Jetzt geht´s zack auf zack. Je näher mein Abreisedatum rückt, desto verzweifelter versuche ich, die Zeit anzuhalten. Vielleicht klappt es ja, indem ich mehr blogge und euch von meinem Leben in Windhoek berichte.
In zwei Wochen sitze ich mit meiner Familie schon wieder am Frühstückstisch im behüteten Saarland. Diese Vorstellung ist für mich momentan noch recht utopisch. Dass sie bald Realität wird, verdränge ich häufig.
Ich arbeite jetzt im Nationaltheater Namibias, kurz NTN. Dort bin ich seit Anfang Juli untergekommen und ich muss zugeben, das Arbeitsumfeld sowie die alltäglichen Tätigkeiten sagen mir bei weitem mehr zu als die der NatCom. Im Ministerium ist alles ziemlich formell und hierarchische Strukturen bestimmen den Alltag. (Yes, Sir, Thank you so much. I really appreciate it. Etc.). Außerdem habe ich ziemlich rasch festgestellt, das die Arbeitsprozesse langwierige Angelegenheiten sind. Impulsive Projektideen ersticken da leider oft im Keim. Als meine Chefin mir Ende Juni dann verriet, dass ich meine restliche Zeit im Theater verbringen würde, konnte ich mir ein fettes Grinsen nicht verkneifen.
Das Nationaltheater in Namibia existiert seit den 1960er Jahren. Es ist das größte Theater im Land. Was ich besonders spannend finde: das NTN produziert sowohl eigene Programme und bietet gleichzeitig genügend Kapazität für Veranstaltungen von externen Klienten.
Vor einigen Wochen fand ein riesiger Wettbewerb zwischen zig namibischen Schulchören statt. Ich kann eigentlich schon von Glück sprechen, dass ich an besagtem Samstag arbeiten durfte. Hauptaufgabe bestand darin, mit der restlichen Crew des NTNs backstage dafür zu sorgen, dass die knapp 900 Schülerinnen und Schüler ihren Einsatz nicht verpassen.
Dieser Tag hat es in sich. Schlappe 12 Stunden verbringe ich damit, Treppen hoch und runter zu hechten. Hinter Kindern und Jugendlichen schwitzend her zu rennen um ihnen den richtigen Weg zu zeigen und generell dafür zu sorgen, dass der Auftritt der knapp 20 Chöre reibungslos über die Bühne geht. Meine Nerven werden an diesem Tag so einige male strapaziert (insbesondere dann, wenn die jüngeren Mitstreiter_innen ihre Aufregung und Nervosität nicht unter Kontrolle haben). Die teilnehmenden Schulchöre haben sich eine lange Zeit auf diesen Tag vorbereitet, sie erscheinen in unterschiedlichen, einheitlichen (oft traditionellen) Outfits. Gesungen wird auf englisch, oshivambo und otjiherero.
Trotz des Stresses war dieser Samstag ein sehr spannender Tag für mich. Ich sehe und spüre, mit welcher intensiven, prickelnden Freude und beeindruckender Professionalität die Kinder und Jugendlichen singen. Musik und Tanz haben in Namibia einen viel höheren Stellenwert als in Deutschland. Es wird andauernd getanzt. In Bars, bei Konzerten, im Theater, auf der Straße. Und zwar nicht schüchtern-zurückhaltend, wie in vielen deutschen Clubs.
Wo deutsche Schulkinder zum Musikunterricht womöglich noch animiert werden müssen, wachsen namibische Kinder mit Musik und Tanz auf. Vor allem in den villages wird zu jeder Gelegenheit getanzt. Beim Anblick der vielen glücklichen Gesichter musste ich erst mal darüber nachdenken, ob und inwiefern Schulkinder in Deutschland musizieren und tanzen. Ich denke da eher an seriöse und verbissene, viel zu teure Klavier- und Geigestunden. Sponsored by Helikopter parents. Meine Schulzeit liegt schon ein Stück zurück, aber dass meine Freunde und ich eine Pause tanzend auf dem Schulhof verbracht haben, erscheint mir höchst unwahrscheinlich.
Das Highlight des Abends ist die Verkündung der Gewinner des Wettbewerbes. Jeweils ein Chor aus den verschiedenen Altersstufen (Primary School, Secondary School und High School) gewinnt einen Preis in Form einer ansehnlichen Geldsumme. Da die vielen Teilnehmer nicht gleichzeitig auf die Bühne passen, findet die Preisverleihung backstage, im Hinterhof des Theaters statt. Meine Kollegin Desirée und ich zögern die Verkündung gekonnt heraus (Dieter Bohlen lässt grüßen) und posaunen dann die Namen der Gewinner durchs Mikrofon. Die Jubelschreie sind ohrenbetäubend laut. Aber was am schönsten ist: alle kids, ob Gewinner oder Verlierer des Wettbewerbes, freuen sich miteinander. Die Stimmung verzaubert alle. Abschließend singen alle Kinder ein paar Lieder zusammen, es bilden sich kleine Grüppchen, in denen Jungs und Mädels ihre traditionellen Tänze aufführen. Ich stehe mit meinen Kollegen auf einem kleinen Plateau und komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Das Glück und die Freude sind ansteckend, schon bald tanzen und singen wir alle gemeinsam im Hinterhof.
Die Khomas Regional Choir Competition ist ein gutes Beispiel dafür, wie in Windhoek gerade etwas ziemlich spannendes und schönes entsteht. Ich spreche von einer (europäisch angehauchten (?), aber internationalen) Kulturlandschaft, die vielleicht im Ansatz vergleichbar ist mit der einer mittelgroßen europäischen Stadt. Seit meiner Ankunft im März hat sich einiges bewegt in Windhoek. Neue Bars und Clubs haben geöffnet. Solche, in denen in jeder anderen deutsche Stadt die Hipster ihre laktosefreien Cappuccinos schlürfen würden. Aber Windhoek ist (noch?) Hipster-freie Zone. Es werden Poetry-slams, Konzerte, Comedy Shows, Fotoausstellungen und Filmabende veranstaltet. Der Eintritt dazu ist oft kostenlos. Unter das Publikum mischen sich viele junge, talentierte, internationale Künstler. Unsere Nachbarn, Studenten am College of the Arts, sind ambitionierten Musiker und Schauspieler. Letzten Dienstag erst haben sie in der Mittagspause ein einstündiges Konzert in den Räumen der Theatre School veranstaltet. Mit verschiedene Musikperformances, Monologen und kleinen Theaterstücken. Windhoek ist klein, da kennt eigentlich jeder jeden. Dass die meisten Künstler aber miteinander befreundet sind und sich in ihrer Arbeit unterstützen ist vielleicht nicht ganz so selbstverständlich. Die Motivation und der große Ehrgeiz, etwas zu kreieren und diese Stadt zu bewegen beeindruckt mich (wie sagte ein befreundeter DJ letztens zu mir: Windhoek is the perfect place to make a lot of noise!).
Windhoek, du blickst einer aufregenden Zukunft entgegen. Viel entsteht und bewegt sich und ich bin gespannt, wie du dich bis zu unserem nächsten Treffen verändert haben wirst.
Es folgen ein paar Bilder aus den vergangenen wunderbaren Wochen.

Als ich in Ongwediva (einer Kleinstadt im Norden des Landes) einen Freund besuchen gehe, treffen wir auf dem Weg zu seinem village diese Kinder. Sie warten gerade auf ihre Lehrerin.





















