Sperrstunde

Wie ein Froschessen in Guangzhou zu einer abenteuerlichen Reise zurück nach Nansha wurde.
Man sollte eben berücksichtigen, wann die letzte U-Bahn fährt.

Hallo Kinder,

heute erzähle ich euch von meinem Gestern.
Es war einmal ein Mittwochabend, an dem ich einer Einladung unserer ehemaligen Chinesischlehrerin Sun folgte, und beschloss um 16h schon nach Guangzhou loszufahren. Ja, ehemalig, weil ich vorgestern, Dienstag, meine vorerst letzte Chinesischstunde im Institut hatte. Sun macht eine eigene Schule auf, und wollte noch ein Abschiedsessen mit Hashim, Alex und mir machen. Also gingen wir Frosch essen. Das Restaurant war im Nordosten von Guangzhou und berühmt für seine grünen Amphibien.
Auf dem Weg – ich war viel zu früh (!) – versuchte ich schon die ganze Zeit, endlich meine Telefonkarte wieder aufzuladen, da ich nur noch 4 Yuan Guthaben darauf hatte – aber erfolglos! Jeder 7-Eleven und jeder Annelies (天天。。。) sagte immer wieder DNÖ.

Das Restaurant war aber ein voller Erfolg. Ich hatte damals in meiner Kindheit schon mal Frösche im wunderschönen Elsaß gegessen, aber nur Froschschenkel, jaja.
Diesmal bekamen wir sie in einem Feuertopf serviert, und zwar in ihrer ursprünglichsten Form. Die Frösche waren eigentlich kopflos und hohl. Wenn ihr versteht.
Nach dieser kleinen Hemmschwelle waren sie aber durchaus köstlich.
Vor allem der zweite, der ein bisschen besser durch war als der erste.
Eigentlich hat es wie ein sehr zartes Hühnchen geschmeckt… Nur der Bauch wie Fisch.
Ich habe noch gelernt, dass es für meine liebe Dora nichts Besseres geben konnte, als dass ich an ihrem Geburtstag „für sie“ Frosch gegessen hab. Das bringt Glück oder so.

Wie ihr an dem Wetter hier rechts sehen könnt, ist es hier „kühler“ geworden – vor allem in Nansha pfeift ein eisiger Wind um und durch die Wohnung.
Beim Feuertopf (Hot Pot)- Essen kamen wir aber ganz schön ins Schwitzen, weil es wieder sehr scharf war, und der Dampf vom Topf auch nicht so gut abziehen konnte.
Nach diesem Festmahl wollte uns Sun noch ihre neue Schule zeigen, ein sehr schönes Apartment eigentlich im 11. Stock, dessen Räume dann als Schulzimmer genutzt werden. Es ist nicht für viele Schüler gedacht, eher für eine kleinere Gruppe, aber es wird sieben Lehrer geben. In dieser Wohnung gab es auch eine gemütliche Sofaecke, und wir bekamen Snacks, einen Rosenkräutertee, der besonders gesund in dieser „kalten“ Jahreszeit sein soll, und noch ein bisschen Bier. (Sun war eifrig dabei, Ganbei auszurufen).
Außerdem wollte sie uns davon überzeugen, bei ihr weiterzulernen.
Es ist aber recht teuer, weswegen sie uns noch nicht für sich gewonnen hat.
Jedenfalls versuchte ich schon einige Zeit deutlich zu machen, dass ich jetzt gehen müsse, um meine letzte U-Bahn noch zu erwischen (die Metro schließt gegen 23h), die ich ja auch erst nach zweimaligem Umsteigen erreichen würde. Naja, wie das dann halt so ist, hat es doch länger gedauert, alle zum Gehen zu bewegen, und es war klar, dass es sehr knapp werden würde. Hashim hat mir zum Glück noch Geld in die Hand gedrückt, falls ich es nicht schaffen würde, und mir ein Taxi nach Nansha rufen müsste… Das kostet nämlich 300 Yuan. Wir trennten uns an unterschiedlichen Haltestellen, und ich kam endlich an dem letzten Umsteigebahnhof an. Ich hatte mir ausgerechnet, dass ich eine knappe Minute zum Linienwechseln habe, und setzte zum Endspurt an. Als ich ans Gleis kam, stand zum ersten Mal nicht an der Anzeigetafel, wann die nächste U-Bahn kommen würde. Ich dachte schon… -??? Das wars jetzt. Aber, es standen noch mehrere andere Leute am Bahnsteig, also wartete ich erst einmal weiter ab. Und tatsächlich! Plötzlich rollte eine U-Bahn ein. Ich war glücklich und erleichtert, dachte ich doch, ich hätte es noch geschafft.

Aber es war komisch: Die Ansagen für die nächste Haltestelle kamen nicht mehr vom Tonband, sondern von dem Schaffner… Und so erwartete ich die ganze Zeit halb ängstlich, dass die U-Bahn nicht mehr weiterfahren würde.
Ich sollte Recht behalten.

Und so war ich auch nicht so erstaunt, als, just als wir die Stadt und ihre Tunnel verließen, und ins freie Land, die Umgebung von Guangzhou kamen, der Zug für die Nacht in Xinzao anhielt. Also noch knapp zehn Langstreckenstationen bis zu meiner Haltestelle.
Das Wachpersonal scheuchte uns aus der U-Bahn, und in der Station empfing uns der freundliche Befehl, doch so schnell wie möglich den Bahnhof zu verlassen, weil dieser geschlossen werde. Es war kaum noch jemand in der Bahn gewesen, aber den wenigen folgte ich einmal hoffnungsvoll – aber kaum war ich an der Oberfläche, stand ich wirklich mitten in der Pampa. Da war nichts. Es sah aus wie ein vertrauenserweckender Autohändler, wo ich da gelandet war… Aber absolute Einöde, nur Dörfchen und dunkle Gassen… Äh, ja. Nicht so der Traum eines 18jährigen Mädchens.
Schüchtern wandte ich mich in eine Richtung… Aber drehte schon nach wenigen Schritten wieder um, weil es da so merkwürdig aussah. Ich wollte gerade zwei anderen Passagieren folgen, die offenbar wussten, wo es langgeht – da wurde ich von hinten angehupt und blickte in das grelle Licht eines Polizeimotorrads. Dieser Polizist wollte meinen Ausweis sehen, fragte, wo ich hinwollte und was ich hier machte.. Ich war mir nicht ganz sicher, ob er mir helfen oder mich einschüchtern wollte, aber ich hatte nur die Kopie von meinem Ausweis dabei, und fragte ihn mehrmals, ob er nicht wisse, wie und wo ich hier ein Taxi finden könne. Der recht emotionslose Polizist fragte mich eigentlich nur immer wieder, ob ich nicht einen Freund anrufen könne, der mich abholte. Ich verstand erst, er hätte einen Freund, der mich nach Nansha bringen könnte….. Aber das war wohl nicht der Fall. Plötzlich gab er mir meinen Ausweis und meinen U-Bahnplan zurück, auf dem ich ihn gezeigt hatte, was für ein Weg noch vor mir liegt… und düste davon!

Ratlos und verunsichert setzte ich meinen Weg fort. Ich folgte einer Straße, weil ich hoffte, dass die mich vielleicht auf eine größere Straße bringen würde! Da wo Autos, vielleicht sogar ein Taxi vorbei fahren würden! Aber es gab nichts davon.
Die Gegend wurde mir immer unheimlicher, und dann rief ich endlich jemanden an. Mein Handy hatte immer noch kein Guthaben mehr, und der Akku war auch kaum noch da. Ich schrieb meiner Chinesischlehrerin, der ich Geld gegeben hatte, dass sie BITTE DRINGEND mein Handy wieder online aufladen sollte, was sie dann zum Glück auch tat.
Alex hatte kein Internet, sonst hätte er mir eine Taxinummer geben können.
Gu Yihan hatte ihr Handy aus, also rief ich Ralf an. Ralf konnte mir aber auch nicht wirklich helfen, also versuchte er bei Gu Yihan zu klopfen, die antwortete aber nicht, also ging er zu Alex, dem chinesischen Französischlehrer.
Mittlerweile hatte ich dem zwielichtigen Dörfchen wieder den Rücken gekehrt und war auf dem Weg zurück zur Metrohaltestelle. Ich dachte mir, wenn es irgendwo ein Taxi gebe, dann da. Also lief ich wieder den gleichen Weg, diesmal um die unheimliche Ecke, – und hatte echt Glück. Dort fand ich zwei Motorradfahrer, „Taxis“, und – einen chinesischen Geschäftsmann, der das gleiche Problem wie ich hatte. Er musste sogar zur Endhaltestelle, also noch eine weiter als ich. Wir taten uns zusammen und handelten mit den beiden Männern. Schließlich erklärte sich einer bereit, packte uns auf sein Motorrad – ich bekam sogar den „warmen“ Platz in der Mitte – und fuhr uns zu seiner Garage, wo sein Auto auf ihn wartete. Dann begann die lange Reise in den Südosten. Nach Nansha.

Wir unterhielten uns recht gut, ich find, ich hab mich wacker geschlagen, dafür, dass ich eigentlich ein ziemliches Nervenbündel war. Ich verstand, dass der Mann einige deutsche Kollegen hat, LukasE, hab ich immer wieder gehört, und, dass offenbar ein paar Deutsche in Huangge Autostadt arbeiten – eine der Metrohaltestellen.

Es war beruhigend, all die Ortsnamen aus der Metro wiederzuerkennen, die wir passierten, und ich war wirklich auch froh, dass der andere Mann noch dabei war. Alleine wäre ich, glaube ich, noch mehr in Schwierigkeiten gewesen.
Er schenkte mir eine Handcreme aus Frankreich, versuchte mein Chinesischlernbuch zu lesen, und redete und redete. Den Fahrer verstand ich nicht so gut, der hatte einen sehr streng südländischen Akzent. Aber ich glaube, die beiden haben mir erzählt, dass er eigentlich auch ein Lehrer ist.

Mein Mitfahrer wurde ordnungsgemäß in Jinzhou abgesetzt, nachdem er noch bei einer Bank sein Taxigeld abgehoben hatte, ich speicherte seine Nummer für spätere Komplikationen ein, und war gelinde gesagt entsetzt, als der Fahrer plötzlich in eine mir völlig falsch erscheinende Richtung fuhr. Bei der Station Jinzhou hatte ich ja schon wieder sehr viel erkannt, ich hatte ein Straßenschild zum Nansha Gymnasium gesehen, und freute mich schon darauf, bald im Bettchen zu liegen.

Nee nee, jetzt ging es erst los.
Der gute Mann fuhr jetzt die ganze Fenghuang Allee ab, da, wo sich meine Schule ja auch befindet. Aber diese Allee ist wirklich ewig lang – das weiß ich jetzt! Ich hatte schon das Gefühl, wir hätten meine Gegend schon wieder längst verlassen…
Sodass ich ihn nach einer halben Stunde gemeinsamen Suchens inständig bat, mich doch bitte bitte einfach zu meiner Haltestelle zu fahren, da würde ich mich dann schon auskennen. Dass er mich jedes Mal (scherzhaft?) anfuhr, wenn ich zustimmend brummte, machte die Sache nicht unbedingt einfacher. Außerdem sagte der gute Mann jedes Mal, neinnein, er hätte nun mal versprochen, mich direkt zur Schule zu fahren, also würde er das jetzt auch machen. Schließlich hatte ich die Nase voll und rief meinen Beifahrer an. Der sprach noch einmal mit dem Fahrer, und kurz darauf hatten wir tatsächlich – ich hätte nicht mehr damit gerechnet – mein geliebtes Hintertürchen erreicht…. Das Tor war schon zu, aber der Wachmann öffnete es wieder für mich, nachdem ich den Taxifahrer mit 135 Yuan bezahlt hatte. Endlich war ich angekommen! Der Beifahrer, Yuchao, rief noch einmal an, um sich zu vergewissern, dass alles geklappt hatte, und dann sank ich erleichtert in die Federn. – Doch sogar in der Nacht träumte ich davon, dass ich unbedingt auf eine sehr schwer zu erreichende Insel musste.

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Der Tag heute war dafür ein richtig netter; ich habe in drei Klassen die Idee zum Adventskalender vorgetragen, die Kinder sahen sehr begeistert aus und es gibt auch Fotos von meinem Vortrag. Sehr interessant, seine eigene Gestik zu analysieren 😉
Außerdem haben Leti und ich mit den Kindern auf dem Schulhof Seilspringen gemacht – wisst ihr, es gibt ein großes Seil, und man muss rein- und wieder rauslaufen.
Ich war denkbar schlecht 😉 aber es war unwahrscheinlich lustig.
Dann konnten wir Alex und Gu Yihan überreden, zum ersten Mal!! ins Dörfchen zu gehen und dort Abend zu essen… Nordan kam auch noch hinzu, und es war – wie immer – lecker. Nach dem Essen arbeitete ich noch ein bisschen im Büro, half Alex beim Korrigieren (Französischexamen) und veranlasste ihn dazu, beim chinesischen Ebay mit Namen Taobao – da kriegt man wirklich ALLES – Puderzucker für meinen Geburtstagskuchen zu bestellen.
Und jetzt sitze ich in meiner bescheidenen Hütte und muss mir etwas überlegen, damit meine Fensterscheiben durch den Wind nicht so laut singen, dass ich eine Gänsehaut bekomme. Und etwas, damit der Wind nicht so eiskalt hier hindurch zieht.
Ich glaube, ich kuschel mich einfach ins warme Bett. Ist ja auch schon spät.

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Eine Antwort zu Sperrstunde

  1. Moma sagt:

    Meine liebe Clara,
    na das ist ja nochmal gut gegangen! Ich hab ganz schön mit Dir gebangt!!! Aber zum Glück war Dein „Schutzengel“ wohl auch bei Dir. Deine Erfahrungen aus diesem Erlebnis hast Du ja auch schon notiert: merke, wann die letzte U-Bahn fährt! Trotzdem weiterhin gute Erlebnisse + viel Freude im Advent (die 1. Kerze brennt heute!). Bis zum nächsten Skypen alles Liebe von Deiner Moma

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