Wenn die Oberleitung funkt…

Strahlender Sonnenschein. Schöne Strände. Lächelnde Menschen. Grüne Parks. Ein ganz normaler Herbst in Lettland. Ein schönes, strahlendes, lächelndes, grünes Land.

STOPP.

10649697_542108322556421_3687813863572057593_nSind wir nicht ein wenig oberflächlich? Lassen wir uns nicht einfach nur vom ersten Eindruck blenden? Und – wenn wir mal ehrlich sind – seit wann ist es eigentlich der erste Eindruck, der zählt? War es nicht vielmehr immer das, was danach kam, das von Bedeutung war? Waren es nicht immer die kleinen Dinge, die Details, die uns verraten haben, wie das Leben wirklich ist? Das Leben hinter der schicken Fassade, hinter dem gebügelten Vorgarten, hinter dem Lächeln, hinter dem strahlenden Sonnenschein und den schönen Stränden und den lächelnden Menschen und den grünen Parks? Richtig.

Daher geht es heute um genau diese kleinen Details (danke für den Hinweis, Bahar!). Um die simplen Dinge, die am Ende doch das Leben ausmachen. Dazu sei gesagt: Ich bin nun nicht einmal zwei Wochen hier, auch wenn es mir deutlich länger vorkommt, daher ist alles, was ihr jetzt lest, ebenfalls nur ein oberflächlicher, erster Eindruck. Dennoch: Werfen wir einen ersten Blick hinter die touristische Fassade Rigas – hinein in den Alltag!

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Wenn ich an einem ganz normalen Wochentag zur Arbeit gehe, gibt es mehrere Dinge, die mir auffallen und von denen zu berichten ich immer wieder vergesse. Das, was für jemanden, der eine Zeit in Hamburg gelebt hat, wohl zu Beginn besonders verwirrend ist, vorweg: Es gibt kaum Bäckereien. Lustigerweise gibt es die Bäckereikette Junge auch hier, allerdings mit einer etwas anderen Auswahl. Lokale Bäckereien aber sucht man – nun, nicht vergebens, aber doch relativ lang. In Hamburg braucht man nur aus der Tür stolpern und fällt fast direkt ins Schaufenster einer der drei Bäckereien auf der entsprechenden Ecke. Was ich lernen musste: In den Supermärkten gibt es eine riesige Auswahl an Backwaren. Die meisten davon allerdings eher süß, belegte Brötchen scheinen nicht sonderlich beliebt zu sein. Dafür gibt es großartige Torten. Vielleicht werde ich also einfach extrem zunehmen, wir werden sehen ;).

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Nachdem ich also stattdessen wieder meine morgendlichen Haferflocken mit Sojamilch gegessen habe, laufe ich an Supermärkten und vereinzelten Bäckereien vorbei zur Arbeit, rund 30 Minuten mitten durch das Zentrum und die – immer noch wunderschöne! – Altstadt. Je näher ich allerdings der Altstadt komme, desto beschwerlicher wird der Weg. Nicht, dass ich auch nur eine Chance hätte, mich zu verlaufen oder eine Art lettischen Mount Everest erklimmen müsste – es ist das Kopfsteinpflaster, das es mir so schwer macht. Während die anderen Menschen hoch erhobenen Hauptes oder mit Blick aufs Smartphone an mir vorbeilaufen, falle ich alle paar Meter über meine eigenen Füße. Mit flachen Schuhen, wohlgemerkt. Wie auch nur irgendjemand es schafft, das mit Highheels zu bewältigen, ist mir ein Rätsel und verdient meine volle Bewunderung.

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Eine andere Sache, an die ich mich werde gewöhnen müssen: Auch bei schönem Wetter ist es nicht möglich, sich gemütlich mit einem Bier in den Park zu setzen und die Sonne zu genießen. Das heißt: Möglich ist es bestimmt, allerdings nicht erlaubt. Kein Konsum alkoholischer Getränke in der Öffentlichkeit – abgesehen von Gaststätten mit Terrasse etc. Auch ist es Geschäften nicht erlaubt, nach 22 Uhr noch Alkohol zu verkaufen. Der Sinn von „Liquor Stores“, die bis 23 Uhr geöffnet haben, hat sich mir noch nicht erschlossen…

Ich könnte noch stundenlang schreiben – über meinen Alltag hier, über die kleinen Dinge, die mir auffallen. Und ich freue mich SEHR darauf, euch im Winter vom zentralen Heizsystem zu berichten. Zentralheizung heißt hier nämlich in der Regel: Man hat keine Möglichkeit, die Temperatur in der Wohnung selbst zu regulieren. Das wird noch spannend, schickt mir Schals ;)!

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Doch ich denke, fürs Erste muss das genügen. Ein erster Blick hinter die unglaublich schönen Fassaden einer unglaublich sympathischen Stadt.

Ich bin ja immer etwas erstaunt, wenn sich mein positiver erster Eindruck auch bei näherem Hinsehen verfestigt. Ich suche oft gern das Haar in der Suppe, den Rechtschreibfehler auf der Seite, den Unterton im ansonsten melodischen Lied. Aber ich gestehe: Ich bin damit hier nicht erfolgreich und habe daher entschieden, das jetzt einfach mal sein zu lassen und stattdessen einfach zu sein. Hier zu sein und zu atmen.

2 Gedanken zu „Wenn die Oberleitung funkt…

  1. Juhuu, genau sowas, da sitze ich gespannt und verhaspel mich manchmal in den Zeilen 😀
    Der Mangel an Bäckereien wäre mir sicher gar nicht aufgefallen, ich esse schon seit Ewigkeiten kein Brot mehr. Aber interessant! Haferflocken mit Sojamilch tut’s sicher auch, wa?
    Ich liebe die Himmelschneggeeeee <3
    Oh Gott, wie ich solche Pflastersteine hasse! Kennst du den Domplatz in MS noch? Hab da so'n paar Highheels geschrottet. Pass gut auf und stolper ja nicht!
    Diese Alk-Regel, ist es wegen Vandalismus, Religion oder Sitte? Weißt du das?
    Schal… alles klar, hab ja nun die Adresse 😉
    Ne ne ne, dass du deine Kuscheltemperatur nicht selbst einstellen kannst, ist schlimm genug, brauchst nicht weiter nach dem Haar in der Suppe suchen! Es gibt ja auch so kleine, aber effektive Heizlüfter für paar Euro, die man nur an die Steckdose packen muss. Hast du sowas?

    • Ja, aber ich hab noch keine Schoko-Sojamilch gefunden – tragisch, Vanille ist einfach nicht mein Ding…
      Und ich erinnere mich gut an den Domplatz. Lass mich raten, stecken geblieben und abgebrochen? 😉
      Die Gründe für das Alkoholverbot kenne ich leider auch nicht, ich mache mich aber gerne mal schlau. Die Regelungen gibt es wohl schon lange hier – ich frag mal rum!
      Heizlüfter habe ich nicht, würde ich hier wohl bekommen – kostet dann aber natürlich wieder Strom. Wir haben keine Abschlagszahlungen, sondern rechnen jeden Monat extra ab. Würde ich also vermeiden, wenn schon Heizung nicht kontrolliert werden kann.
      Thermosachen sind auch immer gut :D.

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