Am Freitag ist einfach schon wieder Freitag. Einfach so. Und das liegt nicht daran, dass so viel passiert wäre. Nein, es ist bloß Alltag passiert. Morgens in die Uni für den Sprachkurs und danach in die Schule um vorzubereiten und einer weiteren Klasse meine Präsentation zu zeigen. Und selbst da schleicht sich Routine ein. Mir ist letzte Woche aufgefallen, dass ich an zwei Stellen in den letzten fünf Klassen immer die selben Witze gemacht habe. Zum Glück haben die Schüler davon keine Ahnung, denn so toll waren sie dann doch auch wieder nicht.
Doch dann kam der Freitag und mit ihm das Event des Jahres!
„Mozart rocks“ zusammen mit der Philharmonie Oltenia, irgendeiner Rockband samt anstrengendem Sänger und einer großartigen Sängerin. 2 ½ Stunden lang werden nun Rockklassiker zu Klassikklassikern und Klassikklassiker zu Rockklassikern. Dieses Konzept scheint so innovativ zu sein, dass 800 Zuschauer – unter ihnen auch wir – es für nötig halten ins Stadion zu strömen. Ich bin ganz euphorisch, denn dabei sein ist alles. Wir haben jetzt auch endlich mal mitbekommen, wann und dass etwas los ist in dieser Stadt. Doch die Euphorie lässt im Laufe des Konzertes nach. Das offensichtliche Verschmähen jeder Art von Soundcheck lässt das einzig – optisch wie akustisch – wirklich Gute an diesem Spektakel, nämlich die Sängerin in ihrem Glitzerkleid, in einem ohrenbetäubenden Klangbrei aus Orchester, zwei Keyboards und vier (!) E-Gitarren untergehen.
Der Abend scheint frei nach dem Motto „Mehr ist einfach mehr!“ gestaltet zu sein. Dass Mozart außerdem mit seiner Sonnenbrille irgendwo in der dritten Reihe sitzt, ist für mich ein weiterer Beweis, dass hier etwas ganz gewaltig schief läuft!
„Craiova, te iubim!“ = „Craiova, wir lieben dich!“
steht auf dem Plakat hinter uns geschrieben. Tragisch ist dabei, dass selbst ich, die bisher eigentlich ganz zufrieden mit dieser Stadt ist, dies in diesem Moment wirklich nicht unte
Ich bin mir nicht sicher, ob der Handwerkermarkt, der Ende Oktober stattfand, mit all dem etwas zu tun hat. Er schien aber Anlass genug zu sein um ein Mal mehr die europäische Flagge hissen zu könne, wo es nur ging. Und ohne Frage, der Markt ist eine wirkliche gute Sache. Rund um das Theater herum gibt es rumänische Leckereien, traditionelle Keramik, Lederwaren, Trachten, Teppiche, Schmuck und Pelzprodukte zu kaufen, die hier ganz offensichtlich noch nicht eine ähnliche öffentliche Ächtung erfahren haben wie in Deutschland.
Im Theater wird ein großer Kleidermarkt veranstaltet, dessen Anblick mich beim ersten Mal doch etwas irritiert, aber sich letztendlich als eine echte Entdeckung herausstellt!Und auch vor dem Kunstmuseum ist Markt!
Gogoși und Mokka
Eine weitere Entdeckung sind Gogoși! Am Wochenende finden in der Schule oft Fortbildungen statt, deren fester Bestandteil ein Kaffee-Päuschen mit leckeren Gogoși darstellt. Letztere sind eine rumänische Spezialität und mit den deutschen Kreppeln zu vergleichen. Einziger Unterschied nur: In Deutschland geht man in der Regel zum Bäcker, wenn man Kreppel essen möchte. Doch in
Dazu gibt es starken Kaffee in kleinen Tassen, der mehr mit türkischem Mokka, als mit westeuropäischem Milchkaffee zu tun hat. Dabei lässt es sich ganz gemütlich über ein wirklich ungemütliches Thema reden: das politische System Chinas und die chinesische Medienpolitik.
Am Tag darauf vollziehe ich ein weiteres Mal mein liebgewonnenes sonntägliches Ritual. Ausgestattet mit Strudel cu mere, Kaffee und einen guten Buch laufe ich in Richtung Park. Auf dem Weg dorthin, komme ich an diesem Plakat vorbei, das für das Monatsgehalt eines Lehrers eine viertägige Reise zum Nürnberger „Christkindlmarkt“ anpreist. So sieht wohl luxuriöses Reisen auf Rumänisch aus…
Sprachkurs, die zweite
Zeit für Veränderung. Ich wechsele in die Nachmittagsgruppe des Sprachkurses. Als ich die Tür aufmache, stehe ich vor einer Klasse samt ihrer Lehrerin. Der Unterricht startet schon um ein Uhr, ich darf aber trotzdem hereinkommen. Da es um das Perfect geht, von dem ich bis dahin noch nichts wusste und in dieser Gruppe mit einem anderen Buch gearbeitet wird, bin ich zunächst etwas verloren. Das Kauderwelsch-Englisch der Lehrerin macht die Angelegenheit nicht einfacher. Als ich endlich wieder mitreden kann, weil sich jetzt alles um Präpositionen dreht, versteht sie leider mein Englisch nicht. Das wundert mich nicht wirklich, ich verstehe ihres ja schließlich auch kaum. Na, dann lese ich halt vor. Aber weit komme ich nicht…
„Stopp! Woher kommst du?“ „Aus Deutschland.“ „Ohh!“ „Überrascht Sie das?“ „Ja, du klingst nicht so. Du klingst eher wie eine Französin.“ „Aha, soll ich weiterlesen?“ Ich fange wieder an zu lesen, doch bereits nach dem zweiten Satz werde ich abermals unterbrochen. „Stopp! Sehr gut! Aber du hast immer noch einen französischen Akzent!“ „Vielleicht liegt das daran, dass ich franzö….“ „Willst du das ändern?“ „Ja klar.“ Sie liest den Satz, ich lese den Satz. „Nein, immer noch! Sprichst du französisch?“ „Ja.“ „Gut? Warst du schon mal da?“ „Ja, ich denke schon. Ich habe da eine Gastfamilie.“ „Tja, du siehst auch aus wie eine Französin.“ „Wie meinen Sie das…?“ „Du siehst nicht aus wie eine Deutsche.“ „Ehm, naja, es gibt doch die unterschiedlichsten Typen… Man kann doch schlecht von einem deutsch…“ „Nein, du bist hübsch. Und in Frankreich gibt es viele schöne Frauen, ich war schon dort. Ich weiß das. Und um ehrlich zu sein: In Deutschland gibt es keine schönen Frauen!“ „Ehh… ehh, was? Das sehe ich aber anders!“ „Nein, mein Freund war schon dort und er hat mir erzählt, in Deutschland gibt es keine schönen Frauen!“ Muss ja ein ganz Cleverer sein…
Ich weiß langsam echt nicht mehr, was ich sagen soll und meine etwas unbeholfen: „Aber sehen Sie, ich bin doch Deutsche!“ „Stimmt auch wieder…“ „Kann ich jetzt weiterlesen?!!!“ „Ja ok, lies weiter“ Nach ein paar Sätzen: „Sorry, tut mir leid.“„Schon ok…“ Ist es eigentlich gar nicht! Aber ich verspüre den großen Wunsch danach das Gespräch zu beenden. Endlich kann ich bis zum Ende lesen. „Sorry nochmal. Aber den Akzent, den hast du immer noch!“
Alles klar. „In Deutschland gibt es keine schönen Frauen“, setze ich jetzt jedenfalls auf meine „Liste der außergewöhnlichsten Vorurteile über Deutsche“. Auf Platz 2 direkt hinter „Deutsche sind resistent gegen Alkoholvergiftungen“. Ein junger Rumäne war nämlich regelrecht verblüfft darüber, dass Alkoholvergiftungen auch in Deutschland ein Problem darstellen. Er dachte bisher, dass aufgrund des hohen Bierkonsums die Deutschen mit der Zeit dagegen abhärten. Ich habe ihm dann versichert, dass dies nicht der Fall ist und dass auch nicht jeder Deutsche (gerne) Bier trinkt.
Mittwochabende
Nun ist es Mittwochabend und ich bekomme von der Schule einen Anruf, dass ich etwas für die Universität übersetzen soll. Meine Lieblings-Chaoten-Lehrerin Anca möchte gerne etwas bis Donnerstag übersetzt haben. Das ist gar kein Problem, bis ich sehe worauf ich mich da eingelassen habe. Der Konrektor gibt mir zur Aufmunterung ein: „So langweilst du dich heute Abend wenigstens nicht!“ mit auf den Weg. So sind das Ergebnis meiner Übersetzungsarbeit so schöne Sätze wie:
„Falsch, Levenes Test der Gleichheit von Varianzen legt nahe, dass die Standardabweichung für die Teilnehmer der Low-Carb-Diät stärker war, als für die Teilnehmer der Fat-Buster-Diät.“
oder
„Falsch, der Signifikanzwert (die Gleichheit von Varianzen nicht vorausgesetzt) zeigt, dass wir die Nullhypothese annehmen sollten.”
Schönen Abend und viele Grüße aus Craiova!