärmer, chinesische Trachten,…
Teilweise waren auch nur die Stoffballen aufgeschichtet, – es war ein wirklich inspirierender Ort, so viele Muster, Farben und Schnitte! Einfach toll.
Natürlich traf man dort auch viele Ausländer, die sich etwas maßschneidern ließen. Denn, wie ihr euch vorstellen könnt, ist es manchmal gar nicht so leicht, hier etwas Passendes zum Anziehen zu finden….!
Vor dem Kleidermarkt gab es auch noch einige Schmuckhändler, die ihre Ware auf Samttüchern ausgebreitet hatten und ihre Brocken Englisch versuchten, anzuwenden.

Abends feierten wir dann Monis Geburtstag. Moni ist auch eine Freiwillige und arbeitet für den DAAD (Deutscher Akademischer Austauschsdienst) in Peking.
Zuerst speisten wir mal wieder fürstlich, in einer Seitenstraße der 南京东路, und danach versuchten wir einen Tip aus, nämlich, das Captain’s, ein anderes Hostel. Gegen die Aussicht konnte man nichts sagen, man sah auf das nächtliche Shanghai hinunter, aber die Preise waren horrend. Also gingen wir bald wieder, ungetränkt. (?) 😀
Stattdessen kehrten wir einmal mehr zu unserer heimeligen Rooftop Bar zurück und hatten eine lustige Konversation auf Chinesisch mit einem der Besitzer – nur, wenn wir einander nicht mehr verstanden, übersetzte er auf Englisch. Das war gut zum Lernen!

Am Dienstag trafen wir uns in einer Außenstelle des Goethe-Instituts, in einem Sprachlernzentrum. Klugerweise hatten Johanna, Nuri und ich uns morgens dafür entschieden, ein Taxi zu nehmen, anstatt die U-Bahn, weswegen wir dann natürlich voll im Verkehr feststeckten. Naja.
Dort erwartete uns ein Workshop über interaktiven, kommunikativen DaF-Unterricht (DaF = Deutsch als Fremdsprache). Wir sammelten selber viele Ideen, wie man denn wohl am besten eine Fremdsprache lernt, und probierten einiges selber aus.
Zum Beispiel spielten wir einmal Geräuscheraten: Wer hätte gedacht, dass einem der Ton zur Tagesschau, ein Schiffstuten oder eine einfache Bayern 3- Verkehrsdurchsage so fehlen würde? Alle waren danach ein bisschen melancholisch oder summten vor sich hin.
Mittwoch hatten wir eine Lerneinheit nur über Spiele im Unterricht, und bekamen auch da viele neue Ideen für abwechslungsreiches und effizientes Lernen durch Selbstlernen.
Außerdem stellten wir den anderen noch einmal kurz unsere Einsatzstellen vor und erläuterten unsere Aufgaben im täglichen Schulablauf.
Am Donnerstag durften wir im Sprachlernzentrum in der Julu Lu hospitieren, immer zu zweit für anderthalb Stunden. Ich war baff, wie gut die Schüler schon nach dem dritten Tag Deutsch sprachen. Die Zeit verging sehr schnell, und wir wurden alles gefragt, was die Schüler schon gelernt hatten. Die Kursteilnehmer waren 17-71 Jahre alt (ca. 25 Leute).
Freitag war schon wieder der letzte Seminartag, und dort klärten wir Fragen, die uns noch am Herzen lagen (Wie motiviere ich Schüler? Welche Sprache ist für den Lehrer angemessen?) und zogen ein bisheriges Fazit.

Es war alles ganz interessant, besonders für die Leute, die selber unterrichten, schätze ich mal. Nur den Namen „Vorbereitungsseminar“ fand ich persönlich etwas… ironisch, zumal ich gestern schon meine Einladung für mein Nachbereitungsseminar bei Berlin Anfang März zugeschickt bekommen habe.

Außerhalb des Seminars haben wir noch weiter die besten Locations der Stadt erkundet, („next time, guys… please dress up!!“) grandiose Sicht auf die schönsten Flecken Shanghais genossen, Glühwein bei Reiner gebraut, viel zu viel gegessen, uns ausgetauscht und einfach die Zeit miteinander vollends genutzt. Es war schön, alle wiederzusehen, muss ich sagen!!

Gegen Freitag dünnte sich das Ganze aber etwas aus… Zum lamian拉面 (gezogene Nudeln) Essen bei muslimischen Chinesen waren wir nur noch zu sechst, und nach einem gelungenen letzten Abend, da waren es am nächsten Morgen nur noch vier.
Katja, Alex, Nuri und ich machten uns dann gegen 11 auf Richtung Flughafen, denn es war schon wieder Samstag! Dort angekommen waren wir nur noch zu dritt, und nach dem Check-In von Alex und mir, der problemlos verlief und nur 2 Minuten dauerte, ließen wir Nuri nach einem sündhaft teurem Kaffee bei Costa allein und passierten die Sicherheitskontrollen. Wir starteten fast pünktlich und flogen 2 1/2 Stunden nach Guangzhou.

Es war SEHR merkwürdig, dort wieder zu landen… Nachdem ich mir vor drei Monaten mit klopfendem Herzen und aufgeregt roten Bäckchen kaum vorstellen konnte, wie das nächste halbe Jahr so wird, kehrte ich jetzt wieder zu meinem derzeitigen Zuhause zurück. Außerdem kam ich damals direkt aus Deutschland, und so kamen alle Emotionen und Erinnerungen noch mal höchst vivid wieder hoch.
Tja, und dann kamen wir wieder an….

Und sofort starrten uns die Leute an. Das fiel einem wirklich auf.
Aber wir waren glücklich über die warme Sonne, die einem in Shanghai echt gefehlt hat, und wir waren glücklich über das Kantonesisch, das wir hörten, und wir freuten uns darauf, endlich wo anzukommen und sich wieder auszukennen.
Nach einem Abendessen trennten auch wir uns und ich machte mich auf zu dem 2 Stunden dauernden Heimweg: Vom höchsten Norden Guangzhou runter in den tiefsten Südwesten. Weiter weg kann man mit der Metro eigentlich nicht fahren.

Mein Zimmer war staubig, und kühl geworden.
Aber es war alles wie immer. Ich freute mich darauf, endlich wieder skypen zu können! Abends wagte ich mich zum allerersten Mal alleine ins Dorf, weil ich dringend Wasser brauchte – vor der Reise hatte ich alles leer getrunken – und weil ich 0.11 Yuan auf meinem Handy hatte… Nicht sehr viel. Die erst verdatterte, aber total hilfsbereite Kantonesin im Supermarkt bemühte sich zwar, mir zu helfen, aber irgendwie funktionierte das Aufladen nicht… Also erklärte ich ihr, dass ich morgen wiederkäme.
Doch wie es der Zufall so wollte, bekam ich nachts eine sms von der Telefongesellschaft, dass sie mir 60 Yuan schenkten, wegen meiner Treue! Haha! Das kam zur rechten Zeit!
Am Sonntag schlief ich erst einmal ordentlich aus, und ging zum Mittagessen dann ins Dörfchen. Das hatte ich ja vermisst! Und die Köchin fragte mich sogar, ob ich überhaupt in der Schule arbeitete, weil ich schon so lange nicht mehr dagewesen war! Ich erklärte ihr, dass ich in Shanghai war, und wie kalt es da jetzt ist.
Nachmittags kam meine liebe Gu Yihan wieder, und hey, echt, da fiel einem auf, wie einem diese netten Menschen doch alle gefehlt haben. Umso mehr freute ich mich, sie alle wiederzusehen! Der Sonntagabend war dann voll der letzten Planung für unsere Cultural Week, das Sprachenfest für Deutsch, Spanisch und Französisch.
Wir hängten noch viele Plakate auf, und ich entdeckte die mobilen Informationstafeln, die aufgestellt wurden, um den Schülern kulturelle Eigenheiten der drei Länder zu verraten und außerdem Landeskunde und essentielle Sprachkenntnisse zu vermittelen.

Wie die Woche so gelaufen ist, das erzähle ich beim nächsten Mal.

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Eine Antwort zu Vorbereitungsseminar in 上海

  1. Moma sagt:

    Meine liebe Clara, wie interessant Du wieder geschrieben hast! Danke.Endlich komme ich nun zum Lesen !!! Was Du wieder alles für großartige Erfahrungen machen konntest. Herrlich!
    Einige Erinnerungen kamen mir auch wieder hoch (ich bin doch mit Tilman damals als er in Bejing gearbeitet hat, auch einmal mit ihm nach Shanghai geflogen): die kleine Kirche fiel mir auch zwischen den alten Bauten auf, – am Pudong habe ich auch den „Pearl Tower“ gesehen, aber so ein grandioses Foto wie Du habe ich von da oben doch nicht hingekriegt! Danke für Deine erläuternden Fotos dazu . Laß Dich ganz lieb drücken von Deiner Moma

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