Archiv für den Monat: Oktober 2016

Ein Beitrag darüber, wie Jägermeister die Geister Namibias rufen wollte.

Wir nähern uns dem Ende Oktobers und damit einer der unnötigsten Festivitäten auf unserem kürbis förmigen Planeten. Eine Festlichkeit, die Damen dazu auffordert, die kürzesten Höschen aus dem Schrank zu kramen und gescheiterten Herren die Illusion lässt, dass eine gruselige Maske automatisch zu beeindruckender Männlichkeit verhilft. Normalerweise schaffe ich es, den Vorbereitungen für Halloween aus dem Weg zu gehen, und ignoriere geflissentlich die zahlreichen facebook Veranstaltungen, die Hokuspokus und Hochprozentiges versprechen.

Doch letzte Woche habe ich von einem Event erfahren, dass meinem neuen Zuhause Windhoek am 29.10. das Gruseln lehren möchte. Die fetzige Sause ist von Jägermeister organisiert und verspricht in ihrer facebook Beschreibung als “the craziest Halloween night ever” in die Geschichte einzugehen. Eine derart lieblose Verantstaltungsbeschreibung macht “Jagermeister Halloween” nicht unbedingt zu einem schlechten Event. Auch am hochkreativ betitelten Rapper Jack Parow, der als Entertainment- Schmankerl auftritt, habe ich persönlich nichts auszusetzen.
Aber Jägermeister hat sich die Alte Feste in Windhoek als Location ausgesucht, und das macht den Horror an Halloween unverzeihlich real und mich unglaublich wütend.

Die Alte Feste wurde zu Beginn des 20sten Jahrhunderts von der deutschen Schutztruppe als Stützpunkt verwendet. Damit war sie Dreh- und Angelpunkt der deutschen Kolonialisierung, die Namibia mit einem realen Horror konfrontierte, der weit über knappe Plastikhöschen hinausging.
Hier saß vor ungefähr hundert Jahren Oberbefehlshaber Lothar von Trotha (sein echter Name) und gab den Vernichtungsbefehl, der damals das Schicksal der Hereros besiegelte. Direkt davor befanden sich die ersten Konzentrationslager des deutschen Reiches, in denen tausende Herero und Nama umkamen.
In diesen geschichtsträchtigen Wänden möchte Jägermeister nun also die Anwohner Windhoeks zum feiern animieren und jagt mir damit einen kalten Schauer über den Rücken. Ich weiß nicht, ob die Organisatoren diese Buchung komplett desinteressiert und in Ermangelung angemessener Recherche getätigt haben, oder die dazugehörige Geschichte im Location- Auswahlprozess ganz weit hinter Parkmöglichkeiten und dem Festen-Flavour eingeordnet wurde.

Hannah und ich sind empört. Ein Frühstück lang recherchieren wir, finden den Hashtag #notataltefeste und echauffieren uns, dass dieser viel zu wenig Anklang findet. Wir planen eine Plakatkampagne, am besten noch heute Nachmittag, und googeln nach den Emailadressen deutscher Zeitungen. Gefühlt muss gerade jeder von dieser Unverschämtheit erfahren. Am Höhepunkt unseres spontanen Aktivismus gesellt sich Sina zu uns. “Die Jägermeister Party? Ist jetzt im London. Wurde verlegt hab ich gehört.”

Jägermeister hat also reagiert. Trotzdem bin ich immer noch wütend und werde mich beim nächsten mal an der Bar für Tequila entscheiden. Ein bisschen Protest muss sein.