Revolution! In der dritten Klasse am Montagmorgen. Sie ist laut und schräg und klingt nach
„Rot, rot, rot sind alle meine Kleider,
rot, rot, rot ist alles, was ich habe.
Darum lieb‘ ich alles, was so rot ist,
weil mein Schatz ein Apfel ist.“
jkyxjRevolutionär ist dabei nicht, was, sondern dass wir singen.
Und die Kids scheinen an unserer kleinen Revolution Gefallen zu finden, auch wenn sie meine Obstversion dieses deutschen Kinderliedes nicht ganz so überzeugend finden. Birnen sind nämlich nicht grün, sondern gelb. Das ist doch wohl klar! Ich hätte lieber Trauben nehmen sollen. Ich verteidige mich damit, dass ich erstens finde, dass diese Birnen, die ich mitgebracht habe, sehr wohl grün sind und dass Trauben ja schon in der „blauen Strophe“ vorkommen. „Na, dann hättest du halt Pflaumen nehmen sollen, die sind auch blau. Aber Birnen sind auf keinen Fall grün.“ Meine Kollegin, die als Übersetzerin fungiert, muss kichern und ich muss einsehen, dass ich einfach nicht Recht habe. Nach fünf langen Strophen und gefühlten 1000 Mal, die wir sie im Laufe der Stunde singen, sind die Kinder ganz hibbelig von den vielen Fragen, die sie haben.
„Ist es schön in Deutschland?“ „Wann hast du Geburtstag?“ „Welches Sternzeichen bist du?“ „Welche ist deine Lieblingsfarbe/ -zahl/ -blume?“ „Was ist dein Lieblingsgericht in Rumänien und was ist es in Deutschland?“ Und absolutes Highlight: „Wo hast du denn so gut Deutsch gelernt?“ Als es zur Pause klingelt, muss ich versprechen, dass ich am Mittwoch wiederkomme.
Projekte, Projekte, Projekte
Für mich steht nun erst mal eine Info-Veranstaltung für die Klassen 11 und 12 an, denen ich mein Projekt „Was ist deine Heimat?“ vorstellen möchte, das nächstes Wochenende beginnt. Nach und nach füllt sich die Aula und mir schallt ein Dutzend Mal ein euphorisches „HAAALLOOO!“ entgegen. Ich bin die Heldin der Stunde, denn bekannter Weise kennt die Dankbarkeit von Schülern, die gerade um weitere Grammatikübung herumgekommen sind, keine Grenzen. Als ich aber schon nach 20 Minuten fertig bin, wird mir mein Heldenstatus enttäuscht wieder aberkannt.
Dann gehe ich halt zu den Achtklässlern, denen ich Treffi, das Pasch-Maskottchen vorstelle, das ich gerne zusammen mit ihnen an unsere Schule einladen möchte. Ein erster skeptischer Blick auf das kleine grüne Monster und dann ein Grinsen. Gebongt, irgendwie scheinen sie die Idee gut zu finden.
Der nächste Morgen beginnt bescheiden. Ich hole verschlafen die Milchpackung aus meinen „Kühlschrank“, dem Fensterbrett. Das, was dann aus dem Karton über mein Müsli strömt, hat leider nicht mehr viel mit Milch zu tun. Ein Fäden ziehender, nach Essig riechender Schleim hat sich über mein Frühstück gelegt. Prima! Ohne Frühstück auf die andere Seite der Schulbank zu wechseln und in der Uni einen Rumänisch-Test zu schreiben, ist hart. Heißt es nochmal „înterziem“ oder „înterziăm“? Jetzt heißt es zu pokern. Und das kann ich anscheinend. Nach dem Jahr hier studiere ich also entweder Rumänisch oder ich werde Pokerprofi, je nach dem.
Später stehe ich vor 60 müden Neunt- und Zehntklässlern und versuche sie ebenfalls für das „Heimat“-Projekt zu begeistern. Der Erfolg scheint eher mittelmäßig zu sein. Es ist Dienstagmittag um 14:30 Uhr, wie soll das dann erst Samstagmorgen um 11 Uhr werden? Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf!
Und wieder die 8. Klasse. Nein, das Projekt kostet nichts. Und nein, ihr bekommt auch keine Noten. Dass das ganze erstrangig Spaß machen soll, scheint eine außergewöhnliche Idee zu sein. Das mit dem Spaß hat die dritte Klasse schon besser heraus. Begeistert krähen wir wieder das Farbenlied und spielen ein Spiel, bei dem jedes Kind, das ein Kleidungsstück in der gerade besungenen Farbe trägt, die Hände in die Luft recken soll. Das Lied wird mit großem Jubel beendet, denn die letzte Strophe ist so blau wie die Schuluniformen, so dass 50 Hände ganz offiziell die Erlaubnis haben für einen kurzen Moment nach Herzenslust herumzappeln zu dürfen.
Mittwochmittag bekommen wir Besuch von einer Lektorin des DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst) in Bukarest, die die Schüler der 11. und 12. Klassen über Möglichkeiten in Deutschland zu studieren informiert. Bei der Kostenaufstellung der Lebenshaltungskosten eines in einer Großstadt lebenden Studenten halte ich die Luft an. 800 € pro Monat. Das sind 3200 Lei und ein Haufen Geld. Eine gute Alternative zu dem Studium in Deutschland ist ein Studium auf Deutsch in Rumänien. Im Norden des Landes gibt es ein immer breiteres Angebot an Studiengängen, die in Kooperation mit deutschen Universitäten entwickelt wurden. In den letzten Jahren kommen immer mehr deutsche Unternehmen nach Rumänien, die auf der Suche nach Fachkräften sind, die sowohl rumänisch, als auch deutsch auf hohem Niveau beherrschen und die beiden Länder gut kennen. Um die Nachfrage zu decken ist dieses Studienangebot perfekt und außerdem sorgt es in den meisten Fällen dafür, dass die jungen Uniabsolventen unter guten Konditionen in Rumänien bleiben. Wenn diese Entwicklung anhält, kann diese den massiven Fachkräfteschwund in Zukunft zumindest ein wenig eindämmen.
Die Pilotprüfung
Ein wichtiger Bestandteil des Deutschunterrichtes in den letzten beiden Jahrgangsstufen der Schwerpunktklassen ist die Vorbereitung auf das DSD II. Das DSD II ist das Deutsche Sprachdiplom der 2. Stufe und zertifiziert erfolgreich bestanden die Sprachniveaus B2 oder C1 und gewährt den Schülern somit freien Zugang zu deutschen Universitäten. Die Prüfungen finden jedes Jahr im Dezember statt und sollen von möglichst vielen Schülern der 12. Klasse angetreten werden.
Am Donnerstag findet eine solche Simulation der mündlichen Prüfung in unserer Schule statt, bei der sich vier Elftklässler freiwillig zur Verfügung stellen. Die mündliche Prüfung besteht aus zwei Teilen: Zuerst stellt der Prüfling ein ihm unbekanntes Thema vor, dass er oder sie zuvor 20 Minuten vorbereitet hat. Daran schließt sich das Prüfungsgespräch an. Im zweiten Teil präsentiert der oder die zu prüfende ein bereits über einen längeren Zeitraum vorbereitetes Thema. Es folgt ein weiteres Kolloquium.
Die Simulationsprüfung dient normaler Weise sowohl als „Notenfindungstraining“ für die Prüfungskommission, als auch als Orientierung für die Zwölftklässler. Dieses Mal diente es auch dazu den neuen ZfA-Fachberater (ZfA = Zentralfachstelle für Auslandsschulwesen) kennenzulernen, der für unsere Schule zuständig ist.
Eigentlich ist geplant, dass der Tag mit einer kleinen Pressekonferenz beginnt, doch die Presse kommt nicht. Wir nutzen die Zeit zum Aufbauen und ersten Kennenlernen. Um 9:40 Uhr beginnt die erste Prüfung und nach ungefähr 1 ½ Stunden ist schon wieder alles vorbei. Naja fast zumindest. Danach beginnt die Notenfindung. Ich bin dabei, weil ich in den nächsten Wochen bei den Vorbereitungen der eigentlichen Prüfung helfen soll und so am besten mitbekomme, worauf es am meisten ankommt. Mitten in die Beratungen platzt die Nachricht rein, dass jetzt die Presse da sei. Vier Stunden später als eigentlich geplant, aber immerhin.
Später folgt ein gemeinsames Mittagessen für das die Köchin extra Șnițel gemacht hat, was zwar auch oft hier in Rumänien gegessen wird, aber ursprünglich wohl mal von Österreichern und Deutschen ins Land gebracht wurde.
Nachmittags helfe ich ein bisschen im Geschichtsunterricht, der auch auf Deutsch stattfindet und versuche mich im Erklären der deutschen Grammatik. Keine leichte Angelegenheit!
Kunst, Kultur & Spelunke
Am Abend findet die Eröffnung der ‚Vernisaj‘ „Treasured Tensions“ des iranischen Künstlers Navid Nuur statt. Kunst und Kultur in Craiova, yeeeey! Wir zwei Deutschen – Silvia und ich – stehen zunächst etwas ratlos vor den sehr unterschiedlichen Kunstwerken, da hilft uns das Skript zur Ausstellung auf Rumänisch auch nicht viel weiter. Nach und nach werden wir von rumänischen Freunden aufgeklärt und merken: Das ist mal ein Künstler, der echt fixe Ideen hat! In „Treasured Tensions“ geht es um das Gegen- und Zusammenspiel von Tradition und Innovation in Rumänien. Da gibt es zum Beispiel die beiden großen Teppiche die auf traditionell oltenische Weise gewebt sind und den flimmernden Augenblick des Augenschließens darstellen sollen. Interessant! Dazu gibt es ein Glas oltenischen Wein.
Weil der Wein nicht genug war, bringt uns ein Freund in eine echte Spelunke, wie er meint. Spelunke ist ebenfalls so ein Wort, das es auch im Rumänischen gibt. Doch wir Deutschen scheinen damit wohl etwas anderes zu meinen, denn das Lokal in dem wir landen, hat in unseren Augen höchstens ansatzweise „Spelunken“-Potential. Dafür sorgen die niedrigen Bierpreise und die skeptische Nachfrage, ob wir wirklich ein alkoholfreies Bier bestellt hätten. Ansonsten versprüht dieser Ort eher heruntergekommenen, gefliesten Linoleum-Sozialismus-Charme, denn rustikales Kneipen-Feeling. Aber das ist eigentlich auch egal und hier kann man auch gut beim Bier über die Hühner sprechen, die sich gerade in der Legepause befinden. Und über die Ziegen. Nur ich kann nicht ganz mitreden. Aber das ist eigentlich auch egal. Zuhören reicht mir vollkommen.
Am Freitagmorgen findet die Deutschfachkonferenz statt, welche die erste in diesem Schuljahr ist, weil für sowas sonst die Zeit fehlt. Die rumänischen Lehrer geben nach und vor dem Unterricht und auch an den Wochenenden Privatunterricht, da bleibt nicht viel Zeit.
Zum Mittagessen sind der ZfA-Fachberater Herr Jaeschke und ich zum Mittagessen bei Silvia und Holger, meinem Ansprechpartner, eingeladen. Es gibt leckeren Salat und „rumänische“ Lasagne mit Wallnüssen und Mangold. An der Tatsache, dass ich wohl relativ oft über Essen berichte, kann ich nichts ändern. Das Essen lässt mir einfach keine Wahl, es ist zu lecker um unerwähnt zu bleiben.
Es ist inzwischen richtig kalt, doch als wir die Hühner im Garten besuchen sind die so vergnügt wie eh und je. Nur Eier legen sie halt momentan keine mehr.
ihisd
„Eu merg la Brașov“
Heute ist ein wunderschöner kalter Herbsttag und ich befinde mich auf dem Weg nach Brașov im Zentrum Rumäniens, wo ich das Wochenende verbringe. Seit vier Stunden zuckeln wir in einer deutschen S-Bahn durch die rumänischen endlosen Weiten.
Sogar Berge haben wir schon gesehen. Gerade stehen wir allerdings irgendwo im Nirgendwo an einem kleinen Bahnhof. Die Weiterfahrt verzögert sich ein bisschen. Der Lokführer will sich nämlich noch schnell am Kiosk eine Cola kaufen. Drum bun, gute Fahrt!
Viele Grüße aus Rumänien!
Liebe Jele,
ich stell‘ mir die Drittklässler und die Oberzappelphilippa vor, singe ein Bißchen mit und grinse bis an beide Ohrläppchen.
Botschafterin der Lebensfreude zu sein, ist nicht das schlechteste, was man aus unklarer Auftragslage machen kann.
Weiter so!
Viele Grüße,
Stefan
Liebe Jelena
schöne Grüße aus deinem Heimat!
Du machst alles sehr tapfer. Wir haben das alles schon erlebt. Als ich dein Blog bekommen habe, am nächsten Tag konnte ich nicht mehr aufhören zu lesen. Du schreibst sehr schön, unterhaltsam und ich erlebe alles wieder, als währe ich dabei. Mach weiter so. Wir denken an dich und warten auf die nächste Nachrichten. Ciau!