Eigene Entscheidungen treffen zu können, setzt voraus, dass man eben genau das kann: eigene Entscheidungen zu treffen. In der Lage zu sein, sich für etwas und gegen etwas anderes zu entscheiden. Irgendwie zu wissen, was das Beste, was das Richtige, was das Gute ist. Zu wissen, was einem gut tut. Eine Ahnung davon zu haben, wie etwas sein könnte. Die Fähigkeit zu haben, etwas zu tun. Aufzustehen, rauszugehen und es einfach zu machen. Das Gute, das Richtige.
Aber woher soll man das wissen? Es ist oft geschrieben worden, vor einer neuen Entscheidung stünde man wie vor einer Straßenkreuzung. Man hat verschiedene Optionen. Doch entscheidet man sich für die eine, stirbt die andere. Man kann nicht alles haben – dieser schlichte Satz unserer Mütter enthält vielleicht doch mehr Wahrheit als wir glauben möchten.
Irgendwann steht jede_r an dieser Kreuzung. Früher ging es nur um Mars oder Snickers, um Gummibärchen oder Chips, um Schaukel oder Rutsche. Das Geheule war groß, doch sind wir mal ehrlich: weitreichende Folgen hatten unsere Entscheidungen nicht. Es waren nicht einmal richtige Entscheidungen, denn wir hatten nichts zu verlieren. Wir haben nur gedacht, wir hätten tatsächlich etwas zu sagen. Heute aber geht es plötzlich um Zuhause oder Fremde, um Bequemlichkeit oder Abenteuer. Heute aber hat eine Entscheidung weitreichendere Folgen.
Vielleicht befinden wir uns längst auf der Schnellstraße Richtung Zukunft. Vielleicht finden wir es großartig, die Geschwindigkeit, die neuen Eindrücke, Städte, Landschaften und Menschen und die Musik, die wir während der Fahrt ganz laut aufdrehen können. Doch was ist, wenn wir uns gern mal wieder ausschlafen würden? Wenn wir lieber wieder ernsthaft mit Menschen reden wollen statt uns nur beeindrucken zu lassen? Wir könnten eine Pause machen, einen anderen Weg wählen, die Richtung ändern – aber die wirklichen Ausfahrten sind rar gesät.
Natürlich ist das Leben mehr als nur die Wahl zwischen Wein oder Tee, zwischen Gemüsepfanne oder Pizza, zwischen Zuhause und Fremde. Natürlich gibt es immer mehr als nur zwei Wege und manchmal, manchmal kreuzen sie sich noch einmal und wir können vielleicht doch alles haben. Vielleicht – und wirklich nur vielleicht – muss man sich gar nicht immer entscheiden. Vielleicht müssen wir auch gar nicht immer lange nachdenken, bevor wir etwas tun. Etwas ausnahmsweise einmal nicht definieren, nicht schubladisieren, kein Label auf unser Leben und unsere Beziehungen kleben. Vielleicht geht es, egal wo und was wir sind, einfach nur darum, die raren Ausfahrten aus unseren Gewohnheiten nicht zu übersehen, sondern zu nutzen, wo wir können.