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Mentalität – Unterschiede im Denken und Fühlen

„Europäer haben die Uhr, Afrikaner haben die Zeit.“

Ein gutes Zitat, um sich mit einem allgegenwärtigen Thema zu beschäftigen: mit der Mentalität. „Mentalität ist eine Geistes- und Gemütsart; eine besondere Art des Denkens und Fühlens.“ So steht es im Duden, doch was bedeutet das für mich?

Ich bin nun gut einen Monat in Kenia und war immer wieder in Momenten, wo mir Unterschiede im Denken und Handeln der Kenianer im Vergleich zu dem, was ich aus Deutschland gewöhnt bin, aufgefallen sind.

Eine Szene in Deutschland. Herr Meier steht am Busbahnhof. Er schaut auf den Fahrplan. Um 14:38 Uhr wird er den Bus betreten, um dann genau 17 Minuten später (und drei Haltestellen weiter) in der Berliner Straße wieder auszusteigen. So kann er pünktlich um 15:00 Uhr bei seinem Meeting sein.

Währenddessen in Kenia. Es ist Mittagszeit. Kelvin Murithi sitzt im Matatu. Er ist der erste Fahrgast. Entspannt schaut er aus dem Fenster und beobachtet die Menschen auf der Straße, denn er weiß, dass es erst los geht, wenn alle Plätze besetzt sind. Ansonsten würde sich die Fahrt für den Fahrer nicht lohnen. Nach einer ganzen Weile geht es dann los. Er hat sein Mittagessen zu Hause vergessen, deshalb bittet er den Fahrer, an einem kleinen Marktstand kurz anzuhalten. Es trifft sich gut, da der Fahrer auch noch eine kleine Besorgung zu tätigen hat. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit kommt er in Nairobi an und fährt mit dem Boda Boda zu seinem Bruder.

Solche – oder so ähnliche Situationen begegnen mir hier in Kenia immer wieder. Sei es das Matatu, ein verspätetes Taxi oder auch einfach der Verkaufer an der Supermarktkasse. Überall treffe ich hier auf eine ganz andere Zeitvorstellung als in Deutschland, dem Land der Zeitpläne und der Pünktlichkeit. Viele Kenianer strahlen eine bemerkenswerte Ruhe und Gelassenheit aus, an der sich vielleicht einige Deutsche ein Beispiel nehmen kӧnnten. Am Straßenrand sehe ich oft Menschen, die vor ihren Häusern sitzen und ihre Umgebung beobachten oder sich unterhalten. Sie nehmen sich Zeit, während die Deutschen auf die Uhr schauen.

Diese Gelassenheit spüre ich auch immer wieder bei Dingen, die für uns in Deutschland selbstverständlich sind. Ich würde gerne mal die Reaktionen der Deutschen erleben, wenn es mal eine Woche kein Wasser gibt oder man eine Weile ohne Strom und Internet auskommen muss. Irgendwie unvorstellbar. Im Krankenhaus, auf der Arbeit, aber auch Zuhause. Das ist doch nicht mӧglich, ein “Super-GAU”. Hier wird es weitaus lockerer genommen. Ich habe seit knapp einer Woche kein Wasser mehr. Und ja, es ist nervig! Aber machbar. Die ersten Tage des Monats hatte die Schule kein Internet. Okay, dann muss man halt warten. Der Ton des Films funktioniert nicht. Gut, dann schauen wir uns halt nur die Bilder an. Manchmal muss man ein bisschen improvisieren, aber diese Einstellung der Kenianer gefällt mir sehr gut. Sie sind den Umständen überlegen und lassen sich, auch wenn etwas mal nicht sofort klappt, nicht aus der Ruhe bringen.

Anders ist es im Straßenverkehr. Dort kann es den meisten nicht schnell genug gehen. Als ich letzten Samstag mit sieben Kenianern im Taxi saß und wir in einen Stau kamen, konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen, als der Fahrer plӧtzlich ausscherte und links über den Fußweg an den stehenden Fahrzeugen vorbeifuhr. Eine Schülerin nannte dies in einem Aufsatz liebevoll „sich seinen eigenen Weg schaffen“.  Während man in Deutschland auch um 3 Uhr nachts mutterseelenallein vor einer roten Ampel wartet, sollte man hier dagegen – auch bei Grün – eher vorsichtig sein. Andere Länder, andere Sitten.

Ein weiterer Punkt ist die Kontaktfreudigkeit. Am letzten Wochenende machte ich mich auf den Weg in die Stadt, um das Meru National Museum zu besuchen. Kaum war ich durch das Tor gegangen, lächelte mich eine Kenianerin an und fragte mich, ob sie mich bei meinem Rundgang durch das Museum begleiten kann. Da sagte ich natürlich nicht nein. Es stellte sich heraus, dass sie sich sehr gut auskannte (ob sie beim Museum arbeitete, hab nicht so wirklich herausgefunden). Jedenfalls hat sie mir eine ganze Menge über die Region früher und heute und über das Volk der Kimeru erzählt. Anschließend haben wir noch traditionelle Hütten und einige Schlangen, Affen, Schildkrӧten und ein Krokodil beobachtet. Eine tolle Begegnung und es sollte nicht die Einzige bleiben.

Als ich wenig später nochmal alleine durchs Museum ging, fragte mich ein junger Mann, der in Begleitung seiner kleinen Nichte dort war, ob ich ein Foto von den beiden machen kann. Wir kamen ins Gespräch und die kleine Nichte wollte mir die Tiere zeigen. So folgte ich ihr und kratzte alle meine Worte zusammen, um mich mit ihr auf Kiswahili zu verständigen. Wenig später erzählte mir Benedict (der junge Mann), dass er als Pädagoge mit Schwerpunkt auf Gesundheit und Teambuilding arbeitet und dass er nun zu einem Treffen mit dem Health Club der Meru University geht und ich ihn gerne begleiten kann. So saß ich kurze Zeit später, mit der kleinen Nichte auf dem Schoß, im Taxi zum Ebony Garden, wo das Treffen stattfinden sollte.

Es war eine große Wiese, wo wir etwa vierzig Studenten trafen. Wir aßen gemeinsam, spielten Volleyball, Fußball, absolvierten einige „Challenges“ von Sackhüpfen, Staffellauf bis hin zum Wettessen und hatten echt eine Menge Spaß. Ich unterhielt mich mit den Studenten über alles mӧgliche und machte unzählige Selfies mit ihnen. Die fünf Stunden vergingen wie im Flug und am Abend war ich echt beeindruckend, wie einfach es hier doch ist, Kontakte zu knüpfen und Kenianer kennen zu lernen, gerade in einer eher kleineren Stadt wie Meru. Wäre mir so etwas in Deutschland auch passiert? Ich weiß es nicht.

Ich weiß nicht, ob man sie zur Mentalität zählen kann, aber sie hat sicherlich einen Einfluss darauf: die Religion. Die meisten Menschen, die ich hier bisher getroffen habe, sind sehr gläubig. So gut wie jeden Tag werde ich in irgendeiner Weise mit Religion konfrontiert, sei es beim Rosenkranz-Beten, durch den Gesang der Schülerinnen, am Sonntag in der Messe und vor Beginn einer Veranstaltung. Für viele Kenianer ist ihr Glaube eine Quelle der Kraft. Hier sind die Kirchen brechend voll und sogar auf den Teekannen ist ein Vers aus der Bibel aufgedruckt.

Natürlich treffen diese Eigenschaften nicht immer auf alle zu und sie lassen sich gewiss auch nicht verallgemeinern, aber doch sind es Eigenschaften und Verhaltensweisen, die eine Gruppe von Menschen in irgendeiner Form prägen. Auf jeden Fall bleibt die Mentalität für mich ein sehr interessantes und aktuelles Thema!!!

Liebe Grüße, eure Lara 🙂

 

 

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