All good things come to an end oder: das letzte Kapitel

Mittlerweile bin ich schon seit geraumer Zeit wieder in Deutschland, inzwischen sogar in meiner wunderbaren WG in Bremen.

Trotzdem möchte ich meinen letzten Senf loswerden, um diesem Auslandsblog die abschließende Note zu geben. Der Text entstand am 25. August auf meinem Rückflug von Windhoek nach Frankfurt.


Es ist 06:15 Uhr (03:15 Uhr namibische Zeit) und ich sitze hammer verwirrt und verschlafen im McDonalds an einem der pompösesten und luxuriösesten Flughäfen der Welt: DUBAI!

Und während neben mir die orangene Sonne über den Wolkenkratzern Dubais aufgeht, realisiere ich, dass ich nicht mehr in Namibia bin. Ich bin nicht nur überfordert von meinem Biorhythmus, der sich durch quälende Müdigkeit bemerkbar macht. Auch die Temperatur macht mir zu schaffen: 38 Grad Außentemperatur. Der Flughafen ist überfüllt mit gestressten, beschäftig und wichtig aussehenden Reisenden. Er im Armani-Anzug, sie mit Gucci-Handtäschchen. Es riecht nach penetrantem Luxus. Turbokapitalismus der feinsten Sorte; an jeder Ecke soll Mann bzw. Frau ein Souvenir, ein Parfum, oder doch die Magnum-Schampusflasche kaufen. Es glitzert und blinkt an jeder Ecke, von den Palmen in der großen Shopping-Halle hängen bunte Lichterketten. Ich bin neben der Spur und erlebe das alles wie in einem Film, in dem ich nicht mitspiele. Ich will zurück in mein friedliches Windhoek.


 

Die letzten Tage vergingen viel zu schnell. Wochen war ich damit beschäftigt, hektisch die Kalender-App meines Handys zu öffnen um die Tage akribisch zu planen. Jedes mal endete diese Planung in einem panischen Abzählen der verbliebenen Tage. Es sollte die perfekte letzte Zeit werden, ich wollte nichts verpassen (wie heißt es so schön: Life is what happens while your busy making other plans.). FOMOS haben´s eben nicht leicht im Leben.

Und plötzlich habe ich alles zum letzten Mal gemacht: Zum letzten mal zum Goethe Center gelaufen, um mühsam gelernte Oshivambo-Vokabeln zu stumpfen Sätzen zusammen zu basteln. Zum letzten Mal in meinen Lieblingslokalitäten Jojos und Chobsys ein Windhoek Draught getrunken, zum letzten mal mit meinen Freunden beim Braai abgetanzt, zum letzten mal mit dem Taxifahrer über das Leben in Namibia sinniert (den aller letzten Heiratsantrag lächelnd abgelehnt). Zum letzten Mal die fettigen Finger nach einem ausgiebigen Kapana – und Fatcakeessen abgeschleckt. Und last but not least: zum letzten Mal das prachtvolle Farbenspiel des namibischen Sonnenuntergang hinter unserem Haus genossen. Es ist sonderbar. Ich habe diese ganzen letzten Male so intensiv und bewusst wahrgenommen wie die ersten Male damals im März. Wie schüchtern und überfordert ich doch oft war.


Jetzt ist es also so weit, meine Zeit in Namibia ist vorbei. Die Abschiede von Mensch, Tier und Natur in den vergangenen Tagen waren kräftezehrend und tränenreich. Ich war emotional oft tief zerrissen, habe mich gefreut auf Familie und Freunde zu Hause. Auf mein neues altes Studentenleben in Bremen, auf die vielen tollen Reisen, die auch in Deutschland und in Europa auf mich warten. Habe mich wie ein kleines Kind auf vegetarische, abwechslungsreiche Kost gefreut. Mir schon bildlich ausgemalt, wie ich zum ersten Mal Falafel bei meinem Lieblingsdönermenschen verzehre. Oder auf meinem geliebten alten Fahrrad an der Weser entlang fahre. Ich freue mich auf meine wiedergewonnene Freiheit. Sich im Dunkeln alleine auf der Straße bewegen zu können, nicht mehr in ständiger Vorsicht den Alltag bestreiten zu müssen.

Aber in erster Linie war ich traurig über die Trennung von diesem wunderschönen Land und den vielen Freunden und Bekanntschaften, die ich gemacht habe. Mein Herz wurde mit den fortschreitenden Tagen fühlbar schwerer, mit denen mein Abflug in bedrohliche Nähe rückte. Ich kenne solche finalen Abschiede und weiß, dass sie jedes Mal schmerzen (und nein, ich übertreibe nicht. Schmerz ist hier nicht nur metaphorisch gemeint.)! Ich gewöhne mich nicht daran und vielleicht möchte ich das auch garnicht. Denn: jeder Abschied ist individuell und wichtig für mich (ich kenne Freunde, die vermeiden Abschiede, ich hingegen brauche sie, um mit etwas abschließen zu können. Es fühlt sich sonst unvollendet an.) Ich bin traurig darüber, dass ein spannender, abwechslungsreicher und intensiver Lebensabschnitt vorbei geht. Dass ich Freunde und eine neue Heimat zurück lassen muss. Dass ich weiß, dass ich so schnell mein Leben dort nicht mehr haben werde, dafür ist die Distanz einfach zu groß und das Studentenportemonnaie zu leer.

Untitled

166 Stunden wäre ich mit dem Auto bei einer Strecke von knapp 12.000 km von Bremen nach Windhoek unterwegs.

 

Was bleibt?

Viele, unzählige, kostbare Erinnerungen an diese 5 Monate. Pure Glücksmomente, in denen ich vor Glück schreien wollte. Wo Glück und tiefe Zufriedenheit ihren Höhepunkt erreichten. Jene Momente möchte ich gerne in ein Marmeladenglas packen. Ich werde mein bestes geben, um sie so gut wie möglich zu konservieren, auch wenn ich eigentlich weiß, dass die voranschreitende Zeit mein allergrößter Feind sein wird (Schon jetzt sind einige Erinnerungen an meinen USA- Aufenthalt von 2010 verblasst; vielleicht bin ich deshalb so glücklich darüber, traurig zu sein: jetzt noch spüre ich den Abschiedsschmerz, habe die Melodie meiner namibischen Lieblingslieder im Ohr und den würzig-geräucherten Geruch vom köstlichen Kapanafleisch in der Nase).

Letzten Endes kann ich mich also einfach nur glücklich schätzen, dass ich diese Erfahrung machen durfte. So weit weg von zu Hause eine neue Heimat zu finden, die Gewissheit zu haben, dass man überall auf der Welt unglaubliche Menschen trifft, die einem ans Herz wachsen. Vielleicht auch ein wenig stolz darauf zu sein, dass man so weit weg von der beheimateten und vertrauten westlich-europäischen Kultur eine neue Nische des Glücks gefunden hat. Dass man trotz einiger Stolpersteine, Hindernissen und Enttäuschungen nie den Mut verloren hat. Dass man vielleicht ein bisschen reifer (ich mag diese schwammige Bezeichnung garnicht, leider fällt mir gerade keine Alternative ein) geworden ist, und ein bisschen zufriedener und selbstbewusster.

So bleibt nicht nur ein Stück von mir in Namibia, ich nehme auch ein Teil davon mit nach Hause. Und ich freue mich darauf, zuhause meinen Freunden und Familie von diesem tollen Land und seinen Menschen zu berichten!

Und jetzt?

Ich möchte an alle jungen Menschen da draußen plädieren, auch in die Welt zu ziehen. Über seinen eigenen Schatten zu springen, und viele neue Erfahrungen machen. Man begegnet nicht nur unglaubliche Menschen, sondern lernt auch viel über sich selber. Also LOS. Bewerben geht fix unter http://www.kulturweit.de/de/bewerbung.html

Es LOHNT sich!

 

Ein letztes mal:

Eure Sophia

 

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