Neue Woche, neues Projekt. Diesmal: Die Woche der Deutschen Sprache. Mittendrin: ich. Und: eine lustige Entdeckung. Aber erst mal von vorne…
Meine Gastschwester ist am Donnerstag für eine Woche nach Polen gefahren, um dort mit einigen Schülern und Lehrerinnen ein Projekt über die Kinder des zweiten Weltkriegs durchzuführen. Das bedeutete für mich, dass ich zuhause für eine Woche eben kein Deutsch sprechen würde und mir anders helfen müsse. Über die möglichen Sprachbarrieren habe ich ja bereits berichtet…
Am Wochenende hatte ich somit Zeit ohne Ende, denn ich hatte nichts vor und das Wetter war ziemlich schön. So machte ich mich auf den Weg, um noch einmal bei strahlendem Sonnenschein und warmen Temperaturen einmal meine neue Wahlheimat zu fotografieren. Nachdem ich mit meiner ausgiebigen Erkundungstour fertig war, habe ich mein Projekt für die kommende Woche weitergemacht. In der Schule bot ich an, zu allen möglichen Dingen in Deutschland Präsentationen vorzubereiten. Dieser Vorschlag wurde dankend angenommen und so verbrachte ich quasi den Rest des Wochenendes am Computer. Themen waren unter anderem „Der Tag der Deutschen Einheit“ und „Deutsche Musik“.
Am Sonntag brachte meine Gastmutter aus der Kirche zwei Freunde zum Mittagessen mit. Es stellte sich schnell raus, dass ich doch nicht ganz so verloren war, mit den gefühlt drei Worten die ich bis jetzt auf Ukrainisch kann. Zu meiner Überraschung sprach nämlich einer der Gäste deutsch. Er ging vor dreißig Jahren selbst auf die Schule, an der ich auch bin und konnte noch erstaunlich viel. Dabei behauptete er, dass er seitdem eigentlich nie wieder Deutsch gesprochen hat. Wieder einmal gab es zum Essen etwas durchaus Bekanntes: Lasagne (aber nicht mit Hackfleisch-Tomatensoße, sondern mit Spinat und Hühnchen) und eine Art Tiramisu als Nachspeise. Zum ersten Mal kam ich hier auch in den Genuss, ukrainisches Bier zu probieren. Naja, also das eine war ein Radler der Firma Carlsberg und das andere richtige Bier kam aus Polen. Also noch wars nix, mit wirklich ukrainischem Bier…
Die Woche in der Schule war ziemlich anstrengend. Zum ersten Mal war ich nicht mehr nur jemand, der aus der hintersten Ecke des Klassenzimmers beobachtet, sondern der Mittelpunkt. Pro Tag hatte ich zwischen zwei und drei Präsentationen, die unterschiedlich lang dauerten und von mir noch während des Vortrags etwas an die Klasse angepasst werden mussten. Die unteren Jahrgangsstufen kennen einfach doch noch nicht so viele schwierige Worte oder Ausdrücke, wie es die „alten Hasen“ tun. Dafür sind sie wesentlich leichter zu begeistern. Gerade die achten Klassen waren ziemlich froh um die Abwechslung, die ich ihnen bieten konnte. Bei der elften Klasse machte sich doch eher Langeweile und Desinteresse breit. Irgendwie kann ich das ja verstehen, aber andererseits war es schon oft enttäuschend, denn ich hatte mir durchaus ziemlich viel Arbeit gemacht.
Besonders schön war es dann wiederum, als einige Schüler am Schluss der Präsentationen zu mir kamen, sich bedankten, noch einmal Fragen stellten und unbedingt noch einmal die Interpreten und Songtitel aus der Musik-Präsentation im Handy speichern wollten. Auch den Lehrern war die Dankbarkeit anzumerken. Informationen über Deutschland von einer Deutschen waren hier wirklich etwas Besonderes. Und so konnte ich einige Vorurteile vielleicht nicht ganz aus den Köpfen löschen, aber zumindest klarstellen, was mein Umfeld zuhause und ich darüber denken.
Neue Erfahrungen die ich mit den Präsentationen gemacht haben waren unter anderem, dass die ukrainischen Schüler zwar neidisch waren, auf die viele Freizeit, die Jugendliche in Deutschland vielleicht haben. Aber gleichzeitig wollten sie auch nicht tauschen, denn die Abfragen, die es in Bayern einfach in fast jedem Fach zu Beginn jeder Stunde gibt, sind doch irgendwie uncool.
Die meisten Feiertage die wir in Deutschland feiern, gibt es auch in der Ukraine. Teilweise nur in etwas abgeänderter Form. Den Osterhasen kennt man hier überhaupt nicht, Eier färben und bemalen ist hingegen ganz normal. Weihnachten wird in den meisten Familien erst am siebten Januar gefeiert und Geschenke gibt es zum Nikolaustag.
Über den Tag der Deutschen Einheit wissen die älteren Schüler immerhin, dass das irgendwas mit BRD und DDR zu tun hat. Aber wenn man genauer nachfragt wird klar, dass den Schülern nicht ganz klar ist, was diese vermeintlich wirren Buchstaben eigentlich bedeuten.
Beim Thema „Deutsche Musik“ habe ich versucht, möglichst viele Facetten aufzuzählen. Eingegangen bin ich dabei auf Volksmusik (mit wunderbaren Beispielen von den Wildecker Herzbuben und Andreas Gabalier), Schlager (ganz klar – hier darf Helene Fischer nicht fehlen!!), Partymusik, HipHop und Pop-Rock-Musik. Hier war die Begeisterung der Schüler für das Thema am deutlichsten zu spüren. Viele ließen nebenher die App Shazam laufen, um die Songs gleich speichern zu können. Andere sind nach dem Vortrag ganz aufgeregt auf mich zugestürmt und haben gefragt, ob ich noch mal schnell sagen könne, wie denn die Schlagersängerin hieß und was die Titel der von mir vorgestellten Partymusik waren.
Die Woche hat mir, trotz aller Anstrengung und manchen Momenten von Demotivation durch die Oberstufenschüler, doch viel Spaß gemacht. Die meisten waren ja doch interessiert und gierig, Wissen aus erster Hand zu erfahren.
Freitagmorgen war es dann auch zuhause wieder möglich, mich auf Deutsch zu verständigen. Wobei ich zugeben muss, dass die stundenlangen Unterhaltungen mit meinem Gastvater auf Englisch nicht nur lustig und unterhaltsam, sondern auch wirklich spannend waren. Auch mit meiner Gastmutter war Kommunikation möglich, meistens aber über unseren guten Freund, den Google Übersetzer. Zurück zu Freitag in der Früh um acht Uhr: Müde und kaputt kam meine Gastschwester nach ca. 12 Stunden Busfahrt zur Tür herein. Nachdem sie ihren Koffer teilweise ausgepackt, ihre kleinen Mitbringsel verteilt (für mich gab es eine Packung Tee über die ich mich sehr gefreut habe :)) und wir gemeinsam gefrühstückt haben, ging es bald für mich Richtung Schule und für sie ins Bett. Den ganzen Tag war ich wieder mehr oder weniger allein – der Kater leistet mir im Gegenzug für Streicheleinheiten gerne immer Gesellschaft – und bereitete noch die Präsentation für Samstag vor. Erst spät am Abend kamen meine Gasteltern von der Arbeit heim und meine Gastschwester aus ihrem Zimmer heraus. Irgendwie war es aber wohl anstrengend, auf Deutsch zu reden und zu denken, deswegen war hier die Kommunikation etwas eingeschränkt und wir quatschten nur, wenn es nötig war. Den restlichen Abend verbrachten wir eben schweigend vor dem Computer.
Schon am nächsten Tag war das natürlich besser. Ausgeschlafen und – wie soll es auch anders sein – voller Motivation ging es am Samstag in die Schule. Von den Lehrerinnen, die in Polen waren, ließ ich mir ausführlich berichten, was sie so erlebt haben. Da auch ich während ihrer Abwesenheit nicht untätig war, durfte ich mir einiges an Lob für meine Arbeiten anhören, was ziemlich guttat. Denn die Schüler waren über ausführliche Berichte zum Thema „Umweltschutz“ eher wenig erfreut. Vor allem weil ich angekündigt habe, dass auf das zweiseitige Arbeitsblatt leider nicht alles an Infos drauf gepasst hat und man sich eben alles Weitere von Hand notieren solle. Aber wer geht schon gern samstags in die Schule und hat nach drei Stunden Einzelarbeit noch Lust auf einen Vortrag über ein so abstraktes Thema?
Ja, über die „Woche der Deutschen Sprache“ habe ich nun berichtet. Auch über mich, mitten in diesem Projekt. Wer aufmerksam gelesen hat, wird bemerkt haben, dass nun noch die lustige Entdeckung fehlt, die ich am Anfang erwähnt habe.
Irgendwie drehen sich die Gespräche hier immer wieder ums Essen. Klar, wirklich ein wichtiger Punkt! Und Schokolade ist hier ein sehr, sehr wichtiger Bestandteil – ständig gibt es irgendwo Pralinen, Schokolade pur, Torten oder andere leckere Naschereien, die damit zu tun haben. In größeren Städten kann man kaum fünf Minuten irgendwo herumlaufen, ohne nicht an mindestens einem Pralinengeschäft vorbeizukommen. Als ich dann gestern wieder einmal von den kulinarischen Highlights hier geschwärmt habe, wollte ich dann natürlich auch Bilder zeigen. Wie sehen denn Pralinen hier aus? Wie schmecken sie? … Was macht man also um möglichst anschaulich darzustellen, über was man da eigentlich die ganze Zeit redet? Klar, man benutzt den besten Freund Google, um ein paar Bilder zu suchen… Bei genau dieser Suche nach „Ukrainische Pralinen“ habe ich plötzlich mich entdeckt. Verrückt! Genau das Bild, das hier als mein Profilbild angezeigt wird. Und ein Link der auf den letzten Blogartikel verweist. Natürlich muss man dafür ein bisschen scrollen, das erste Ergebnis bin ich also nicht. Aber vielleicht werde ich ja doch noch irgendwann Vertreterin für ukrainische Pralinen, wer weiß?! 😉
Durch Anerkennung und Aufmunterung kann man in einem Menschen die besten Kräfte mobilisieren. – Charles M. Schwab