Das, was war und das, was ist

Friede, Freude, Freilichtmuseum

Friede, Freude, Freilichtmuseum

Daran, dass ich soeben mein Passwort zurücksetzen musste, weil ich mich nicht mehr an meine LogIn-Daten erinnern konnte, merke ich deutlich, dass mein letzter Bericht aus dem Land der tausend Wälder und Strände zu weit zurückliegt. Immer wieder habe ich mir fest vorgenommen, euch zu erzählen, was ich erlebe, was ich denke. Erst war keine Zeit da, dann keine Motivation und es kam, wie es kommen musste: Ein weiterer, trauriger, verwaister Blog entstand. Doch er tut mir Leid und daher wird er heute endlich wieder mit Geschichten gefüllt.

Es ist viel passiert und doch zu wenig. Statt Philosophie und Reflexion, statt ausschweifenden Romanen und geschickten Formulierungen erwartet euch heute also ein Bericht. Das, was war und das, was ist, so, wie es eigentlich nicht meine Art ist. Und doch sind es kleine Erinnerungssplitter, die ich festhalten möchte, bevor sie zu blassen Polaroids im Sammelalbum des Lebens werden.

Jugendstil in Riga

Jugendstil in Riga

Juni 2015, Riga, Alumnitreffen. Monatelang haben wir im Büro des IC Riga auf das Große Alumnitreffen aller baltischen DAAD- und Humboldtalumni hingearbeitet, rund 250 Gäste aus vier verschiedenen Ländern erwarteten uns, die Aufregung war groß. Von morgens bis abends wurden Pläne geschmiedet und verworfen, Weichen gestellt und Verabredungen getroffen, Menschen eingeladen und Räume organisiert, es wurde an Reden und Vorträgen gefeilt, Texte übersetzt und Entscheidungen getroffen. Eine anstrengende Zeit und doch mit Abstand die spannendste meines ganzen Jahres hier. Immer wieder ein Gedanke: „Hoffentlich habe ich keinen Fehler gemacht, hoffentlich findet jede*r jeden Ort, hoffentlich gibt es für alle ein Hotelzimmer, hoffentlich finden alle Exkursionen statt wie geplant, hoffentlich habe ich an alles gedacht.“ Und dann kam er, der große Tag, der 5. Juni 2015, Anreisetag. Die Rädchen griffen ineinander. Menschen, mit denen ich zuvor wochenlang per E-Mail kommuniziert hatte und von denen ich auswendig sagen konnte, aus welchem Land sie kamen, in welcher Stadt sie lebten und an welchem Workshop sie teilnahmen, standen live und in Farbe vor mir. Keine größeren Zwischenfälle, dafür aber viele schöne Begegnungen, interessante Gespräche und Geschichten, nebenbei auch ein ganz klein wenig Stolz. Trotz der vielen Arbeit denke ich gern an diese Tage, an denen uns auch liebe und liebgewonnene Menschen aus der DAAD-Zentrale in Bonn besuchten, zurück und bin dankbar dafür, um so viele Erfahrungen reicher zu sein.

Und immer wieder lockt das Meer

Und immer wieder lockt das Meer

Juni 2015, Saulkrasti. Landflucht. Seit ich mich damals in Ventspils, in dieses kleine Paradies am Ostseestrand, verliebt habe (eine Schaukel und Meeresrauschen im Ohr, unendliche Weite und kein Mensch außer mir), sehe ich die Ostsee mit anderen Augen. Wie Sardinen in der Dose eng nebeneinander am Strand in der Sonne braten? Vergesst es! Plötzlich wurde aus einer Touristenfalle ein mystischer Ort und in meiner Erinnerung ist dieses Bild stärker als jedes Sonnenbad. Und doch sollte es heute genau das sein: in der Sonne liegen, lesen, Musik hören, Eis essen und braun werden. Ausgestattet wie Mallorca-Touristen vor dem Strandausflug standen wir also eines Morgens in Riga am Bahnhof. Es war bewölkt, der Tag hätte also nicht besser beginnen können. Im Zug beschlich uns schnell das Gefühl, dass wir den Ort verpassen könnten: Es gab natürlich wieder einmal keine Anzeigen und kaum verständliche Durchsagen. Saulkrasti sollte es sein, was auf Deutsch „sonnige Küsten“ bedeutet. Wir hofften auf ein Wunder, darauf, dass der Ort seinem Namen alle Ehre machen würden, darauf, dass wir der Tristesse, die Riga bei Regen manchmal ausstrahlt, entkommen könnten. Unterwegs lichteten die Wolken sich, ich war guter Dinge. Doch wir alle kennen das, das Leben hat einen seltsamen Humor: Wenige Minuten später begann es zu regnen. Ach, Lettland. Angekommen am Strand regnete es nicht mehr – von der Sonne war allerdings auch nichts zu sehen. Egal, nun waren wir schon mal hier. Der Weg zum Strand führte uns eine Straße hinunter, vorbei an den unterschiedlichsten Häusern zur Linken und der Natur zur Rechten. Noch wenige Meter und wieder dieses magische Gefühl: Es ist ganz nah, das Meer. Es sieht dich, bevor du es siehst und heißt dich mit sanftem Rauschen willkommen. Ein Schritt noch und plötzlich bist du mittendrin. Auch an diesem grauen Tag entfaltete es seinen Zauber sofort: Himmel und Meer gingen nahezu nahtlos ineinander über, getaucht in Pastellfarben, leichter Nebel hing in der Luft. Ich komme aus einem kleinen Ort nahe der Nordsee, habe an der Elbe gelebt und dann nahe der Ostsee und doch bleibt das Meer immer unfassbar. Nicht zuletzt hielt Saulkrasti sein versprechen, der Himmel riss auf und wir bekamen unseren Strandtag. Fast wie Mallorca, nur ohne Sangria-Eimer, Schlager, betrunkene Deutsche mit Socken in den Sandalen und Eisbein mit Sauerkraut. Deutlich besser also.

Freilichtmuseum Riga

Freilichtmuseum Riga

Juni 2015, Riga, Besuchszeit. Meine Tante und mein Onkel hatten sich auf den Weg von Düsseldorf in die größte Stadt des Baltikums gemacht. Das Abendessen war vorbereitet, wenn auch teilweise improvisiert. Auf zum Flughafen! Dort erwartete uns ein seltsames Spektakel: Ein Flugzeug aus Deutschland landete. Doch aus der Schiebetür im Ankunftsbereich kam ein buddhistischer Mönch. Das allein wäre wenig spektakulär, doch um ihn herum tauchten plötzlich weitere Mönche auf, um ihn zu begrüßen. Nie zuvor war mir in Riga überhaupt ein Mönch begegnet. Ich wandte mich wieder ab und fixierte die Tür. Heraus kam wieder nicht meine Familie, sondern eine Nonne. Wie ich schon sagte, das Leben hat Humor. Bei so viel Segen verschiedener Weltreligionen war es dann natürlich kein Wunder, dass auch meine Familie mit nur leichter Verspätung Riga erreichte. Es ist immer wieder schön, Menschen, die du magst, deine Stadt zu zeigen – denn auch du siehst sie dann mit neuen Augen und nimmst Dinge wahr, die zuvor einfach nur Alltag für dich waren.

Mittsommernacht ist Hippiezeit!

Mittsommernacht ist Hippiezeit!

Auch das lettische Mittsommernachtsfest in der kürzesten Nacht des Jahres stand an: Leider noch mehr verregnet als in den Jahren zuvor, außer Blumen, Essen und Bier nichts gewesen. Dennoch blieben wir wach, bis die Sonne wieder aufging. Denn nur, weil du sie nicht siehst, heißt es nicht, dass sie dich nicht sieht – und in dieser Nacht vor Sonnenaufgang schlafen zu gehen, bringt angeblich Pech. Lieber nichts riskieren! 😉

Das, was war und das, was ist

Das, was war und das, was ist

Juli 2015, Riga, Alltag. „Denk an den Juli“ – so lautete unser Mantra im Büro an stressigen Tagen. Denk an Sonne und Strand, an Erholung und neue Erlebnisse. Nun, wieder einmal beweist das Leben seinen ganz eigenen Humor: Es regnet und ist bewölkt, es ist bewölkt und es regnet und gewittert. Wir hatten Sommer, etwa eine Woche lang. 31 Grad. Nun hänge ich in der Warteschleife. Warten auf besseres Wetter und irgendwie auch warten auf die Rückkehr nach Deutschland. Ein Leben im Zwiespalt, irgendwo zwischen Melancholie und Freude. Und doch ist viel zu tun, es gilt, mein Freiwilligenprojekt zu beenden. Doch davon erzähle ich euch an einem anderen Tag ;).

3 Gedanken zu „Das, was war und das, was ist

  1. Das was war, das was ist. Es ist echt und es war echt. So sehr ich deine philiosofischen Texte liebe, so sehr freut es mich trotzdem auch mehr von deinen Erlebnissen zu lesen. Ich bin gespannt auf dein Projekt!

  2. Ich verfolge genau einen Blog auf der Welt: Diesen. Warum? Weil ich immer wieder Sehnsucht bekomme nach Ferne, Fremde und Unbekanntem, obwohl ich diese drei Dinge eigentlich in gewisser Weise fürchte. Aber an Deinen Erfahrungen auf diese Weise zu partizipieren ist wundervoll. Ich hoffe sehr, dass Du mir bald alles erzählen wirst 🙂

Kommentare sind geschlossen.