41 Tage bin ich jetzt in Bolivien! Ich weiss das genau, da mein Visum nur 30 Tage gueltig war und ich bereits elf Tage illegal in La Paz verweile. Abgesehen von dem Stress (und das Geld), den (das) mir die Visumsverlaengerung raubt, gefaellt es mir mittlerweile sehr gut hier in der hoechstgelegensten Regierungsstadt der Welt (zwischen 3600m und 4100m).
Anfangs hatte ich Schwierigkeiten, mich in dieser chaotischen, eigenen und fremden Stadt zurecht zu finden. Alles war so schmutzig, laut, Abgas-lastig und eben irgendwie neu. Mit der Hoehe hatte ich fast keine grossen Probleme, ich wurde von meinem Kollegen vom Flughafen abgeholt (obwohl es ein internationaler Flughafen in La Paz ist, aehnelt er eher einem kleinen Privatflughafen – eine kleine Eingangshalle, ein Kofferlaufband, wenige Landebahnen) und mit dem Taxi direkt vor meine Haustuer gebracht. Ich habe die ersten 1,5 Wochen in einer WG mit einem Paerchen, das auch sehr nett war, und zwei Katzen gewohnt. Mein Zimmer war klein, aber gemuetlich mit Blick ueber La Paz und eine hervorragende Dachterrasse gab es auch. Leider musste ich da bis Ende September raus, da die Besitzer einziehen wollten… Nach sehr kurzer Suche habe ich ein Zimmer in einer bolivianischen Familie gefunden, die noch vier andere Zimmer untervermieten. Da fuehle ich mich jetzt sehr wohl, weil es ein Mix aus Familie und WG ist und man morgens das Fruehstuck serviert bekommt. Schnell habe ich mich auch mit einer meiner Mitbewohnerinnen (Amandine, eine Belgierin) angefreundet und ein freies Zimmer an Paul (kulturweit-Freiwilliger) vermittelt. Amandine ist mittlerweile wieder ausgezogen, aber mit Paul ist es sehr amuesant. Die anderen Mitbewohner sind auch nett. Momentan wohnen wir mit einer Norwegerin (redet ziemlich viel) und einer anderen Deutschen (sehr nett) zusammen, aber es herrscht ein staendiger Wechsel in den Zimmern.
La Paz ist eine ziemlich interessante und eigene Stadt. Es herrscht stets ein ziemliches Verkehrchaos, was durch viele taegliche Demonstrationen auf den Hauptstrassen nicht verbessert wird. Das Stadtbild ist gepraegt von vielen indigenen Traditionen, wie zum Beispiel den „Cholitas“ (traditionell gekleidete Frauen mit bunten Roecken und Hut wie der von Charles Chaplin), die an jeder Strassenecke alles Moegliche (von Suessigkeiten ueber Schmuck bishin zu Elektroartikel) verkaufen, oder der sogenannten „Hexengasse“, in der man allerlei magischer Sachen und Lamafoten begutachten kann.
Trotzdem mischen sich auch europaeische Einfluesse mit in die Stadt. Es gibt zum Beispiel viele Hochhaeuser, gemuetliche Bars und europaeische Restaurants. Dort verbringe ich mit den anderen kulturweitlern Elisabeth und Paul und meinen Mitbewohnern oder wer sonst noch so da ist viel Zeit. Wir testen uns durch die verschiedenen Biersorten (meist enttaeuschend) oder die leckeren Cocktails (sehr guenstig) und berichten uns von unseren absurden Tagen. Am Wochenende waren wir auf einem Geburtstag, auf dem wir niemanden kannten (ich kannte nur einen – der, der uns eingeladen hat). Aber wir wurden sofort super herzlich empfangen und kamen mit tausend Leuten ins Gespraech! Paul ist bis heute etwas verstoert, da er der Meinung ist, ein Typ habe waehrend eines Gespraechs seine Hand auf sein Knie gelegt. Ausserdem war am Ende des Abends jeder um gefuehlte zehn Handynummern reicher (drei haben Paul am naechsten Tag gleich angerufen).
Ja, mittlerweile kann ich sogar ohne Probleme die oeffentlichen Verkehrmittel (Minibus oder Micro) benutzen und komme auch da an, wo ich will! Das war anfangs ziemlich kompliziert, da es keine festen Haltestellen gibt und nur Stadtteile als Richtung angegeben werden. Ausserdem muss man einfach nur die Hand raushalten und dann haelt ein Minibus an und man kann einsteigen (manchmal haelt er auch mitten auf der Strasse an, um Leute einzuladen) und um auszusteigen muss man auch nur Bescheid sagen und dann haelt er an der naechsten Ecke – praktisch, aber traegt ziemlich zum allgemeinen Verkehrschaos bei.
Meine Arbeit in der Fundación para el Periodismo von der Deutschen Welle Akademie ist an sich interessant. Die Fundación baut gerade mit Hilfe der Deutschen Welle Akademie und der GIZ eine duale Ausbildung fur Journalisten auf, wobei ich theoretisch mithelfen soll. Leider habe ich bisher keine Aufgaben in dem Bereich erhalten und ich hoffe, dass sich das noch aendern wird. Meine Aufgaben bestehen momenten daraus, durch die Stadt zu ziehen, Fotos zu machen und dazu kleine Nachrichten zu schreiben, die dann (manchmal) auf der Onlinelokalzeitung von der Fundación veroeffentlicht werden sowie meinen Kollegen hier und da zu helfen. Ausserdem schreibe ich eine kleine Minikolumne mit dem Thema „La Paz aus den Augen einer Deutschen“ und mache eine Serie nach dem Motto „Europaer in La Paz“. Eine kleine Geschichte von mir ueber meine erste Fahrt im Minibus wurde sogar von jemandem kommentiert (sie wurde also von Fremden gelesen, was mich zeitweise ziemlich motiviert hat). Meine Kollegen sind auch alle sehr nett und relativ entspannt, wodurch die Arbeit angenehm ist. Desoefteren gehe ich mit meiner Kollegin um die Ecke in einen „Saftladen“, in dem zwei sehr herzliche Frauen frische Saefte machen. Man kann waehlen, welche Frucht man haben moechte und ob man den Saft mit Milch oder Wasser haben will. Ausserdem kennen sie uns jetzt schon und freuen sich umso mehr, wenn wir kommen. Allerdings stoert es mich etwas, von 9 bis 19h taeglich arbeiten zu mussen mit zwei Stunden Mittagspause. Das koennte man schon besser einteilen… Aber diese Arbeitszeiten mit so langer Pause sind hier in Bolivien wohl ueblich, da alle mittags nach Hause fahren.
¡Así es, pues!