Wie fängt man an, wenn man einen Schlussstrich unter eine Zeit ziehen muss, weil eine andere bereits begonnen hat? Wie beendet man einen Abschnitt des Lebens, um dem nächsten den ihm zustehenden Platz einzuräumen? Genau diese Fragen musste ich mir auch vor mittlerweile mehr als einem Jahr stellen. Damals hatte ich die Zusage, mit kulturweit ein Jahr nach Riga zum DAAD zu gehen und malte mir aus, wie mein Leben wohl sein würde, wenn ich erst mal alles organisiert hätte. Malte mir aus, wo ich wohnen, wie ich leben würde, wie schnell ich eine mir bis dato völlig fremde Sprache lernen könnte, wen ich treffen, wohin ich reisen und was ich erleben würde. Das, was in jedem Frühjahr und in jedem Herbst in diesen kulturweit-Blogs steht. Die meisten dieser Geschichten von Fernweh und Fremde enden allerdings abrupt mit der Rückkehr nach Deutschland – so auch meine. Bis heute. Denn nun bin ich zurück und nun ist es an der Zeit, davon zu berichten, wie das ist.
Kurz gesagt: Zurückkommen ist seltsam. Im Ausland ist selbst dein Alltag nicht alltäglich, weil du auch nach einem Jahr in der Ferne noch auf Dinge stößst, die du nicht kennst. Weil du dich auch nach einem Jahr noch mit der Sprachbarriere auseinandersetzt. Weil du auch nach einem Jahr noch neue Ecken, neue Orten, neue Menschen kennenlernst. Weil du dich auch nach einem Jahr noch nicht an all das gewöhnt hast, was hier anders funktioniert als in diesem ominösen „Zuhause“, das du verlassen hast.
Du kommst also zurück nach Deutschland, mehr oder weniger in dein altes Leben und erwartest, dass Dinge passieren. Stattdessen passiert erst einmal – nichts. Gar nichts. Die Menschen um dich herum sprechen deine Sprache und schon nach wenigen Tagen erinnerst du dich daran, dass man an Supermarktkassen in Deutschland sofort seine Einkäufe verpackt, dass es für Behördengänge Fristen gibt und dass von dir erwartet wird, diese exakt einzuhalten. Du bist angekommen, irgendwie. Und irgendwie auch eben nicht. Denn du fragst dich, ob das hier wirklich das Leben ist, das du mal geführt hast. Dir fehlen Dinge, von denen du nie gedacht hättest, dass sie dir fehlen: der bittere Bürokaffee, die Tage, an denen deine Heizung nicht funktioniert hat, der Kräuterschnaps, der dir von Anfang an nicht geschmeckt hat, die Sprache, die täglich vor neue Herausforderungen gestellt hat. Gleichzeitig bist du aber glücklich, deine Freunde wieder um dich zu haben – Freunde, die Familie sind, wie du spätestens im vergangenen Jahr gemerkt hast.
Es dauerte eine Weile, bis der Alltag mich wieder hatte. Nein, es war nicht alles eitel Sonnenschein nach meiner Rückkehr, es sind unschöne Dinge passiert – die hier nicht hergehören. Andererseits hatte ich einfach so viel Glück, dass ich es selbst kaum fassen kann. Es ist ein gewohnter Alltag, weil es Deutschland ist, weil es Hamburg ist und weil ich das Leben hier kenne. Und es ist ein ungewohnter Alltag, noch immer, weil ich dieses Mal keine Studentin mehr bin. Mir fehlen die Reisen und die kleinen Abenteuer im Baltikum, mir fehlen Botschaftsempfänge und Büroalltag, mir fehlen lieb gewonnene Menschen und Orte. Und doch bin auch dankbar, dass mein Leben nun in etwas ruhigeren Bahnen verläuft, dass ich Zeit habe, alles Revue passieren zu lassen. Was ich mitgenommen habe? Ich mache mir weniger Sorgen um das , was sein wird. Denn ich habe gelernt, irgendetwas wird immer sein. Wo sich die eine Tür schließt, geht eine neue auf.
Es ist schön, wieder hier zu sein. Denn ehrlich: Ich habe das alles vermisst. Das alles und an erster Stelle meine Lieblingsmenschen. Und gleichzeitig habe ich Fernweh und weiß: Die Welt und ich, wir sind noch lange nicht fertig miteinander.