Alltagsdinge aus La Paz zum Schmunzeln

La Paz wurde im Dezember im Internet zu einer der sieben wunderbarsten Staedte der Welt gewaehlt. Die anderen sechs sind: Beirut (Lebanon), Doha (Katar), Durban (Suedafrika), Havanna (Kuba), Kuala Lumpur (Malaysia) und Vigan (Philippinen). Ich stelle mir nun die Frage, wie man wunderbar definiert hat bei diesem Voting. Denn, wenn es darum geht, welche Stadt die interessanteste und besonderste der Welt ist, kann ich verstehen, dass La Paz darunter ist. Wenn es aber um Schoenheit und Entspanntheit geht, weiss ich nicht, ob ich La Paz unter den wunderbarsten sieben zaehlen wuerde.

Elisabeth fasste Bolivien, und damit war im Allgemeinen eher La Paz gemeint, in wenigen Worten zusammen, die meiner Meinung nach sehr zutreffend sind: Das Land der unbegrenzten Unmoeglichkeiten. Hier ist einfach nichts unmoeglich!

Vieles stoesst bei mir auf Unverstaendnis und ab und zu auch auf Empoertheit. Nach knapp sechs Monaten bin ich ein bisschen mehr abgehaertet und vielleicht faellt mir vieles auch schon nicht mehr auf. Aber vieles kann ich bis heute nicht ignorieren oder verstehen.

Es gibt zum Beispiel Personen im Supermarkt, die einzig und allein dafuer zustaendig sind, Brot, Obst und Gemuese zu wiegen. Die stehen da aber oft nicht die ganze Zeit und deswegen irre ich des oefteren durch bolivianische Supermaerkte, auf der Suche nach einen Angestellten, der mir mein Brot wiegt. Ich kann das naemlich nicht selber machen, da keine Liste aushaengt oder eine Nummer an den Obstsorten steht. Ausserdem gibt es sogar Personen (meist Kinder und Jugendliche), die einen den Einkauf direkt in Plastiktueten packen. Sie stehen neben der Kasse und haben ihr eigenes Packsystem (es duerfen unter keinen Umstaenden Kosmetikartikel und Lebensmitteln in einer Plastiktuete sein, und sei es, dass die Seife alleine in eine extra Tuete kommt).

Weiter geht es mit der Polizei. Die Polizei ist eigentlich immer und ueberall anzutreffen. Dabei steht nicht nur eine Person an jeder Ecke und jeder Mauer, sondern mindestens zwei, wenn nicht zwanzig. Was die den ganzen lieben Tag tun, ist mir schleierhaft. Manche haben die ueberaus wichtige Aufgabe, zusammen mit den Ampeln den Verkehr zu regeln. Dabei winken sie unkontrolliert in saemtliche Richtungen und pfeifen mit ihrer Trillerpfeife im Takt dazu. Eine Wirkung hat das Ganze allerdings selten. Doch nicht nur ueberall in der Stadt verstreut, sondern vor allem gebuendelt in den Polizeistationen (die ich waehrend meiner Visumsbeschaffung ausgiebig kennen gelernt habe), tummeln sich Unmengen an Polizisten. Von den vierzig Anwesenden sitzen wenn es hoch kommt zehn an Schreibtischen und drei davon arbeiten. Da ist es kein Wunder, dass man bis zu fuenf Werktage auf ein gestempeltes Dokument warten muss.

Hinzu kommt die Grenzkontrolle, die, man kann es nicht anders sagen, schlichtweg laecherlich ist. Schlimm ist, dass das so stark auffaellt, da man direkt nebenan den Vergleich zu Chile hat. Als wir nach Chile einreisten, mussten wir unser Gepaeck durch Ultraschall geben, wie auf einem Flughafen und es waren Hunde vorhanden. Als wir jedoch wieder zurueck nach Bolivien wollten, war ein Ultraschall nich in Sicht. Stattdessen „kontrollierten“ Bolivianer das Gepaeck, indem sie es abtasteten und einen oberflaechlichen Blick hinein warfen. Drogen gehen ja auch eher aus Bolivien raus, und nicht rein…. Achso, und um das nicht unerwaehnt zu lassen: Bei jeder Ausreise aus Bolivien muss man (das heisst diejenigen, die mein Visum haben) 100 Bolivianos (ca. 12 Euro) bezahlen. Warum? Das weiss keiner so richtig, da die Bolivianer doch eigentlich nicht wollen, dass jemand ins Land reinkommt. Denn Auslaendern wird es immer schwieriger gemacht, ein bolivianisches Visum zu bekommen. Ganz schlimm haben es dabei die Amerikaner erwischt. Die sind hier eher ein Dorn im Auge. Das fuehrt soweit, dass Touristen, die durch Suedamerika reisen, Bolivien auslassen, weil es zu teuer und kompliziert fuer sie ist, ins Land zu gelangen – und diesen Tipp erhalten sie auch von Argentiniern, Chilenen, …. . Das ist wirklich eine Schande, da das Land so viel zu bieten hat und wunderschoen ist.

Die Hauptschuld daran traegt wohl der erste indigene Praesident der Bolivianer: Eva Morales. Es ist nicht nur, dass er unglaubliche 61% bei der letzten Wahl bekam und wie ein kleiner Gott behandelt wird, was ihn fuer mich ein wenig unsympathisch macht. Es ist auch, dass er in unnoetige Sachen investiert, wie zum Beispiel in eine neue Uhr an seinem Regierungsgebaeude, die rueckwaerts laeuft, anstatt Schulen zu restaurieren oder die total kaputten Buergersteige und Strassen zu erneuern. Natuerlich, und das meine ich ernst, tut er auch gute Dinge. Er hat die Wirtschaft angekurbelt, weshalb es Bolivien oekonomisch besser geht und er tut viel, um die indigene Tradition zu erhalten. Vorher wurden die Indigenen ein bisschen unterdrueckt und ihre Sprache zu sprechen galt als unnoetig und schlecht. Jetzt sorgt Evo (wie ihn alle freundschaftlich nennen) dafuer, dass die indigenen Sprachen in der Schule unterrichtet werden. Das geht allerdings zu Lasten von Englisch und anderen Fremdsprachen. Ob das sinnvoll ist…. Ausserdem hat er Kinderarbeit wieder legalisiert, und das, um die Kinder zu schuetzen. Das macht vielleicht Sinn, da die Kinder ohne Legalisierung trotzdem arbeiten wuerden, aber dann ohne irgendwelche Rechte zu haben. Jetzt sind sie wenigstens ein bisschen geschuetzt. Aber ist das der richtige Weg? Kann man Kinderarbeit nicht irgendwie anders bekaempfen?

Ein weiteres sehr grosses Problem in Bolivien ist die hohe Gewalt gegenueber Frauen, Kindern und Jugendliche. Laut einer Umfrage des Observatorio La Paz Cómo Vamos aus dem Jahr 2010, leiden sieben von zehn Frauen an Gewalt. Meist ist es haeusliche Gewalt. In Cochabamba wurden letztes Jahr so viele Frauen vermisst, dass der Notstand ausgerufen wurde. Seit 2013 gibt es jetzt ein Gesetz gegen die Gewalt gegen Frauen, aber bis sich merklich etwas aendert, wird es wohl noch etwas dauern.

Seit 2014 gibt es in LA Paz ein neues oeffentliches Verkehrsmittel: El Teleférico. Das ist eine Seilbahn, die quer ueber die Stadt schwebt. Das ist wirklich toll, da man einen super Ausblick ueber die ganze Stadt hat und somit den katastrophalen Verkehr jedenfalls teilweise umgehen kann. Es ist also nicht nur ein Transportmittel, sondern auch Touristenattraktion. Dabei kann man den Friedhof von oben begutachten und auf die vielen unfertigen, terracotta farbenen Haeuser blicken (die meisten Haeuser in La Paz sind nicht fertig gestellt, weil man dann keine bzw weniger Steuern zahlen muss… was sagt man dazu?). Es ist wirklich schoen zu sehen, wie stolz die Bolivianer auf ihren teleférico sind und als er neu war, gab es quasi kein anderes Gespraechsthema auf der Strasse.

Das Stadtbild von La Paz ist gepraegt von den Cholitas, meist indigene Frauen, die in bunten Rockschichten durch die Strassen von La Paz laufen oder an Strassenecken mit Suessigkeitenstaenden oder anderen Staenden, an denen sie von Kleidung ueber Kosmetik bis zu Elektroartikel alles verkaufen. Meist dabei sind ein bis drei Kindern und auf ihrem Ruecken tragen sie in einem grossen bunten Tuch alles von Baby bishin zum letzten Einkauf.

Zudem ist die Talform von La Paz wohl einzigartig. Von einem Stadtteil kann man das gegenueber liegende betrachten. Das geht besonders gut von unserer Dachterrasse aus. Highlight ist dabei der ueber 6000m hohe Illimani. Ein Berg, der das ganze Jahr ueber eine weisse Kuppe hat und einfach wundervoll von fast ueberall aus zu bewundern ist.

Wenn man sonst durch das Zentrum laeuft, kann man ueber die bunten Maerkte troedeln, auf denen man wirklich alles kaufen kann und der nur so von Cholitas wimmelt. Oder man laeuft durch die Hexengasse, in der man ganz viel magischen Kram kaufen kann (Lamafoeten eingeschlossen). Es ist toll zu sehen, dass gerade in La Paz die vielen indigenen Traditionen erhalten bleiben und neben der Moderne existieren und akzeptiert werden.

Ein Gedanke zu „Alltagsdinge aus La Paz zum Schmunzeln

  1. Liest sich super interessant! Ich wusste nicht, dass es so schwierig ist, ein Touristenvisum für Bolivien zu bekommen, schade…

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