There was never any more inception than there is now
Nor any more youth or age than there is now
And will never be any more perfection than there is now
Nor any more heaven or hell than there is now
(Walt Whitman)
Wieder eine Woche vergangen. Eine Woche in einer der schönsten Städte Europas – und das meine ich immer noch und immer, immer wieder völlig ernst! Es kommt mir so vor als würde ich schon ewig in Riga leben, ich denke, ich kann mittlerweile mit Fug und Recht behaupten: Ich hab mich in die Stadt wirklich verliebt – sobald ich nicht mehr hier wohne, wird sie wohl ebenso wie Hamburg zum Sehnsuchtsort, an den ich immer wieder gern zurückdenke.
Unter der Woche komme ich im Grunde zu nichts – ich treffe mich zwar immer wieder mit den unterschiedlichsten Menschen aus den unterschiedlichsten und doch ähnlichsten Ländern, habe aber dennoch das Gefühl, dass die Tage etwas an mir vorbei ziehen. Ich arbeite von 10 bis 18 Uhr, übliche 40 Stunden die Woche und ich denke, jede_r, die/der das mal gemacht hat, weiß, wovon ich rede, wenn ich sage, dass wenig Zeit bleibt ;). Aber, wie ich heute im Blog einer Freundin gelesen habe: Es sind die kleinen Dingen, die zählen.
Nachdem ich letztes Wochnende einen eher deprimierenden Ausflug in die jüngere Vergangenheit Lettlands gemacht habe, habe ich mich diesmal ins Nachtleben „gestürzt“ – nachdem ich am Freitag brav meine erste Magenverstimmung auskuriert habe. In einer Folkrock-Kneipe gab es lettische Livemusik – das wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen! Gemeinsam mit zwei Austauschstudenten und meiner kulturweit-Kollegin machte ich mich also wieder auf den Weg durch die holprige und von Partymenschen bevölkerte Altstadt. Angekommen im „Ala“ war ich erst einmal begeistert: Hohe Decken, Kellergewölbe, mehrere Räume, angenehmes Licht, viele Menschen, Sofas und seeeehr coole lettische Folkmusik. Das Problem: Unglaublich laut und pausenlos. Ich habe absolut keine Ahnung, wie diese Band es geschafft hat, fast zwei Stunden ohne Pause oder Ansagen (!!) durchzuspielen! Das Gute: Es gab ruhigere Räume.
Die gute Stimmung wich jedoch blankem Entsetzen: Es gibt in Lettland ein Getränk, das man sich zu jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit in Kaffee oder Cocktail kippt, pur trinkt oder als Medizin gegen Erkältungen und auch sonst allerhand Wehwehchen einnimmt: Riga Black Balsam, hergestellt in Riga seit der Mitte des 18. Jahrhunderts. Ich würde sagen, dieses Gebräu wurde direkt aus der Hölle importiert. Es besteht wohl aus Wodka und allerhand Kräutern und ist entsprechend stark – merkt man sofort bis in die Fußspitzen. Dennoch gehört es wohl auf die Liste der Dinge, die man mindestens einmal getan haben muss, wenn man hier lebt, also: Done & moving on. Ich war aber immer noch nicht wieder ganz fit und daher vergleichsweise früh zu Hause. Ich denke, ich werde alt ;).
Um das kunterbunte Nachtprogramm wenigstens etwas auszugleichen habe ich dann gemeinsam mit einer anderen Praktikantin einen Ausflug in das vor den Toren der Stadt gelegene Ethnographische Freilichtmuseum gemacht. Es wurde 1924 errichtet, beherbergt rund 118 Gebäude und ist damit eines der größten Freilichtmuseen Europas – und ja, man kann sich dort auch wunderbar verlaufen, insbesondere dann, wenn man wie Rotkäppchen vom rechten Weg abkommt. Es fand sich auch ein Markt, auf dem ein lettischer Chor seine Stücke zum Besten gab, Unmengen an Essen und Handwerkszeug und…Hundewelpen in kleinen Käfigen direkt hinter dem Chor, was ich einigermaßen grausam fand. Da blutet mir echt das Herz, aber wirklich etwas tun konnte ich in dem Moment nicht – also lieber und mit sehr schlechtem Gewissen schnell weiter gehen.
Und nun? Nun widme ich mich dem Alltag. Dieser besteht heute allerdings nicht aus Türcodes, Kopfsteinpflaster, Blumen oder Alkoholverboten, sondern ganz geruhsam aus Tee, Kerzen, ruhiger Musik und meiner gehasst-geliebten Masterarbeit.
Ich freue mich so sehr für dich, dass dir die Stadt und das Leben dort soooo gut gefällt. An die viele Arbeit gewöhnt man sich ja ganz schnell, und wenn du erst um 10 anfangen musst, kannst du auch sehr spät ins Bett (ist bei mir zumindest so). Wir werden alle alt, mir ging es neulich ähnlich…
Haha, ich bin mittlerweile SO erwachsen, dass ich dennoch früh ins Bett gehe und dafür dann zwei Stunden eher aufstehe, um mir mein Mittagessen für die Arbeit vorzukochen. Wird mir in Deutschland jetzt auch wieder keiner glauben :D.