Pe străzii / On the road

Sonntagmorgen, 8 Uhr. Es ist erstaunlich kalt. Natürlich, es ist Mitte Januar, da sollte es normalerweise noch viel kälter sein. Doch die milden Temperaturen der letzten Tage lassen mich schon von einem frühen Frühling träumen. Und offensichtlich auch die Bäume und Sträucher, an denen schon die ersten Triebe zu erkennen sind. Während die USA in Schneestürmen versinken, baden wir im Sonnenschein. Aber das kann sich auch schnell wieder ändern: Für die nächste Woche sind Temperaturen von bis zu – 10°C vorausgesagt und spätestens dann sind die meisten der grünen Triebe wieder dahin. Dieses Bild scheint sich auf Geschehnisse übertragen zu lassen, die nicht weit von hier ihren Lauf nehmen. Von einem ukrainischer Frühling kann keine Rede mehr sein und es bleibt abzuwarten, wann sich die aufziehenden grauen Wolken wieder lichten. Denn jetzt ist erst ein Mal Winter und darauf freut man sich in Sotschi ganz besonders. Blöd nur, dass sich nicht jeder mitfreuen kann. Oder darf? Der Platz auf dem Siegertreppchen und die Medaillenanzahl ist beschränkt. Und Toleranz sowieso.

 

Straßenhund

Es ist Sonntagmorgen und ich trotte durch die schmalen, mit Kopfstein gepflasterten Straßen, die aus dem Zentrum heraus führen. Hier, in der Nähe des Stadions gibt es viele kleine Einfamilienhäuser, in deren Gärten Gemüse, aber auch Fleisch „angebaut“ wird. Hühner gackern vor sich hin, der ein oder andere hat eine Ziege oder auch ein Schwein. Und es hat scheinbar jeder einen Hund, der, sobald draußen vor dem Tor Schritte zu hören sind, hysterisch anfängt zu bellen. Allerdings nicht nur der Hund hinter dem Tor, sondern natürlich auch der vor dem Tor. Der berühmt-berüchtigte Straßenhund. Dieser ist mir an diesem Morgen überhaupt nicht wohl gesinnt. Es dämmert gerade und irgendetwas liegt in der Luft. Nervös werde ich von einem am Straßenrand liegenden, harmlos aussehenden  Exemplar beäugt. Ich gehe einfach erst ein Mal vorbei, doch damit ist die Sache aus dessen Sicht wohl nicht beendet. Er oder sie mag mich nicht, was in den nächsten Minuten mehr als deutlich wird. Und ich bin wirklich unglaublich froh, dass mein Gegenüber kein Gebrauch von seinen wunderschönen Zähnen macht. Am Ende tun wir beide mir leid. Der Hund, weil sein Leben bei den Temperaturen und dem ein oder anderen gemeinen Menschen wahrscheinlich nur mittelschön ist. Und ich mir selbst, weil ich ihm nichts Böses wollte. So ein Stress, auf den wir zwei gut und gerne hätten verzichten können.

Dass es ihn dennoch gibt, hat unter anderem folgende Gründe: Nur ein Bruchteil der in Privathaushalten lebenden Hunde ist  sterilisiert, oft aus Kostengründen. Dazu kommt, dass es in den dörflichen Vierteln der Städte durchaus üblich ist, die Haushunde tagsüber in den Straßen herum streifen zu lassen. Nicht nur dort werden deswegen viele Welpen geboren, sondern auch in den Gärten und Höfen der Hundebesitzer. Für tierischen Nachwuchs ist da aber oft kein Platz und keine Kapazität vorhanden, welcher  deswegen nicht selten ohne Mutter auf der Straße landet.

Es ist ein seit langem währender, nicht enden wollender Kreislauf. Um ihm ein Ende zu setzen wäre vielen Politikern – und auch großen Teilen der Bevölkerung – die schnellste und zugleich kostengünstigste ‚Lösung‘ am liebsten. Die sieht eine Masseneinschläferung der Tiere vor. Doch bei durchschnittlich zwei Würfen pro Hundedame im Jahr kann man sich davon keinen sonderlich lang anhaltenden Effekt erhoffen.  Bis sich etwas ändert, wird wohl noch ein bisschen Zeit in dieses Land gehen und die Menschen in Rumäniens Städten werden weiter ihre intensive Hassliebe zu den Vierbeinern pflegen. Ähnlich wie zu den Nachbarn: Manche sind nett und manche nicht und Missverständnisse kommen schon Mal vor.

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Straßenfahrrad

Der Grund aus dem ich an diesem Sonntagmorgen schon so früh auf den Beinen bin, ist Silvias Fahrrad. Auf dem strampele ich mich über Stock und Stein in das Umland südlich von Craiova. Die nächsten Stunden werden zu einem wahren Abenteuer! Das Fahrrad ist mir ein wenig zu groß ist, die vier Hunde hinter uns sind mir ein bisschen zu schnell und die Autofahrer erscheinen mir angesichts zweier Fahrräder auf der Fahrbahn ein wenig überfordert. Gefühlte eintausend Mal werden wir an diesem Tag angehupt, was das rumänische Allzweckmittel in Sachen Verkehr ist. Wurde dir die Vorfahrt genommen – hupen, lässt dir jemand die Vorfahrt – hupen, überholst du – hupen, willst du abbiegen – hupen, willst du jemanden davor warnen, dass du gleich mit rasanter Geschwindigkeit auf ihn zugerast kommst – einfach hupen. Erscheint vor dir ein Fahrrad auf der Fahrbahn und ist es dort das erste in fünf Jahren – definitiv hupen! Eine Spanierin und eine Deutsche mit Sportschuhen, Mountainbike, Rucksäcken, Fahrradtaschen und Fotoapparat aus Spaß am Nervenkitzel auf Rumäniens Straßen – nach fünf Stunden können wir noch immer nicht nachvollziehen wie unfassbar exotisch wir mit unserer Ausstattung und unserem Unterfangen auf unsere Umwelt wirken müssen. Für den Ausblick über Craiova, den Jiu und für die netten Menschen, denen wir begegnen, lohnt es sich alle mal!

 

PASCH

PASCHAm Montag sitze ich zusammen mit den Schülern des Deutschclubs im Deutschkabinett. Gemeinsam planen wir das Programm für den hochrangigen Besuch, der im Februar hier eintreffen wird. Unser Gast ist jung, dynamisch, sportlich, vielseitig interessiert, Weltenbummler und ein echter Waschlappen. Es ist das PASCH-Maskottchen Treffi, das momentan auf Weltreise ist und uns zehn Tage mit seiner Anwesenheit beehren und auf Trab halten wird. Seit ein paar Jahren ist „Elena Cuza“ nun schon PASCH-Schule, somit also Teil des PASCH-Netzwerkes, das durch Treffis Besuch mehr über unsere Schule und unsere Stadt erfahren soll!

Das Ende des Schulsemesters samt Noten steht vor der Tür, bald sind schon wieder Ferien und eine gewisse emsige Erschlaffung macht sich breit. Jeder wurschtelt so vor sich hin, arbeitet seine To-Do-Listen ab und ist froh, wenn nach den Ferien neuen Schwung in die Bude kommt.

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neuer Schwung

Ich kann es nicht abwarten und mache mich jetzt schon mal auf die Suche nach neuem Schwung und vor allen Dingen einer neuen Bude. Kein ganz leichtes, aber in jedem Falle amüsantes Unterfangen. Die Frau von der Agentur, die mir bei meiner Suche hilft, hat, wie so viele, in Frankreich studiert und so hat das Ganze den angenehmen Nebeneffekt, dass ich mein Französisch etwas auffrischen kann. So stehen wir also am Dienstagabend in einem kleinen Zimmer im Stadtzentrum. Besonders Küche und Kühlschrank haben es mir angetan. Es ist ein möbliertes Zimmer, deswegen möchte ich wissen, ob Geschirr und Töpfe bereits vorhanden sind. „Nein“, antwortet der Vermieter und wechselt im Laufe seiner Antwort permanent zwischen Englisch und Rumänisch, „aber das ist auch gar nicht schlimm. Sie dürfen hier nämlich sowieso nicht kochen.“ Die Maklerin, Silvia und ich sind leicht irritiert. „Ja, wegen der Gerüche dürfen sie nicht kochen. Ein Tee oder einen Kaffee schon, aber kein Omelette. Tee ja, Omelette nein.“ Er spricht unglaublich schnell und kann sich nach wie vor nicht für eine Sprache entscheiden. Die Maklerin hakt nach, doch es bleibt dabei. Sie fragt, was ich dazu denke. Ich würde es ihr gerne mitteilen, doch der Vermieter, der merkt, dass diese Information mein Interesse an dem Zimmer schrumpfen lässt, gibt jetzt alles! Er redet in einer Lautstärke und Schnelligkeit auf mich ein, dass es mir unmöglich ist seine Stimme auszublenden. Was allerdings dringend nötig wäre um mithilfe meines eingerosteten Französisch verständlich kund zu tun, dass ich vor allen Dingen um ziehen möchte um kochen zu können! „Ehh, oui, je suis d’avis que…see it’s no problem…alors, je pense que…no washing mashine… que, que ce n’est pas vraiment, vraiment…could wash by hand…approprié pour moi….by hand, it’s easy! You can prepare tea or coffee, așat! Ceai sau cafea, but no eggs, no eggs because of the smell, ați înteles? Okay?...j’aimerais faire la cui…nice modern bathroom, you can connect a tv here, televizorul, ați înteles? But no cooking…FAIRE LA CUISINE!

Wir flüchten. Der Vermieter verspricht noch mal mit seiner Frau darüber zu reden, ob ich mir nicht doch mal ein Ei machen kann, aber das interessiert mich nicht mehr besonders. Ați înteles –haben Sie verstanden?!

 

on the road again

Am Donnerstag soll es mit der Besichtigungstour weiter gehen, doch es kommt zu kleinen Komplikationen. Der Vermieter möchte, dass ich bevor ich mir die Wohnung anschaue, einwillige die Miete für die nächsten sieben Monate im Voraus zu zahlen. Wieder stellt sich eine leichte Irritation ein. „Monsieur le Propriétaire“, wie ihn die Maklerin schön förmlich nennt, kann unter diesen Umständen seine Wohnung gerne behalten! Da verabschiede ich mich lieber erst ein Mal nach Sibiu, um dort neben Milan, dem dort ansässigen Freiwilligen, drei weitere Kulturweitler zu treffen, die momentan in Bosnien im Einsatz und auf großer Reise sind. Die  vier Stunden Fahrt sind so ruhig und friedlich wie bisher keine Bahnfahrt in Rumänien. Keine Dauertelefonierer, kein Sitznachbar und ein tiefroter Sonnenuntergang.

Angekommen, werde ich zur Philharmonie bestellt und erst ein Mal zu den anderen ins Konzert gesetzt. Schöne Tage sind das mit viel Kaffee, Pizza und Büchern und noch viel mehr Gesprächsstoff (: Zurück nach Craiova bringt mich ein kleiner, schmucker Bus auf direkten Weg durch die Karpaten. Dessen trotz lauer Temperaturen schneebedeckte Gipfel verschwinden aber schon bald aus meinem Blickfeld, während wir uns durch die Täler vorwärts schlängeln. Was eine Landschaft! Schön und ziemlich zugemüllt!

 

Am Sonntag feiern wir Silvias Geburtstag mit Kürbissuppe, Kartoffelauflauf, Streuselkuchen und Roggenbrot. Einen Monat ist mein Besuch in Deutschland her und ich vermisse das Brot jetzt schon so sehr. Es ist der absolute Klassiker, ein wirkliches Klischee, eine Liebe, die nur wenige teilen: die Liebe zu dunklem Brot. Während Rumänen, Spanier und Chinesen eher zurückhaltend an ihrer Stulle knabbern, genieße ich aus vollen Zügen!

Und schon wieder ist Montag und damit Deutschclub. Wir wurtscheln uns gemeinsam durch schwierige „st-“, „sp-“,  „ch-“ „z-“, „s-“ und „ß“ –Laute: Selten ess‘ ich Essig; ess‘ ich Essig, ess‘ ich Essig mit Salat!

 

Viele Grüße aus Craiova!

 

 

 

 

 

4 Comments

  1. Doris Grallert

    Liebe Jelena, ich habe einen Brief an Dich abgeschickt, doch vorab schon mal liebe Grüße von Opa und von mir. Es umarmt Dich Deine Oma Doris

  2. Barbara Grallert-Berner

    Liebe Jelli, schön, mal wieder etwas von Dir zu lesen! Ja die Situation in der Ukraine ist Besorgnis erregend und von einem Frühling kann keine Rede sein. Tja und die Haltung zu den Winterspielen mal wieder eine von Ignoranz geprägte, Das Argument wird ja bemüht, dass dadurch auch so etwas wie Solidarität gezeigt werden könnte, Die Gefahren werden weg geredet und einfach auch die Tatsache, dass es hier durchaus um moralische Bedenken gehen könnte. Den sportlichen Spass wollen sich Viele halt einfach nicht nehmen lassen, egal, was um sie herum passiert!
    Und jetzt mal zu Dir: wie hast du im letzten Blog geschrieben…welche großen Veränderungen sind schon groß geplant…aber unverhofft kommt eben doch auch oft! Bei dieser kryptischen Aussage soll es zunächst mal bleiben, du weißt ja was gemeint ist :-))
    Liebe Grüße aus der verregneten Heimat
    von Mama

    und auf diesem Umweg auch an Stefan (ich weiß ja, dass du auch Wiederholungtäter bist und merhmals hier vorbeischaust :)

  3. Stefan

    Hallo Jele,

    bleib‘ bei der Wohnungssuche am Ball!
    Falls das mit den fünf Jahren doch anders ausgeht,, wird sich Wettkampfhärte bezahlt machen, wenn rhein-mainische Vermieter auf die Matte zu legen sind.

    Schön, wieder mal von Dir zu hören.

    Grüße, auch an die Frau Mama, von

    Stefan

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