Mittlerweile ist es schon Donnerstag Abend, aber die ganze Woche ist so viel passiert, dass ich nicht dazu kam, detailliert jeden Tag davon zu berichten. Deshalb jetzt und hier die Zusammenfassung.
Am Montag wurde ich gebeten, mich um 7.20h auf dem Pausenhof einzufinden, weil dort um 7.30h in einer feierlichen Zeremonie die Schule geöffnet wurde. Ich glaube, wenn ich das richtig verstanden habe, passiert das jeden Montag.
Dazu stehen alle Schüler und Schülerinnen geordnet in mehreren Reihe hintereinander, und auch die Lehrer stehen ganz links in zwei Reihen. Dann wird Musik eingespielt, und ein Trupp Uniformierter trägt die chinesische Flagge heran. Er marschiert auf den Fahnenmast am Fuße der gewaltigen Stufen zu und hisst diese dann.
Danach befolgen die SchülerInnen Anweisungen von einem Jungen und einem Mädchen, die oben auf der Treppe stehen. Alle exerzieren auf der Stelle. Nur die Lehrer nicht. Es gibt übrigens auch eine Schuluniform, aber ich glaube, eine für festliche Anlässe (Mädchen in grünkariertem Rock und weißen Söckchen und sowohl sie als auch die Jungen mit einer ganz kurzen Krawatte; außerdem tragen die Jungen anzugähnliche dunkle Hosen und ein weißes Hemd) – den Rest der Woche haben sie größtenteils aber weiße T-Shirts, die Trikots ähneln, und Sporthosen an. Was die Haare angehen, da scheint es keine richtige Regel zu geben. Die meisten Mädchen tragen sie zwar zusammengebunden, aber auch bei den Schuhen – da sind einige schon sehr auffällig. Es gibt auch sowohl kurze als auch lange Trainingshosen. – Doch weiter im Text:
Nach dem Exerzieren, wobei es sich um eine mir nicht erschließbare Choreographie handelt, die alle auswendig können, hielt ein kleines Mädchen, vielleicht aus der siebten Klasse eine Rede vor allen Menschen, also vor den 1.200 Leuten, eine Rede, richtig argumentativ gut, also, ich hab nicht so viel verstanden….. aber da war auf jeden Fall eine Aufzählung dabei. Sehr mutig! Ich habe erfahren, dass jedes Mal jemand anderes diese Rede hält. Ich finde, das ist eine gute Idee, weil so lernt man ja vor sehr vielen Leuten frei zu sprechen. Am Anfang war sie auch noch etwas nervös, aber sie hat sich sehr schnell gefangen, und hat sehr klar und deutlich gesprochen. Und laut.
Im Folgenden wurden noch ein paar Ankündigungen gemacht, und so gegen 8 war die Veranstaltung vorüber. Yihan, meine Deutschlehrerin, nahm mich mit ins Schulgebäude.
Für Lehrer und Lehrerinnen gibt es einen Aufzug, den man aber erst mal finden muss! Da hatte ich so meine Schwierigkeiten. Der Fremdsprachenlehrerraum ist im 3. Stock, und ich habe dort meinen eigenen Platz ganz hinten bei Gu Yihan. Es handelt sich dabei um so eine Art Sitzparzellen, mit durchsichtigen Trennwänden. Mir wurde ein eigener Computer zur Verfügung gestellt, mit einem komplett chinesischen Betriebssystem, die Tastatur sowieso… und außerdem eine Mappe mit den wichtigsten Dingen wie Rotstiften, Kugelschreibern, eine Art Tesa, Klebezetteln usw. Den Stundenplan hatte mir Gu Yihan schon am Flughafen gegeben, und wie gesagt, er folgt noch. Er hängt jetzt an „meiner“ Wand – sowohl „zuhause“ als auch an der Trennwand im „Lehrerzimmer“. Außerdem stattete mich Yihan mit den Deutschbüchern A1-Level Band 1 und 2 aus, und mit chinesischen unterrichtsbegleitenden Notizbüchern, in die ich meine Beobachtungen beim Zuschauen meiner beiden Deutschlehrer, Yihan und Ralf, verewigen darf.
Der Tag ging weiter mit einer Menge Vorstellungen und Vorgestelltwerden – doch dafür mussten wir das Gebäude wechseln. Zuerst besuchten wir den Direktor, Herrn Ning, dem ich einen Topflappen der Stadt München als Gastgeschenk mitbrachte. Dann wurde mir Xiao Fu vorgestellt, die beim Asset Management dafür sagt, dass jeder genau das Material hat, das er braucht, sowohl „privat“ als auch in der Schule. Dann lernte ich noch Jennifer kennen, die in ihrem Büro für das Wohl der Fremdsprachenlehrer verantwortlich ist. Das waren so die wichtigsten.
Das Büro für die Englischlehrer ist wieder woanders. In unserem Raum gibt es Alex, den Französischlehrer aus Taiwan, Xiao Yuan, eine Japanischlehrerin, Nordan, den Französischlehrer aus Toulouse, Yihan, meine Ansprechpartnerin und Deutschlehrerin, mich, die Freiwillige aus Deutschland, Leticia aus Gran Canaria, die Spanischlehrerin, Winton, einen amerikanischstämmigen Englischlehrer (der in unserem Raum sein wollte), „Chica“ aus Japan, und Ralf aus Gräfelfing. (Die Zeichnung ist aus dem Gedächtnis.)
Die Lehrer sind alle relativ jung und total nett. Mir macht es einen Heidenspaß, alle möglichen Sprachen wieder auszugraben oder weiterzulernen und ich fühle mich deshalb richtig wohl. Für mich gibt es ja kaum etwas Schöneres als Sprachen!
Ich besuchte aber auch schon den Unterricht von Yihan. Yihan hat 8 Stunden pro Woche, und Ralf 6. Die Klassen reichen von der 7. – 11., und die Schüler lernen Deutsch ohne Noten, also „zum Spaß“. Also, sie müssen schon eine Fremdsprache lernen, aber sie können sich eben entscheiden, welche. Deswegen ist die Aufgabe der Deutschlehrer, sie den Spaß am Deutschunterricht entdecken zu lassen und auch viel selber machen zu lassen. Es gibt einen Deutschraum, in den die Schüler dann immer kommen. Dieser liegt zwar im selben Gebäude, aber vom 3. Stock aus kommt man da nicht hin. Man muss in den zweiten gehen, denn erst da führt ein Gang „hinüber“. Der Raum befindet sich im 4. Stock. Die Anordnung der Tische lässt gleich ein anderes Unterrichtsklima erwarten: In vier Gruppen stehen sie zusammen. Jungen und Mädchen sitzen i.d.R. nicht an einem Tisch. Jeder Schüler und jede Schülerin bekommt einen deutschen Namen. Manche behalten aber auch ihre englischen. Die Einrichtung ist sehr modern. Es gibt an beiden „Enden“ des Klassenzimmers eine lange Tafel, verschieden bunte Kreide – also alles wie gehabt – aber es gibt auch einen Beamer, einen fest integrierten Computer, Bose-Lautsprecher, und, jetzt kommt der Hammer: ein Whiteboard. Also, ich weiß nicht, ob ihr das kennt, ich kannte es nicht! Das ist so eine Art virtuelle Tafel mit einem „Stift“, der auf dieser Tafel funktioniert – aber direkt mit dem Computer verbunden ist! Also, ähnlich wie das Programm Paint… Man kann auf diesem Whiteboard schreiben, malen, unterstreichen, ausschneiden usw. Aber es ist halt alles in den PC integriert, man kann das „Bild“ auch im PC speichern – aber die Tafel an sich bleibt leer. Es ist halt alles nur darauf projeziert. Der Stift fungiert auch als Mauszeiger! Klar? 🙂 – Meist fing die Stunde damit an, dass ich mich der Klasse vorstellte. Ich sagte immer wieder dasselbe Sprüchlein auf, auf Deutsch und auf Chinesisch: Ich heiße Clara Nonnenkamp, ich bin 18 Jahre alt, ich komme aus Deutschland, München, Bayern, ich habe zwei kleine Schwestern, Thea (17) und Dora (14). Ich glaube, jetzt kennen mich wirklich alle. Dann begann die Fragerunde. Während sie bei den ersten Klassen noch relativ harmlos waren, wie z.B. Warum bist du so schön? (= Warum siehst du so anders aus?) Und: Sind deine Schwestern auch so schön? Und, ob ich einen Freund habe… da wurden sie in der Klasse 11 schon ganz anders begonnen. Die zweite Frage war wirklich, wie ich Hitler fände. Das war ein bisschen überrumpelnd, aber ich denke, ich konnte sie zu MEINER Zufriedenheit beantworten. Eine andere Klasse fragte noch nach meinen Hobbies. Aber nur eine. Ich beantwortete die Fragen meist aus einem Mischmasch aus Chinesisch, Deutsch und Englisch.
Zu Beginn des Deutschlernens war alles sehr phonetiklastig, wie spreche ich diesen Buchstaben aus, wie schreibe ich diesen Buchstaben. Wir sangen zusammen das ABC-Lied, und ich wurde zu noch einigen anderen Phonetik-Übungen konsultiert. Zum Beispiel bekam jeder Gruppentisch Zettelchen mit Abkürzungen, Namen, Städten und Ländern, und ich hatte die gesammelte Liste. Wenn ich nun also ein Wort vorlas, musste jede Gruppe so schnell wie möglich das gesuchte Wort hochhalten. Es gab Punkte, und klar, wer die meisten hatte, hatte gewonnen.
Wenn ich nicht im Unterricht war, dann war ich im Büro, und saß da bis heute an der deutschen Übersetzung von der Schulbroschüre. Ich habe auch ein paar Hausaufgaben korrigiert. Doch heute hab ich meine erste Unterrichtsidee zu Papier gebracht! Yihan ist ab heute mit ein paar sehr guten Deutschschülern verreist, um mit ihnen das Zertifikat vom Goethe-Institut abzunehmen, weswegen Ralf und ich sie vertreten. Ich bin schon total aufgeregt…….. Wie das wohl wird? Ob die Schüler mich verstehen?
Ansonsten gibt es eine Mittagspause von 12 bis um 15h, und ich muss sagen, während der Zeit bin ich schon des Öfteren eingenickt – was mir gut tat! Die dreistöckige Kantine arbeitet mit einem Guthabenkarten-Prinzip, und jedes Essen kostet 5 Yuan. Die Lehrer essen in einem separaten Raum ganz oben, mit echten Stühlen und einem Riesentopf Reis und Suppe. Bei der Essensausgabe kriegt man immer verschiedenes Gemüse wie z.B. so Art eingelegte Gurken, oder gestern, sehr lecker, Kürbisstücke mit Ingwer, oder Linsen, oder Bohnen, oder auch ganz scharfe Peperoni. Dann gibt es meistens noch Fleisch dazu, und wenn man was draufzahlt, kann man auch noch mehr Fleisch bekommen. Die Karte zahlt man vorher an einer anderen Stelle voll. Ich habe 200 Yuan auf der Karte, aber ein Teil davon ist auch noch Pfand. Am Fuße der Treppe zur Mensa gibt es auch noch einen Geldautomaten der Bank of China, wo ich glücklicherweise Geld abheben kann. Ich muss nur Transferkosten bezahlen, jedes Mal, wenn ich das tue.
Aber am Dienstag war ich abends mit den Fremdsprachenlehrern alternativ im Tianwei Dörfchen essen, das ist nur mal kurz über die Straße. Es ist total lecker da! Aber halt alles ein bisschen „greasy“ – ach ja, jetzt fällt mir wieder der deutsche Name ein 😉 „schmierig“. Aber hey- das stärkt ja nur die Abwehrkräfte! 🙂 Das Dorf ist wie gesagt (in einem früheren Eintrag) sehr klein, aber fein 🙂 Die Leute kennen uns schon langsam 🙂
Die ersten Tage habe ich mich ziemlich verlaufen auf diesem riesigen Gelände, aber mittlerweile finde ich mich ganz gut zurecht. Alle sind sehr nett, ich habe das Gefühl, dass die Emotionen nicht so versteckt werden, wie ich gedacht hatte, man sieht häufig auch mal überschwängliche Leute, auch in der Werbung, und das äußert sich gewissermaßen auch in der Kleidung.
Heute hat mich eine Schülerin zum Sportunterricht abgeholt. Eigentlich wollten sie tanzen, aber wir endeten draußen in der prallen Sonne auf dem Schulhof beim Exerzieren. – Gestern habe ich einen Chor proben gehört, und ein Klavier wurde herumgefahren, da werde ich mich glaube ich einmal erkundigen.
Außerdem bin ich heute mit einigen anderen Fremdsprachenlehrern nach Jinzhou gefahren (Taxi, 15 Yuan), dem nächstgrößeren Ort hier, weil Guangzhou ist ja schon wieder ne ganz schöne Ecke weg. Dort waren wir in einer Bar und ich habe Paulaner Weizen gefunden! Und 30 Yuan dafür bezahlt. Aber das war mein Tribut an die Oktoberfestjahreszeit, die gerade ist.
À la prochaine! Wo jiang xie kuaide! Zui hao de wenhou! Hasta luego! See you soon! Zaijian!
Hey Claraleinchen! 🙂
Man, man, man…du schreibst ja echt ganze Romane 😉
Ich hoffe, es geht dir weiterhin gut drüben und du erlebst noch ganz viele andere spannende Dinge!
Ich schicke dir einen ganz lieben Gruß aus München,
Sonja 🙂
Hi Clara,
wow, ganze Romane lieferst du da ab. Klingt aber, als ob die Mischung aus Fremdheit (im Sinne von „daran muss ich mich erstmal gewöhnen, aber dann erweitert es meinen Horizont auch ordentlich“) und Verständlichkeit (im Sinne von „das ist zwar nicht alltäglich, aber ich komme damit zurecht“) eine gute ist.
Whiteboards gibt’s hier auch mehr und mehr (sogar an Schulen in Oberfranken :-)). Die haben halt das Problem aller Verwendung von Technik in der Schulstunde: Man braucht einen Plan B, falls die Technik versagt.
Viele Grüße aus der Topflappenstadt,
Florian