(Der erste Teil dieses Posts wurde Ende August verfasst, da war ich seit 2 Wochen wieder in Deutschland.)
Und auf einmal ist man also wieder in Deutschland. Der Himmel ist bewölkt, die Luft ist unfassbar feucht, und von dem Geld was zwei Bier kosten hätte man in Windhoek eine ganze Nacht lang ausgehen können.
Ich versuche natürlich anzukommen und natürlich gibt es auch viele Dinge die mir gefallen: Dass es nachts nicht so kalt ist zum Beispiel, oder dass man im Späti Bier kaufen kann. Mit diesem Bier in der Hand kann man dann zu jeder Tages und Nachtzeit loslaufen, man kann rausgehen wann und wohin man will. Man hat sein Handy, seinen MP3-Player, seine EC-Karte und Bargeld dabei. Das Geld steckt im Portemonnaie und nicht im BH oder in den Schuhen.
Man geht also aus – und bleibt unter sich. Deutsche bleiben unter sich, habe ich den Eindruck. Man kann den ganzen Abend in einer Bar sitzen und einfach nur mit den Leuten reden mit denen man ohnehin am Tisch sitzt. Das ist etwas langweilig.
Es brennen Flüchtlingsunterkünfte und Nazis gehen gemeinsam mit „besorgten Bürgern“ demonstrieren. Ich empfinde einen unbeschreiblichen Ekel. Und Angst. Ich war gerade ein Jahr zu Gast und wurde von so vielen Menschen so offen und herzlich und hilfsbereit empfangen. Hier hingegen ist Herzenskälte anscheinend gerade salonfähig geworden. Die Leute sollten offener werden und mehr Fremde treffen, um sich mal positiv überraschen zu lassen. Sie könnten ja in den Bars damit anfangen.
Ich versuche also, anzukommen. Ich finde ein WG-Zimmer und einen kleinen Job. Ich beantrage BaFöG, Kindergeld und Familienversicherung. Die Basics sind gesichert. Soweit, so gut.
Dann und Wann überkommt mich Heimweh nach Windhoek, ich möchte ins Warehouse gehen, einen Taco bei Jojos essen und bei Sonnenuntergang mit Ausblick auf Khomasdal durch die Stadt joggen. Ich will auf dem Treppengeländer sitzen und lesen und das bunte Treiben an der Uni beobachten. Und außerdem will ich den blauen Himmel zurück.
Und jetzt ist es schon fast drei Monate später. Nach einer trotzigen Wiederankunft bin ich mehr oder weniger in den Alltag gestolpert. Oft werde ich gefragt:
UND, hast du dich denn schon wieder RICHTIG eingelebt?
Ich zähle meine formalen Errungenschaften auf: Wohnung, Job, Bafög, Kindergeld. Super. Innerlich erleide ich aber eigentlich immer eine kleine Krise, wenn jemand sowas fragt. Vor allem seit ein Freund zu mir sagte, er wünsche mir aber wirklich, WIRKLICH, dass ich mich eines Tages wieder total einleben würde.
Der verzweifelte Wunsch wieder wie das passende Puzzleteil nach Berlin zu passen wich mit der Zeit einem gewissen Trotz: Was heißt das überhaupt, sich aber (jetzt verdammt nochmal endlich) richtig wieder einleben?
Heißt richtig wieder einleben, dass ich nicht mehr wehmütig an Namibia zurück denken darf? Nicht vermissen darf? Muss ich total cool sein, checkermäßig grinsen und sagen: Klar, rischtisch dufte hier dieses Deutschland!?
Ich denke nicht. Denn dann hätte ich genauso gut zuhause bleiben können. Das wäre ja, als wäre ich nie weg gewesen. Vor über einem Jahr wollte ich was Anderes kennen lernen. Was neues. Meinen Horizont erweitern.
Und genau das ist passiert: Mein Horizont ist jetzt erweitert. Damit muss ich jetzt leben, damit muss ich auch in dem Sinne leben, als dass Namibia als ständiger Vergleich und Referenzpunkt meinen Alltag begleitet. Das ist lehrreich, denn der Vergleich lässt es zu, das Gewöhnte und Vertraute auf einmal in neuem Licht zu betrachten. Das wusste schon Bertolt Brecht. Er führt den Vergleich als eine Methode der dialektischen Darstellung an. Soll heißen: Wenn ich durch Vergleich Kontrast schaffen kann, kommt mir meine Normalität auf einmal vielleicht gar nicht mehr normal, sondern wieder beachtenswert vor.
Der Kontrast kann vieles sein. Er kann dankbar machen für die hiesige Sicherheit, für die Heizung und die abgedichteten Fenster und die Spätis. Er kann deprimieren über die Anonymität, zu lange Zeit ohne Sonne, zu viele Regeln, zu viel Statik, zu wenig Spontanität. Manchmal ist der Kontrast sogar ein richtiges Arschloch, dann tut er richtig weh. Dann frage ich mich, wann und wen ich überhaupt jemals wiedersehen werde. Und manchmal ist er wunderschön, und ich bin wahnsinnig glücklich wieder viel Zeit mit langjährigen Freunden verbringen zu können.
Es ist also so, wie man sagt: Ich habe mich verändert. Hätte mich all die Zeit nicht verändert, das wäre auch schon irgendwie weird. Natürlich wäre ich froh, wenn noch ein bisschen mehr Gras über die Sache wachsen würde.
Aber ich glaube, wenn man akzeptiert, dass das Gras nunmal nicht von heute auf morgen zu einer wilden Wiese wächst, ist schon eine Menge getan. 🙂
Und mit diesen weisen Worten… isses vorbei. Für mich war dieser Blog zum einen ein Medium, dass es mir ersparte, ständig allen Leuten dieselben Stories zu berichten. Zum anderen war er für mich tatsächlich eine Art des Reflektierens und Verarbeitens. Zahlreiche unveröffentlichte und teils unbeendete Gedankenströme werden seinen passwortgeschützten Speicher wohl nicht mehr verlassen. Irgendwann hatte dieser Blog eine mir verrückt vorkommende Anzahl an Klicks pro Artikel (jedenfalls gemessen an der Anzahl meiner Facebookfreunde), und manchmal kam von ganz unerwarteter oder unbekannter Seite eine liebe oder ermutigende Reaktion.
Deswegen hatte ich wohl auch das Bedürfnis, dem ganzen noch einen Abschluss zu verpassen.
Ich habe fertig, adios.


























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