Montag war es soweit. Vor Ehrfurcht erstarrend blickte aufs Datum der von mir zu vorbereitenden Nachrichten und verstand: Ich bin hier jetzt schon eine Ewigkeit einen Monat. Wow. Das gab natürlich Anlass zu allerlei Denkerei über meine Zeit hier.
Zurückblickend kann ich sagen, dass es wohl jede Woche besser wurde. Mit den Leuten und bei der Arbeit. Hier passiert immer so viel, dass die Zeit einem total ewig vorkommt. Gleichzeitig passiert aber alles in wahnsinnig kurzer Zeit. Was gibt es neues?
- Ich habe eine neue Mitbewohnerin.
- Und zwei neue Radiosendungen. Blick in die Welt mit Nachrichten und Studiogästen immer von 9 – 11, ich sitze an der Technik und in der Redaktion, zu hören sein dürfte ich wenig. Hallo Kinder täglich von 14-15 Uhr, hier im Duo mit meiner Erklärbärkollegin. Der Tag vergeht so ziemlich schnell, weil ich eigentlich von Sendung zu Sendung husche. Für mich ist es perfekt so. Da ich mittlerweile etwas sicherer bin: Zuhören kann man hier: http://www.nbc.na/radio/ German Service klicken.
- Ich bin zu acht Taxi gefahren, ja wirklich, in so einem kleinen Taxiauto wie es hier alle Taxifahrer haben. Es war irgendwie ziemlich witzig zu sechst auf der Rückbank gestapelt, der Fahrer fuhr wie auf einer Achterbahn und ich hatte einen prächtigen Blick durch die Windschutzscheibe. Da wäre ich im Falle des Falls wohl auch durchgeflogen.
- Taxi fahren ist oft ein Erlebnis. Ich hatte schon so viele Taxigeschichten. Bekam in Taxis Einladungen auf Dates. Wurde über Deutschland ausgefragt und fragte zurück. Ein Highlight wird mir immer der Fahrer bleiben, der auf einmal sein Handy zückte und mir seinen deutschen Freund ans Ohr hielt. Mit dem hab ich dann die Fahrt über gequatscht. Allgemein sehe ich beim Taxifahren ungemein viel von der Stadt. Dass man noch
jemandeneine beliebige Anzahl von Personen auf dem Weg aufgabelt und absetzt ist völlig normal. Früher oder später kommt man meist ans richtige Ziel, Zeit sollte man immer einplanen. - Ich habe wirklich gelernt, was „African Time“ ist: Man kommt so relativ, wann man will. Wenn man fertig gechillt hat, oder so. Ganz ehrlich, außer für eine Sendung habe ich mich hier jetzt schon eine Weile nicht mehr beeilt.
- Ich habe langsam die Ruhe weg. Hier lernt man Geduld.
AlleViele hier sind so entspannt wie die Robben am Cape Cross beim Verrichten ihrer Arbeit. - In Africa we share. Dieses Argument wird zu beliebigen Zeitpunkten herangezogen. Zum Beispiel, wenn man im Club eine vergebene Frau anmacht. „That’s my girlfriend.“ – „Come on. In Africa we share.“ Oder beim braaien. We share. Das beef und pork, das kudu und lamb, den Salad eh und das Bread natürlich auch.
- Entspannt mit einem Stück Kuchen aus der Kuchenflatrate in einem Café auf einem Berg sitzen, ins Tal blicken und Giraffen beobachten, dabei Tee trinken? Geht hier, auf der Goche Ganas Farm ganz nah bei Windhoek.
- Ich habe meinen Bachelor so gut wie in der Tasche. 160 Leistungspunkte habe ich bereits, die Bachelorarbeit ist abgegeben und in Windhoek habe ich letzte Woche auch meine letzte Hausarbeit beendet. Ich habe es noch nicht ganz realisiert, habe aber von Zeit zu Zeit spontane Freudenausbrüche. Und warte gespannt auf die letzten Noten.
- Kollege krank? Kein Ding. 15 Minuten vor Sendebeginn informierte man mich beim Eintreten ins Studio
über mein Glück, die Sendung an diesem Tag alleine schmeißen zu dürfen. Nach einigen Schweißausbrüchen blieb ich erfolgreich on air. - Ich war in Katutura. Mehrmals. Was das mit mir gemacht hat, kann ich mir selbst noch nicht genau beantworten. Und interessanterweise auch niemand, mit dem ich sonst darüber gesprochen habe. Eins steht fest: Hier in Namibia muss man Gegensätze aushalten können. Gegensätze, die nicht im entweder-oder auftreten, sondern direkt nebeneinander, und deshalb umso mehr ins Auge stechen.
- An irgendeinem Freitag war ich beim Poetry Slam. Ganz anders als in Berlin. Erst kamen viele niedliche Gedichte von Schülerinnen und Schülern, die einen Workshop zum Slammen hatten. Vieles war relativ easy going, Liebe, Freundschaft, hamwaschongehört. Dazwischen kamen immer mal wieder ein paar Schocker, die mir bewusst gemacht haben, dass ich hier wirklich in einer anderen Gesellschaft bin. Alkoholkonsum, häusliche Gewalt und sexuelle Diskriminierung würde in Deutschland so manch ein Jugendlicher in diesem Alter nicht so wortgewandt und eindrücklich ansprechen! Ich war wirklich ein bisschen baff.
- Chakalaka ist scheiße scharf.
- Kudu ist mega lecker.
- Und für mich ganz persönlich: Immer offen sein. Immer alles Neue ausprobieren. (Gut, sonst wär ich nicht hier, aber das wird hier noch intensiver.) Im Moment leben. Es ist egal, was andere denken. Auch ich komme nicht mit jeder Persönlichkeit klar. Immer alles aussprechen, unterschwellige Konflikte meiden. Augen zu und durch. Ich kann mehr, als ich denke. Nichts gibt mehr ein Zuhause, als liebe Menschen.
Einen kleinen Fotobeitrag zum Wochenende an der Spitzkoppe gibt es hoffentlich bald. Vielleicht ja auch eine Kindersendung. Und den Bericht von meinem ersten Oktoberfestbieranstich. Hier wird es nie langweilig. 🙂
Liebste Grüße aus Windhoek!



2 Kommentare