Rückblende / 27.08.2014
„Es gefällt mir in Deutschland, aber in Rumänien gefällt es mir besser!“
Zwei Mal höre ich diesen Satz. Das erste Mal in Bod, ein kleiner Ort in der Nähe von Brașov, wo ich eine Woche verbringe und das andere Mal oben auf einer Alm in den Karpaten. Zwei Rumänen sagen das, beide haben für längere Zeit in Deutschland gelebt und gearbeitet. Beide sprechen fließend Deutsch, der eine weil er es als Kind gelernt hat und ein Siebenbürger-Sachse, der andere weil er ein Sprachtalent ist.
Deutschland, das ist für viele Rumänen ihr persönliches Eldorado. Ein reiches, gutorganisiertes Land mit einem Sozialversicherungssystem, das seines gleichen sucht. Auf einem Ranking der Länder, in die die Rumänen das meiste Vertrauen haben, rangiert Deutschland auf Platz zwei hinter Großbritannien. Tragischerweise genau die beiden, die Rumänien und den Rumänien nur wenig bis gar kein Vertrauen schenken. Es ist ein komisches Verhältnis von demütiger, resignierender Bewunderung und Abhängigkeit, das ich viele Male beobachtet habe, wenn über Deutschland und die deutsche Politik gesprochen wird. Und es wird oft über diese gesprochen, „Germania“ ist allgegenwärtig.asjidojasdij
Die Aussage überrascht mich und macht mich froh. „In Rumänien bin ich freier“, sagt der Bergführer auf der Alm. Er sieht Vorteile und Nachteile, mag manches, vieles aber auch nicht. Er hat die rumänischen Gemüsegärten vermisst und er hat hier mehr Zeit, um Entscheidungen zu treffen. In Deutschland sei der Druck höher. Es macht mich froh, weil das eine differenzierte Sichtweise ist, keine Schwarz-und-Weiß-Malerei. Sich selbst ein Bild zu machen und dann zu urteilen, das sollte eine Selbstverständlichkeit sein – und ist es oft eben nicht. Zu allem eine Meinung haben zu wollen, mitreden zu können, das ist zutiefst menschlich. Und so urteilen Menschen in Rumänien und Deutschland über einander, ohne sich wirklich zu kennen. Die einen fällen ein überwiegend positives Urteil, die anderen ein überwiegend negatives. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.
Ich bin auf dem Weg zurück nach Deutschland. Dorthin, wo irgendwo meine Heimat ist. Nach einem Jahr, das wie im Fluge verging. Ob ich bleiben werde, weiß ich noch nicht. Ich freue mich auf vieles. Auf das Essen zum Beispiel, eine gewisse Ordnung, die Leichtigkeit, die sich einstellt, wenn man sich auskennt und Multikulturalität, die ich in Craiova oft vermisst habe. Gemütlich ruckel ich mit der Bahn in nordwestliche Richtung. Heute Abend werde ich in Budapest sein und morgen früh schon in Berlin. Und je weiter ich fahre, desto klarer wird es: ein bisschen Herz bleibt hier, in Oltenien. Eingerahmt von Donau und Karpaten. Es war ein unvergesslicher Sommer, ein richtiger Sommer. Und auch jetzt scheint die Sonne wieder zuverlässig. All das ist so schön, aber für den Moment bin ich nun mal eine Heimkehrerin.
Wie die zwei Rumänen, von denen ich am Anfang berichtet habe. Der eine führt ein Gästehaus auf seinem eigenem Bauernhof, was für ihn in Deutschland nicht möglich gewesen wäre. Der andere ist Bergführer und organisiert Touren auf dem Mountainbike durch die Karpaten. Wenn die Nachfrage mal nicht so groß ist, sind da zum Glück immer noch seine Freunde, deren Gemüsegärten und viele Gelegenheitsjobs. Ob das einfach(er) ist? Wahrscheinlich nicht. Aber vielleicht frei(er).
Ein unglaublich schönes Jahr klingt ganz leise und bescheiden aus. Hierher zu kommen, war eine großartige Entscheidung! Was ich mitnehme? Viele Erinnerungen, Erfahrungen, Hoffnung und der Wunsch, bald wieder zu kommen.
Viele Grüße aus Deutschland!
Jele,
danke für ein Jahr horizonterweiternde, spannende und oft lustige Lektüre. Mir jedenfalls hast Du die „Kleine Walachei“ ziemlich ans Herz gelegt.
Stefan