Kugellager mit China und der Mongolei
Liebe Leute,
ich erzähle euch heute,
davon, wenn einer eine Reise tut.
In unserem Falle waren das sogar vier, Nuri aus Shenzhen, Alex und Franzi aus Guangzhou, und meine Wenigkeit.
Los ging es am Freitag, den 2. Dezember mit einem Schnellzug um 13.58h vom Bahnhof Guangzhou aus. Ziel war als Auftakt die bedeutendste Industriestadt Chinas, die Stadt, in der letztes Jahr die EXPO stattfand: Shanghai (上海). Mit dem Schnellzug waren wir trotzdem über 19 Stunden lang gen Nordosten unterwegs…
Aber die Zeit verging wie im Fluge! Unterwegs aßen wir Mandarinen und spielten Wizard. Wir hatten Glück und konnten unsere vier Mittelbetten-Tickets in zwei Mittel- und die oberen Betten umwandeln, sodass wir alle zusammen in einem offenen „Abteil“ waren. Mit uns zusammen reiste ein Verbrecher in Fußfesseln, der von zwei Männern ebenfalls im Zivil begleitet wurde. Aufgefallen ist er mir eigentlich nur, weil seine Eisenkette so ein klirrendes Geräusch auf dem Boden gemacht hat.
Um 9 Uhr morgens kamen wir dann in der 23 Millionen-Metropole an, und uns wetterverwöhnte Südchinesen wehte sofort ein eisiges Lüftchen um die Nase.
Der Gefangene, nein, eigentlich seine Begleiter, wurden mit einem riesigen Kameraaufgebot empfangen, mit Blumenbouquets und wärmsten Händedrücken, viele ernste Gruppenfotos wurden noch geschossen, – aber wir kehrtem dem den Rücken und wagten uns in den kalten Wind.
Franzi hatte uns ein Zimmer im Blue Mountain Hostel reserviert, in Fußweite zum Bund, der berühmten Flaniermeile Shanghais mit Blick auf die Sonderwirtschaftszone Pudong, der Insel hinter dem großen Fluss, der die beiden Stadtteile trennt.
Wir wollten eigentlich in ein 6er-Dorm, aber das war gerade belegt, und deswegen durften wir zum selben Preis in ein 4er-Zimmer nur für uns. Das war unglaublich gemütlich!
Ich war ja letztes Jahr im September schon einmal für ein Wochenende in Shanghai, zur EXPO, aber es war schön, diese riesige Stadt jetzt noch einmal für mich zu erkunden, mit ein bisschen mehr Zeit und meinen Prioritäten. Und sie hat ja wirklich so viel zu bieten!! Deswegen legten wir auch gleich los, nachdem wir uns ein bisschen frisch gemacht und umgezogen hatten. Erst stärkten wir uns, es gab leider keinen Hund mehr, obwohl er auf der Speisekarte angegeben war, also aßen wir andere gute Sachen.
(Ja, ihr habt richtig gelesen, vielleicht wäre ich bereit gewesen, Hund zu essen…. Aber eher nicht. Zum Glück hat sich dieser innere Konflikt erledigt.)
Wir sind sehr lange am Bund entlang gelaufen, haben viele Fotos gemacht und es einfach genossen, in Shanghai zu sein. Dann liefen wir alles wieder zurück, und bogen in die berühmte 南京东路 (Nanjing Dong Lu) ab, die Shoppingmeile Shanghais. Mittlerweile war es schon dunkel, was sich aber von selbst erklärt, weil Shanghai ja viel weiter östlich liegt als Guangzhou. Wir kamen an einem Balkon vorbei, wo ein Mann Saxophon spielte, und die Menschen darunter tanzten einfach auf der Straße. Es war eine ganz friedliche Atmosphäre, und irgendwie fühlte mich zum ersten Mal weihnachtlich.
Wir liefen noch viel weiter, bis zur Französischen Konzession, die in keiner Stadtkarte Shanghais verzeichnet ist, – aber fanden nur die Luxusstraße Huaihai Lu.
Bei H&M deckten sich dann einige notdürftig gegen die Kälte ein, und dann kehrten wir bei einem sehr gemütlichen Restaurant über den Dächern ein.
Unterwegs trafen wir einige Weihnachtsbäume, die einem aber trotzdem fehl am Platze vorkamen… Und plötzlich fanden wir einen großen Hof, eine Stadt in einer Stadt, wie die Borstei oder die Fünf Höfe in München… mit einer Deutschen Familienbäckerei! Stollen, Glühwein und Schwarzwälder Kirschtorte, alles dabei! – Aber als Deutscher sah man den Unterschied 😀 Außerdem nannte sich diese Bäckerei Lind – in exakt dem Schriftzug der Lindt-Schokoladenfirma. Es gab dort auch eine Art Weihnachtsmarkt mit drei Ständen…. Es war befremdlich und schön zugleich, in einen europäischen Stadtteil einzutauchen.
Am nächsten Morgen, es handelte sich um Sonntag, den 4. Dezember, 2. Advent, versuchten wir gleich noch einmal unser Glück mit der Französischen Konzession. Wir konnten nicht glauben, dass das gestern alles war.
Erstmal begannen wir den Tag aber mit einem ausgiebigen Mahl bei Dunkin‘ Donuts 😀 Dann bogen wir in irgendeine Seitenstraße der Huaihai Lu ab, – und fühlten uns plötzlich wegen der verzierten Zäune in der Straßenmitte und auch wegen der Architektur der Häuser irgendwie an Universitätsstädte in England, oder, man sagte mir, auch an Paris, und teilweise sogar an die USA erinnert…. Es war wie anderswo.
Wir sahen neuere Autos, und trotzdem wieder die zu trocknende Wäsche auf Kleiderbügeln in den Bäumen hängen, und kamen dann zu einem Bazar mit Kernen und Trockenfrüchten aller Art in einem Hinterhof. Dort kauften wir gesalzene Sonnenblumenkernen und hinterließen wie Hänsel und Gretel eine Spur auf dem Weg in einen sehr europäisch anmutenden Park. Dort gab es wieder allerlei Wasserspielzeuge und musikalische Darbietungen von Männern und Frauen an allen Ecken.
Dann war die Sonne auch schon wieder im Sinken inbegriffen, und wir taten unser Möglichstes, um schnell auf Pudong zu kommen (die Insel, Sonderwirtschaftszone, mit all den Gebäuden, für die Shanghai berühmt ist). Dort wollten wir unbedingt zum Sonnenuntergang hin, um die grandiose Aussicht von einem dieser hohen Wolkenkratzer zu genießen… Wir haben es natürlich nicht mehr rechtzeitig geschafft, die Sonne geht in Shanghai einfach schneller unter. Aber es war auch bei Nacht ein wahnsinnig tolles Bild, das uns da bot. Das Gebäude unserer Wahl war der „Flaschenöffner“, wie er wegen seiner Form umgangssprachlich genannt wird (Shanghai Financial Centre, kurz SHFC) – und dank unseres Freiwilligenausweises bekamen wir sogar 50 Yuan Rabatt, sodass wir nur 100 Yuan bezahlen mussten, um den Fahrstuhl in den 100. Stock zu nehmen. Dort erwartete uns der Sky Walk: Wir liefen auf Panzerglas über Shanghai und die Stadt lag uns buchstäblich zu Füßen.
Zurück setzten wir leider alles daran, den „Bund Sightseeing Tunnel“ zu finden – guys, seriously, don’t! Er ist die 50 Yuan echt nicht wert! Dieser Tunnel ist eine Mischung aus nicht-gruseliger Geisterbahn, einer Lehreinheit über Vulkanismus, warum auch immer, und Skifahrer-Gondel. Naja, wir haben es wirklich mit Humor genommen – vielleicht ein bisschen zu sehr, wenn man sich die irritierten Gesichter der Menschen vor Augen hält, die uns am anderen Ende wieder in Beschlag nahmen…. Es war trotzdem lustig.
Inzwischen war es schon 21h, – eine beinahe unmögliche Zeit, um etwas zu essen zu finden. Ein Mann zeigte uns dann ein letztes Restaurant.
Was uns aber schon den ganzen Tag in Shanghai auffiel: Es gab unglaublich viele Bettler. Und/Oder ältere Damen, die teilweise mit völlig übermüdeten Kindern Rosen verkauften.
Am Montag, den 5. Dezember, mussten wir ja schon um 10h raus aus unserem Hostel und aufbrechen zum Zwischenseminar in Hangzhou. Auf gut Glück fuhren wir einfach mal mit dem Taxi zum Shanghai Süd Bahnhof, nur um zu erfahren, dass wir dort keinen Schnellzug nach Hangzhou finden würden. Also mussten wir den ganzen Weg wieder zurück, diesmal mit der Metro, zum Shanghai Hongqiao Bahnhof. Dort bekamen wir schnell unsere Tickets, fuhren auf der Rolltreppe noch an Reiner und Steffi vorbei, kulturweit-Freiwillige in Shanghai, die auch auf dem Weg zum Seminar waren. Unser Schnellzug heizte dann tatsächlich mit über 300 Sachen über die Lande, und deshalb waren wir auch in einer guten Stunde in Hangzhou angekommen! Am Bahnhof trafen wir noch eine Freiwillige, Lara, und zusammen fanden wir dann einen Bus, der uns in Xianyuang Hotel bringen würde: Dort begann das Seminar um 15h.
Die Leute waren sehr hilfsbereit, irgendwann diskutierte der ganze Bus, welche Station denn jetzt die beste für uns wäre, um schnellstmöglichst anzukommen; aber der Verkehr in Hangzhou war noch um Längen chaotischer, als ich das kannte. Ein Grund dafür war, dass die Mopeds alle auf den Gehweg geschickt wurden, um zu fahren. So ist es eigentlich kein Wunder, dass sich eine Fahrerin, die eng an Lara vorbei fahren musste, in einer ihrer Rucksackschlaufen verhedderte und schmerzhaft zu Boden prallte! Sie wollte unsere Hilfe nicht, wir wussten auch nicht, wen man da so anrufen hätte sollen… Also gingen wir nach 5 Minuten betroffen weiter.
Es war der Hammer, alle China-Freiwilligen (aus Wuhan, Shanghai, Beijing, Kuming, Wuxi, Taicang, Shenzhen, Guangzhou, Hangzhou…) und die beiden aus der Mongolei wiederzusehen! Einfach dieses Gefühl, in den Raum zu gehen, und so viele bekannte Gesichter bei sich zu haben…. herrlich. Ein Stückchen Heimat.
Wir wurden auch, ganz sympathisch, von unseren Trainern Nicole und Joni mit Spekulatius und Nikoläusen begrüßt, und so rückten wir alle glücklich zusammen, und resümierten unsere Zeit und Erfahrungen bisher.
So ging das eigentlich auch die ganze Woche lang. Jeder stellte mal seine Einsatzstelle vor, wir veranstalteten Diskussionsrunden über verschiedene Themen (Informationsfreiheit – ein Menschenrecht?; Umweltschutz in China?; kulturweit – Eine Verschwendung von Steuergeldern? usw.) und es gab ein persönliches Gespräch mit dem Trainer unserer Wahl. Ich persönlich fand auch schön, dass wir jeden Abend alle zusammen speisten.
Danach ging es meistens in den Coco Club, für die, die wollten. Das war eine Disco, in der Jojo, die Freiwillige aus Hangzhou, sowieso schon, aber jetzt erst Recht bekannt war wie ein bunter Hund. Alternativ entdeckt wurde die Burton Bar, dessen lustiger Reiz darin bestand, eine Art Singstar mit Tanz zu spielen.
Wir hatten eine tolle Zeit alle zusammen!
Außerdem haben wir natürlich den Westsee (西湖) besucht, für den Hangzhou chinaweit, aber auch in der Welt geschätzt wird. Seine Pagoden sind berühmt und auf der Rückseite von jedem 1 Yuan-Schein zu finden – ihr erinnert euch?
Vor dieser Kulisse haben wir auch einen Beitrag für „kulturweit bewegt“ gedreht, ein Video an den unterschiedlichsten Orten der Welt, an der wir uns gerade befinden.
Es gab eine regnerische Zeit in der Woche, aber selbst da war der See atemberaubend.
Wir schlossen Freundschaft mit einem Polizisten, ich verlor mein Handy im Taxi und bekam es anderthalb Tage später vollständig wieder zurück, wir besuchten eine Schwarz-Weiß-Vintage-Fotoausstellung oder das Seidemuseum, ich ersteres, trauten uns in eine traditionelle Apotheke und tranken dort Tee, ich bekam dank Sebastian aus der Mongolei und einem Scherz-Kaugummi den fiesesten Stromschlag meines Lebens und wohnten glücklicherweise gegenüber von der leckersten Essensstraße, die ich bis dato gesehen hab. Spieße, Nudeln, Suppen, Teigtaschen – alles, was das Herz begehrt, sogar noch spät nachts.
Am letzten Tag machten wir noch einen Ausflug zum Westsee, und wurden mit unwirklich schönen Bildern belohnt vom glitzernden Wasser, der goldenen Sonne, die sich darin verlor,…..
Es war schon dunkel, da fanden Franzi, Nuri, Alex, Steffi, Reiner und ich uns wieder beim Bahnhof ein und fuhren zurück gen Shanghai! Wir vier Südchinesen kehrten zu unserem Hostel zurück, nur um festzustellen, dass wir uns auf zwei 6er-Dorms aufteilen mussten. Unser Zimmer lag wirklich auf einem Balkon mit einer verzweifelt ineffizienten Klimaanlage auf 30 Grad und einer undichten Glastür, sodass ich in dieser Nacht sehr gefroren habe. Das war einer der Gründe, wieso wir am nächsten Tag, Samstag, 10. Dezember, zu den anderen Freiwilligen, die auch am Goethe-Institut-Vorbereitungsseminar teilnehmen würden, ins Phoenix Hostel zogen. Auch dieses lag optimal, am People’s Square, auch in Fußnähe zum Bund. Und dort hatten wir es warm und waren in einem Dorm.
An diesem Tag zeigten wir Sebastian und Johanna, den beiden aus der Mongolei, noch einmal die wichtigsten Dinge in Shanghai. Wir fingen mal wieder beim Bund an und folgten
dem Tip der Shanghainesen-Freiwilligen, den Fake-Market zu besuchen. Das war aber ehrlich gesagt eine Enttäuschung. Wir Kantonesen waren viel billigere Preise gewohnt und die Händler dort reichere Ausländer. Ein großer Interessenskonflikt!
Denn, ganz ehrlich, für eine falsche Brille, also wirklich nur ein Plastikgestell, bezahlt doch kein Mensch 150 Yuan, oder? Also, nur so als Beispiel.
Ich kaufte mir meine Handschuhe lieber auf der Straße – und die leisteten mir sehr gute Dienste. Es war nämlich wirklich kalt in Shanghai.
Den letzten Abend mit unseren Freunden aus der Mongolei feierten wir noch einmal ordentlich, und es war ja auch der letzte Abend mit Franzi!
So, und im nächsten Artikel berichte ich dann vom Vorbereitungsseminar des Goethe-Instituts in 上海!
Weiter geht es nach der Werbepause…..
(und den Fotos hier!)