Fast einen Monat ist es her, dass ich mich an dieser Stelle lang und breit über ein Leben in der Dunkelheit, sprich: über mangelndes Tageslicht, ausgelassen habe. Fast einen Monat ist es her, dass ich mich lang und breit über die Schwierigkeiten, die mir sieben gammatikalische Fälle und damit auch gefühlt sieben Millionen verschiedene Deklinationen und Konjugationen, beschwert habe. Doch es ist auch fast einen Monat her, dass ich festgestellt habe, dass keine Dunkelheit absolut ist. Was also ist daraus geworden, wie erging es mir in diesem fast-ganzem-Monat?
Ende Dezember, kurz vor Weihnachten, bin ich für einige Tage nach Deutschland geflogen. Hatte ich anfänglich wenig Lust darauf, so stand ich dann doch voller Vorfreude am Flughafen RIX und habe gehofft, dass einfach mal alles gut geht. Immerhin hatte ich auch den Zug von Bremen nach Hamburg gebucht und Ryanair in den vergangenen drei Jahren gemieden. Offenbar haben sich die Handgepäckbestimmungen derart geändert, dass nur die ersten 90 Menschen den kleinen Koffer oder die Reisetasche mit an Bord nehmen dürfen. Doch nicht mit mir, mein Laptop landet sicherlich nicht in einem unterkühlten Frachtraum! Ich biss also in den sauren Apfel und gab weitere 4€ für Priority Boarding aus. Sicher ist sicher ist sicher ist…ihr wisst schon.
Letztlich hat dann auch alles wunderbar funktioniert und ich habe einige sehr schöne Tage mit meinen Lieblingsmenschen in Deutschland verbracht. Noch vor Silvester war ich allerdings zurück in Riga. Immer noch müde, auch ein wenig erschöpft. Urlaub vom Urlaub war dringend notwendig! Doch schlimmer noch: Ich weiß, viele wünschen sich weiße Weihnachten und finden es unglaublich schön, wenn alles unter einer dicken, weißen, flauschigen Schneedecke versinkt. Wenn schöne Flocken vom Himmel fallen und im Sonnenlicht glitzern. Nun. Ich gehöre nicht dazu. Schnee ist mir zwar lieber als Schneematsch, aber dieses Glück hat man einfach viel zu selten – da verzichte ich lieber!
Pustekuchen. Ich stieg in Riga aus dem Flugzeug, Schneeflocken flogen mir ins Gesicht und es war verglichen mit Hamburg und Emden unglaublich kalt. Wenig später stieg ich an der Grecnieku iela aus dem Bus. Eis auf der Daugava vor mir. Eigentlich ganz schön. Eine Drehung um die eigene Achse. Mist. Eis auf den Gehwegen um mich herum. Gut. Vorsichtig, Schritt um Schritt schlich ich mit Tarik an meiner Seite durch die Altstadt, fluchte über das Wetter, war aber auch froh, wieder Zuhause zu sein.
Doch damit nicht genug. Ich hatte mich gerade emotional auf Schnee eingestellt, schon wurde es wieder etwas wärmer. Wer nun denkt, dies sei ein Grund zur Freude, der liegt falsch. Ganz falsch. Denn die wärmeren Temperaturen (wir reden hier von 2-4 Grad Celsius) führten natürlich dazu, dass der Schnee schmolz. Wie das ist, wenn sehr viel Schnee auf sehr unebenen Straßen schmilzt, konnte ich mir vorher kaum vorstellen. Die ganze Stadt war plötzlich übersät mit kleinen Swimmingpools, einige Straßen hatten sich sogar zur Gänze in Flüsse verwandelt. Ich bin ohnehin kein Fan vom Schwimmen. Auch nicht davon, ohne Gummistiefel durch matschiges Eiswasser zu waten. Doch genau das musste ich nun tagelang tun, um zur Arbeit zu kommen.
Man könnte jetzt sagen: Pass doch auf, wo du hintrittst. Ich gebe zu, ständig in irgendwelche Pfützen zu treten, passt zu mir. ABER: Nicht selten denkst du dir „ach, super, da vorne liegt noch Schnee, da kann ich normal laufen“, läufst fröhlich drauf los und – platsch! Denn das, was aussieht wie Schnee, kann auch genauso gut eine 50cm tiefe Pfütze sein. So ging ich also eines Tages von der Arbeit nach Hause, Schneeflocken fielen mir ins Gesicht, der eisige Wind hob die Stimmung nur bedingt. Ein Auto fuhr zu dicht am Straßenrand, ich lief zu dicht am Straßenrand, die Pfütze, in die es fuhr, war eindeutig zu tief – geduscht hatte ich eigentlich schon, aber man gönnt sich ja sonst nichts. Kurz darauf trat ich wieder in eine dieser Eismatschpfützen. Diejenigen unter euch, die mich kennen, wissen, dass man mir schnell ansieht, wenn ich genervt bin. Nun. Ich war unglaublich genervt. Dann allerdings kam mir ein Mann entgegen und grinste mich an. Es war kein schadenfrohes Grinsen, es war mehr ein: „Hm, mach dir nichts draus, das passiert uns allen mal.“ Plötzlich musste ich lachen – offenbar sah ich gerade wie eine Touristin aus, die keine Ahnung von den örtlichen Gegebenheiten hat.
Mittlerweile allerdings bin ich mit Riga wieder versöhnt. Denn: Seit ich wieder hier bin, gab es schon wieder einige Tage, an denen tatsächlich die Sonne schien. Auch wird es jetzt mit jedem Tag wieder etwas heller, was meine Stimmung deutlich hebt. Trotz Schnee, Eis und Matsch bereue ich meine Entscheidung, nach Lettland zu gehen, also nicht. Kein bisschen.
Schön wieder von Dir zu lesen
Dann kann der Sommer ja kommen! 