Es ist eine simple Frage. Sie wird mir oft gestellt, ich stelle sie oft. Die Antwort ist nicht wirklich relevant, aber sie ist ein Türöffner. Sie ist der Schlüssel zu einer ganzen Fülle von Geschichten hinter einem Menschen. Sie ist der Einstieg in ein Gespräch, ein Besser-Kennenlernen einer anderen Person. Ein erstes gegenseitiges Verstehen, ein Bestandteil fast jeder Kommunikation. Und doch: Sie ist gar nicht so einfach zu beantworten. Für mich nicht, für andere nicht. Woher jemand kommt, das ist heutzutage nicht nur ein Ort, nicht nur eine Geschichte – es sind viele Orte, viele Geschichten. Vielmehr noch: Es ist eher ein Gefühl.
Fragt man mich, woher ich komme, antworte ich oft aus dem Bauch heraus. „Deutschland“ ist noch relativ einfach, es ist die offensichtlichste Antwort. Aber nur, weil ich mich in Europa befinde. Im außereuropäischen Ausland würde ich vielleicht eher mit „Europa“ antworten – eine Antwort, die vielmehr meinem Gefühl entspricht. Fragt man mich aber, woher aus Deutschland ich komme, wird es kompliziert. Emden, Hamburg, Kiel? Mein Gefühl sagt oft: Hamburg. Das stimmt auch irgendwie, ich habe drei Jahre dort gelebt, diese Zeit hat mich sehr geprägt – ich betrachte Hamburg als mein Zuhause. Aber eben nur als eines meiner Zuhause. Also sage ich oft, dass ich auch in Kiel studiert und gelebt habe. Auch Kiel betrachte ich als mein Zuhause. Dann bekomme ich ein schlechtes Gewissen und erwähne, dass ich aber in Emden geboren bin – was dann wieder niemandem etwas sagt. Das Ergebnis: Verwirrung auf allen Seiten. Wo kommt sie denn nun WIRKLICH her? Tja. Darauf habe ich ehrlich gesagt keine Antwort – es ist eine Mischung aus allen und noch mehr Orten, die ich vielleicht nur besucht, aus denen ich aber viel mitgenommen habe.
Jedoch: Die anderen erzählen ähnliche Geschichten. Auf die Frage, wo sie herkommen, antworten viele sogar gleich mit mehreren Ländern. Diese Geschichten beginnen meist so: „EIGENTLICH komme ich aus xy, ABER dann habe ich in yz gelebt und jetzt bin ich schon seit x Jahren in Riga.“ Es hat sich etwas verändert, in den letzten Jahren. Vielleicht habe auch einfach nur ich mich verändert mit den Jahren. Fakt ist jedoch: Ich liebe solche Geschichten! Ich liebe es zu hören, wo Menschen schon gelebt haben, mit welchen Orten sie etwas verbinden und welchen Gegenden sie dadurch verbunden bleiben. Ich denke, das ist der Schlüssel zur Verständigung (und einer friedlicheren Welt, um mal pathetisch zu werden).
Wer mich kennt, weiß, dass ich Europa großartig finde. Ohne hier allzu politisch werden zu wollen, kann ich sagen, dass ich die Idee hinter der Europäischen Union toll finde. Dass ich der Meinung bin, dass ein Zusammenwachsen in Europa eine gute Sache ist. Dass ich der Meinung bin, dass uns mehr verbindet als uns trennt und dass wir einander besser kennenlernen sollten. Nur so können wir uns verstehen und nur so können wir lernen, zusammenzuarbeiten, ohne einander zu übergehen oder zu verletzen.
Das ist ein Gedanke, der sich auch auf die Welt übertragen ließe und in diesem Sinne möchte ich diesen Blogeintrag nutzen, um dem Team von „kulturweit“ und dem Auswärtigen Amt sowie generell der Deutschen UNESCO-Kommission und den kulturweit-Partnerorganisationen zu danken: Es sind unter anderem Freiwilligendienste über Ländergrenzen hinweg, die diese Welt zu einem besseren Ort machen – denn sie bringen im Idealfall Menschen hervor, die mit offenen Augen durch die Welt gehen, Verständnis für andere aufbringen, über den Tellerrand sehen, sich selbst nicht für den Nabel der Welt halten, sich auf Neues einlassen, Vorurteile ablegen und neugierig bleiben. DANKE für diesen Einsatz! Und darüber hinaus danke auch allen anderen Menschen weltweit, die sich für Austausch und Verständigung einsetzen – sie alle aufzuzählen würde mich zahllose Absätze kosten und das werte ich als positives Zeichen!
Ich weiß, es mutet naiv an, aber vielleicht muss man manchmal an eine Idee glauben statt immer nur kritisch und zynisch zu sein, vielleicht darf man manchmal gar enthusiatisch sein. Natürlich sollte man sich einen grundsätzlich kritischen Blick auf Vieles bewahren (ich bin am Ende des Tages auch Politikwissenschaftlerin, kritisch zu sein gehört zu meiner Natur ;), aber man darf neben aller Kritik vielleicht auch eine Idee haben, für die man gern einsteht, für die man sich gern einsetzt, für deren Weiterentwicklung und Verbesserung man gern arbeitet und für die man sich begeistern kann – getreu dem Motto:
„Many little people, in many little places, taking many little steps, can change the face of the world.“ (African proverb)