Übergänge und die Zeit dazwischen

Kaip yra keista vėl gyventi su – arba tiksliau – pas savo tėvelius.

Wie seltsam ist es doch, wieder mit – oder eher gesagt – bei seinen Eltern zu wohnen. Aus irgendeinem Grund ging mir dieser Satz am besten und als erstes auf Litauisch über die Lippen bzw. von den Fingern. Nach sieben Jahren eigenständigem Leben in Marburg wohne ich nun – wenn auch nur für einen Monat – wieder bei meinen Eltern im östlichen Vorharz. In Halberstadt, dem selbsternannten Tor zum Harz.

Der große Auszug aus der heimatgewordenen mittelhessischen Provinz ging am Sonnabend geradezu reibungslos über die Bühne. Meine Eltern hatten sich bereits in aller Herrgottsfrühe im Transporter auf dem Weg nach Marburg gemacht, um mich mit Sack und Pack und einer Vielzahl an zu voll gepackten Kartons sowie den wenigen verbliebenen Möbeln einzuladen. Eine Woche lang habe ich, immer wenn die Lust oder Unlust mich gepackt hat, nach und nach mein Hab und Gut in Kisten verstaut oder beschlossen, dass es an der Zeit ist, sich voneinander zu trennen auf die ein oder andere Weise. Einige meiner Habseligkeiten – meine Regale und meinen Sessel zum Beispiel – habe ich Freunden vermacht; andere, wie zum Beispiel die Mitschriften der Ringvorlesung im ersten Semester oder mein Hefter zur Einführung ins Neuirische, haben sich in die ewigen Jagdgründe der Papierwiederverwertung verabschiedet und erwarten nun vielleicht ein neues Leben als Tageszeitung. Vorräte wurden aufgebraucht. Die Deko aus Postkarten musste von den Wänden weichen (Klebestreifen und Wandfarbe scheinen übrigens keine besonderen Freunde zu sein…). Vorletzten Freitag habe ich mich schon vom Großteil meiner guten Freunde verabschiedet und die Gelegenheit genutzt, mit ihnen noch mal gemütlich grillend, trinkend und quatschend an der Lahn zu sitzen. Es wurde spät und später. Zuerst mit einem Lagerfeuer im Unterteil des Grills und dann – mit einsetzendem Platzregen – einer Flucht ins nahegelegene Zuhause.

Und nun also wieder im alten Zuhause. Zuhause-Zuhause, wie ich es immer genannt habe, als mein eigentliches Zuhause noch in Marburg war. Das klingt jetzt vielleicht sehr melancholisch, ist es aber gar nicht so sehr – jedenfalls nicht von vornherein. Im letzten Jahr habe ich immer mehr das Gefühl bekommen, dass mich in Marburg nur noch wenig hält: Viele meiner Freunde, mit denen ich damals im Wintersemester 2008/09 zu studieren begonnen hatte, waren bereits zum Master in eine andere Stadt gegangen oder sind nun ebenfalls mit ihrem Studium fertig und sind in die weite Welt gezogen. Natürlich sind in der Zwischenzeit auch neue liebe Menschen nach Marburg gekommen – keine Frage! Aber es überwog dann doch das Gefühl, weiterziehen zu müssen. Das Gefühl, mal wieder andere Häuser, Kirchen, Flüsse, Felder und Wälder – und das Meer! – sehen zu müssen. Und vor allem die Ungewissheit, ob ich wirklich promovieren will oder ob es letzten Endes doch ein Job außerhalb der Academia wird. Auch darüber will ich mir in meinem einen Jahr beim DAAD in Riga klar werden.

Und so sitze ich in meinem alten Zimmer, sortiere Unterlagen und Bücher aus Kartons in Regale ein und diverse Überbleibsel aus Schulzeiten – Hefter, Dekokram, Erinnerungen an alte Zeiten – aus Tüten und Kisten aus. Es ist eine Zeit des Übergangs und auch der Veränderung, denn in weniger als einem Monat, in gerade einmal 27 Tagen fängt schon das Vorbereitungsseminar am Werbellinsee (Anmerkung der Eltern: War da früher nicht die Pionierrepublik…?!) an. Es ist gleichzeitig unheimlich aufregend und irgendwie auch beängstigend, wie schnell die Zeit vergeht und wie wenige Tage nur noch bleiben. Aber die Vorfreude aufs Neue überwiegt:)