Namibia, ich möchte Dir eine Liebeserklärung machen. Ich kenne dich zwar erst seit knapp zwei Monaten und dennoch habe ich mich schon jetzt in deine unglaublich faszinierende Natur, die vielen Kulturen und in deine Einwohner verliebt. Vielleicht rührt dieser benebelte Zustand daher, dass ich Namibia in der letzten Woche wieder ein Stück mehr kennen lernen durfte. Mal wieder on the road, diesmal sogar mit meiner allerliebsten Schwester Anna-Katharina.
Aber eins nach dem anderen. Dem Besuch meiner großen Schwester habe ich schon lange entgegen gefiebert. Es wurden eifrig Pläne geschmiedet, nach geeigneten Autovermietungen und günstigen Campingplätzen gesucht. Mitreisende gesucht und gefunden. Wir wollen nach einem kurzen Stop in Swakopmund nach Sossuvlei- nach Aussagen von mehreren locals DAS Reiseziel Nummer eins in Namibia.
Nachdem wir endlich unseren Wagen bei der Autovermietung abgeholt haben, traut sich Anna zuerst ans Steuer. Super, sie will alles in ihrem kurzen Aufenthalt hier mitnehmen. You go girl! Nun, man fährt hier nicht nur auf der linken Straßenseite. Nein, unser Auto ist ein riesiger 4×4 Toyota vollbepackt mit Campingequipment- der Kühlschrank ist im Kofferraum mit dabei. Als Anna nach ein paar Minuten der Fahreingewöhnung auf der falschen Seite in eine Straße reinfährt und uns die Autofahrerin im entgegenkommenden Wagen anschaut, als ob wir lebensmüde Touris seien, da weiß ich schon: das wird ein aufregendes kleines Abenteuer :D!
Wir lassen Windhoek hinter uns. Die Stadt ist heute aufgrund des bevorstehenden verlängerten Wochenendes besonders überfüllt, Menschen stehen an Bankautomaten in langen Schlangen um Geld abzuheben. Ende des Monats heißt hier vor allem eins: Zahltag. Taxifahrer hupen genervt, Kids winken uns am Straßenrand zu. Alle wollen raus aus dem Getümmel. Auch ich freue mich, diesem chaotischen Trubel für ein paar Tage entkommen zu können. Mein Smartphone schalte ich guten Gewissens aus, das Guthaben ist sowieso aufgebraucht. Meine beiden Mitbewohner André und Markus suchen den ultimativen Abenteuerkick und entscheiden sich für ihr neu gekauftes Motorrad als Transportmittel. Wir sind ein wenig skeptisch, ob sie das Ziel ohne weitere Rückschläge erreichen werden. Freunde berichten uns, dass die Straßen nach Sossusvlei zum Teil schon für Autos sehr schwer befahrbar sind. Sie sollten Recht behalten.

Obligatorischer Roadtrip-Selfie

Sonnenuntergang im Auto.
Langsam lichtet sich der Verkehr, wieder einmal komme ich in den Genuss der namibischen Landschaft. Berge, Hügel, grüne Savanne, so weit das Auge reicht. Ein Affe grüßt uns zum Abschied am Straßenrand. Mitgebrachte Musik brummt aus der Anlage des Autos und stimmt uns Camper in die richtige Roadtripstimmung. Essen ist zum Glück auch genug da. Der Sonnenuntergang zeigt sich mal wieder von seiner aller schönsten Seite, ich werde nicht müde, immer und immer wieder dieses besondere Farbenspiel zu beobachten. Nach ungefähr 5 Stunden und 362 km erreichen wir Swakopmund, das 48.800 Einwohnerstädtchen im Westen Namibias. Es ist schon pechschwarz draußen (die Sonne verabschiedet sich mittlerweile schon um 17:30Uhr). Es ist erstaunlich kühl draußen sodass wir uns alle sofort eine lange Jacke überwerfen müssen. Ich bin ein wenig irritiert über den plötzlichen Temperaturwechsel. Ich glaube, das erste mal in knapp 2 Monaten wieder mal so richtig zu frieren. Wie schnell man dieses unangenehme Gefühl von Gänsehaut und Zittern vergisst! Heute Abend schlafen wir im Haus der Familie von Melkies, er ist in Swakop aufgewachsen. Sein Familie wohnt in einem zentral gelegenen Haus, ein Kindergarten befindet sich ebenfalls in dem recht großen Komplex. Wir sind alle froh, endlich ins Warme zu gelangen. Mal wieder bin ich erstaunt über die selbstverständliche Gastfreundlichkeit, mit der mir die Namibier hier begegnen. Dass sich vier fremde Menschen einfach für zwei Tage in dem Haus einnisten, scheint keinen der Familienangehörigen im Geringsten zu jucken. Vielmehr werden wir mit offenen Armen und großer Neugier empfangen. Wir sollen uns einfach einen Schlafplatz in ihrem großen Haus suchen. Schon geschehen.
Der nächste Tag beginnt mit einem ausgiebigen Frühstück. Eier, Bacon, Kaffee und Müsli macht müde Männer und Frauen munter und liefert genügend Power für den Tag. Wir wollen heute schließlich Extremsport treiben und mit einem Board todesmutig die größten Dünen der Welt runterbrettern. Wenn sich das mal nicht nach Spaß und Adrenalin hoch 10 anhört! Da müssen schon mal zwei Dutzend Eier herhalten.

Eggs for the Crew!
Gestärkt vom Protein- und Fettfrühstück schwingen wir uns in unser Auto, dass ich im Laufe der Tage wirklich sehr lieb gewinne. Es ist schließlich Küche, Schlafzimmer, Chillzone und Transportmittel in einem. Ein multifunktionales Wundermobil sozusagen. Pali heißt unser Sandboarding Lehrer für den heutigen Tag. Er ist ein Kumpel von Melkies und soll uns im Zentrum Swakopmunds abholen. Vereinbart ist, dass wir um 12 Uhr Richtung Sanddünen rollen. Aber wie das eben so ist hier, verzögert sich das ganze um eine gute dreiviertel Stunde. Ich nutze die Gelegenheit, um mich umzuschauen in diesem schnuckeligen Örtchen. Obwohl nur noch 5% der Einwohner Swakopmunds Deutsche sind, ist der Einfluss auf das Stadtbild nicht zu übersehen. Ich erblicke Bäckereien und deutsche Schriftzüge an jeder Straßenecke. Das Klima unterstützt das Klischee der “deutschesten Stadt Namibias“. Der Himmel ist wolkenverhangen und ich suche verzweifelt nach meiner besten Freundin Sonne. Sie lässt mich doch sonst nie im Stich! Dann kommt Pali in einem Taxi angedüst. Geht´s denn schon los? Wir folgen ihm, im Schlepptau mit André und Markus auf ihrem bike. Als wir den Atlantik erreichen, erblicke ich zum ersten Mal diese riesigen Sanddünen der Namibwüste. Dass diese direkt bis an die Küste reichen, ist weltweit ziemlich einzigartig (in Chile gibt es ebenfalls eine Küstenwüste). Auf der linken Seite sehe ich trockene Dünen und Wüste. Auf der rechten Seite das krasse Gegenteil dessen: erfrischend-kalter Atlantik. Ein wenig verwirrend und inkompatibel wirkt die Koexistenz dieser beiden Naturgestalten. Aber wunderschön ist der Anblick allemal. Als wir nach 20 Minuten Autofahrt (natürlich begleitet von unserer besten Roadtrip-Charts-Mucke) den Ausgangspunkt für das heutige Experiment Sandboarding erreichen, klart der Himmel auch schon auf. Dass es noch richtig warm werden würde, wollte ich am Morgen Melkies kaum glauben. Pali verteilt etliche Boards (ich glaube, es sind tatsächlich Snowboards) und fette Boots auf dem Sandboden. What size are you? Dann heißt es Schuhe anziehen, eincremen, Board schnappen und los geht’s mit der schweißtreibenden Angelegenheit namens Dünenbesteigung. Wir stapfen immer höher und sollen dabei in die Fußabdrücke des Vorgängers treten. Zu viele Sandspuren verlangsamen die Sandboardingsause. Schweißperlen bilden sich jetzt schon auf meiner Stirn, die Boots wiegen gefühlt 5 kg pro Fuß. Als wir oben angekommen sind, kann ich den eifrigen Anweisungen von Pali leider nicht allzu viel Aufmerksamkeit schenken. Der Anblick ist einfach zu faszinierend: Meer und Wüste auf einen Schlag, dazu der leichte Nebel und die vorbeiziehenden Wolken. Und immer wieder: diese unendliche Weiten. Einige Wortfetzen wie “Stay in your knees“ und “don´t be scared of the speed“ dringen gerade noch so zu mir durch. Vielleicht hätte ich besser aufpassen sollen, denn bei der ersten Abfahrt schon komme ich aus dem Gleichgewicht und krache mit vollem Kachacho auf den Allerwertesten. Dass beim Sandboarden keine größere Verletzungsgefahr besteht, würde ich nach dem heutigen Tag nicht unterschreiben.


Funktioniert wie Snowboarding, allerdings ein wenig langsamer
Die nächsten Stunden gestalten sich abwechselnd mit schweißtreibenden Aufstieg und sekundenschnellen adrenalingeladenen Abfahrten. Wir haben alle enorm viel Spaß und genießen unseren ersten Urlaubstag. Diverse lustig aussehende Stürze erhöhen den Funfactor. Nach diesem sportlichen Auspowern suchen wir mal wieder einen Supermarkt auf (Einkaufen, Geld abheben und Warten gehören definitiv zu den Top 3 Aktivitäten während unseres Trips!). Wir müssen uns schließlich noch mit Nahrungsmitteln (beste Kombination: Biltong und Bier) ausstatten, wenn wir die nächsten 48 Stunden in der Wüste überleben wollen. Am darauf folgenden Tag brechen wir für unsere Verhältnisse sehr früh auf und machen uns mit voll bepacktem Auto auf den Weg. Anna, meine Heldin, setzt sich wieder selbstverständlich hinters Lenkgrad. Die Musik wird aufgedreht, Wildnis, wir kommen.
Nach ein paar Kilometern dann enden die geteerten Straßen abrupt. Ohne ein Warnschild, nichts. Wir befinden uns jetzt auf den sogenannten „pads“, den Schotterstraßen Namibias. Die Natur wird hier immer trockener, schon sehr bald steigen auch die Temperaturen im Auto und wir müssen uns aus unserem Zwiebellook befreien. Die 400 km nach Sossusvlei könnten sich abwechslungsreicher kaum gestalten. Ich habe das Gefühl, ich durchquere unterschiedliche Länder, vielleicht sogar Kontinente in dieser Zeit. Mal ist es staubtrocken und flach, dann sehen wir große Berge, Steinlandschaften, grüne Bäume und Oasen. Zebras, Wildpferde und Strauße rennen mit unserem Toyota um die Wette. Die unendliche Weite erschlägt mich (mal wieder); den bedrohlichen Gedanken, dass unser Auto oder das Motorrad eine Panne haben könnten, verdränge ich lieber. In dieser erdrückenden Hitze und Einsamkeit möchte ich nicht gerne auf mich alleine gestellt sein, Handys haben hier kein Empfang.

Die sogenannte „Mondlanschaft“ im Swakoptal entstand wahrscheinlich durch einen Vulkanausbruch oder große Bodenerosionen. Vegetation ist in dieser steinigen Natur kaum möglich. http://de.wikipedia.org/wiki/Mondlandschaft

Umso mehr freut sich die Reisecrew, als wir endlich unseren Campingplatz (der mit Abstand der sauberste und schönste ist, den ich je gesehen habe) zum Sonnenuntergang erreichen. Das erste kalte Bier aus dem Autokühlschrank schmeckt köstlich. Den Abend verbringen wir mit Zelte ausklappen (wir schlafen auf dem Dach des Autos und müssen die Zelte nur aus ihrer praktischen Vorrichtung pellen), Fleisch marinieren, Salat schnippeln, Feuer machen und natürlich: den Sternenhimmel genießen. Ab und zu traut sich ein Springbock oder Schakal ganz nah an unser Domizil ran. Es ist ein ziemlich entspannter-lustiger Abend in wunderbarer Gesellschaft. Ich bin verdammt glücklich.
Um diesen Blogeintrag nicht exorbitant in die Länge steigen zu lassen (die Versuchung ist groß) fasse ich die nächsten Tage mal knackig zusammen:
Rote Dünen, knallblauer Himmel, weißer Salzboden und schwarze jahrhundertalte, tote Bäume bieten ein surreales Panorama in Sossusvlei – eine Farbenspiel, das kontrastreicher kaum sein könnte. Wir besteigen hochmotiviert eine Düne und genießen den Ausblick auf die faszinierende Umgebung, ich wünsche mir eine 360 Grad Drehvorrichtung am Kopf. Hier schafft die Natur, was nicht mal das beste Bildbearbeitungsprogramm von Apple kann. Ich fühle mich tatsächlich so, als hätte uns jemand in die Kulisse reinbearbeitet. Meine Lippen schmecken salzig, es ist unglaublich trocken hier. Als wir den Sonnenuntergang am letzten Abend auf einer Düne bestaunen, stellt sich ein wenig Resignation unter uns Reisenden ein. Ein passender Moment, um die letzten Tage Revue passieren zu lassen oder aber auch diesen kostbaren Augenblick (links Sonnenuntergang, rechts aufsteigender Vollmond) in vollen Zügen inhalieren zu können und dankbar zu sein, dies erleben zu dürfen. Jeder ist mit sich selbst beschäftigt und sucht sich seinen Platz auf dem Dünenhang. Ich nehme mir Zeit, um alles staubsaugermäßig aufzusaugen und frage mich, was in meinem Kopf von diesen Momenten bleibt. Ich kann diese vollkommene Schönheit, diese friedliche innere Ruhe und Zufriedenheit, das Gefühl des samtweichen Sandes in meinen Fingern wahrscheinlich nicht für ewig abspeichern, dafür fehlt die mentale Kapazität. Ein Trip, ein AHA-Moment, ein Event jagt den/das andere. Immer mehr Input fürs Hirn. Ich könnte auch einen ganzen Bericht darüber schreiben, wie sich das individuelle Gefühl für die Natur hier verändert, wie klein und unbedeutend man sich plötzlich in dieser wuchtigen Weite vorkommt. Aber das würden nun wirklich den Rahmen sprengen.

Die letzten Stunden in der Freiheit sind gezählt: noch einmal den unglaublichen Sonnenuntergang genießen.

Ich reise mit der Hoffnung ab, in diese friedvollen Gedanken flüchten zu können, wenn die hupenden Taxen, grölenden Menschen und verstopften Straßen Windhoeks mich mal wieder an den Rand meiner Geduld bringt.
Liebe Leute, ich entschuldige mich für diesen ausführlichen Reisebericht. Wer es bis zum Ende geschafft hat wird aber mal wieder mit ein paar Bildern belohnt (zum Vergrößern immer schön aufs Bild klicken!).
Thanks to my travel family, I had an awesome time with you <3!
P.S.: Ich habe mir fest vorgenommen, den nächsten Eintrag meinem Alltag hier zu widmen. Denn auch da passiert so ziemlich viel (als Spoiler vorweg: die traditionelle Delikatesse Mopanewürmer schmeckt wie aufgeweichte Chips).
Sophia

In Swakopmund herrscht überwiegend ein mildes Küstenklima. Vor allem am Morgen kommt es immer zu dichter Nebelbildung, bedingt durch den aus der Antarktis fließenden Bengualastrom.

Einmal anschubsen und ab geht die Post!

Exhausted but happy

Links Wüste, rechts Atlantik.

Family Dinner

Blick auf Walvis Bay, einer Stadtgemeinde in der Erongo-Region. Die Stadt zählt zu den bedeutendsten Seehafen Namibias.









„Der Begriff Pad (Afrikaans für Straße) bezeichnet in Namibia jegliche Art von Straße unabhängig vom Belag. So gibt es z.B. „Teerpads“, aber auch „Sand-“ und „Salzpads“.“ http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Straßen_in_Namibia

Der südliche Wendekreis (bzw. der südlichste Breitengrad), auch bekannt als „Wendekreis des Steinbocks“ durchläuft neben dem Indischen Ozean, Südamerika, Australien (u.a.) auch Namibia.

Dieses Auto haben wir auf unserem Weg nach Sossusvlei am Straßenrand gefunden. Es muss dort schon einige Tage gelegen haben.

The lovely Campsite.










Die Namibwüste ist mit rund 80 Mil. Jahren eine der ältesten Wüsten der Welt, gleichzeitig einer der unwirtschaftlichsten Orte der Erde. Tagsüber können die Temperaturen über 50 Grad steigen während man nachts bei unter 0 Grad friert.

Sossusvlei befindet sich im Namib-Naukluft Nationalpark- der Name bedeutet übersetzt so viel wie „aussichtsloser Sumpf“ („Sossus“ bedeutet auf Nama „kein Zurückkommen“ und „Vlei“ ist die Bezeichnung auf Afrikaans für „Sumpf“).

Sossusvlei besteht aus mehreren Ton- und Salzpfannen und erstreckt sich auf ein 32.000 Quadratkilometer großes Areal zwischen dem Koichab und dem Kuiseb Fluss. Die rote Farbe der Dünen entsteht durch den hohen Eisengehalt im Sand. Die Dünen gehören zu den größten der Welt (viele sind über 200 Meter hoch). Trotz der extremen Trockenheit können viele Tiere (Schakale bspw.) und Pflanzen hier überleben, der morgendliche Nebel ist dabei die wichtigste Quelle von Wasser.

1. Schweißtreibender Aufstieg.

2. Wunderschönen Ausblick genießen.

3. Der beste Part: Dünen runterrennen.

Diese Bäume waren einst lebendige Akazienbäume. Sie sind nun ausgestorben und verrotten in Zeitlupe.

Erinnert an Tapete: der salzige, trockene Boden. Es kann zu jahrelangen Trockenperioden kommen.






