Veränderungen. Oder: Wie die Zeit vergeht.

Ich muss reumütig zugeben, mein mir selbst gestecktes Ziel der doch regelmäßigen Führung dieses Blogs gründlichst verfehlt zu haben. Es mussten drei Monate voller berichtenswerter Dinge vergehen, bevor ich endlich wieder dazu kam, mich auf meinen Hintern zu setzen und zu versuchen, die letzten Monate so gut wie möglich zusammenzufassen – ein ambitioniertes Unterfangen…

Nach meinem letzten Eintrag Anfang Dezember habe ich meine sieben Sachen in meinen Reiserucksack gestopft und über La Paz, Arequipa, Trujillo und Quito auf den Weg nach Kolumbien gemacht. Dort durfte ich nicht nur ein Land kennenlernen, das sich noch stärker als erwartet von meinem Zuhause in Südamerika, von Bolivien, unterscheidet, sondern auch einige Zeit mit einer sehr vertrauten, mir sehr lieben Person aus Deutschland verbringen, ihr Leben in Kolumbien kennenlernen. Was für eine Freude! Anbei einige Fotos. Doch das Ganze liegt tatsächlich zu weit zurück für einen ausführlichen Reisebericht – ich lasse einfach Bilder statt Worten sprechen.

Arequipa in der Morgensonne.

Ein Weihnachtsessen der anderen Art in Quito.

 

Valle de Cocora, Quindío, Kolumbien.

Meine liebste kolumbianische Entdeckung: Der Künstler Fernando Botero.

Unser Zuhause für drei Tage in der Guajira, fast am nordöstlichsten Punkt Südamerikas.

Sechs Wochen später hieß es für mich Rückkehr nach Cochabamba. Und wie schwer ist es mir tatsächlich gefallen, nach der langen und vor allem intensiven Zeit auf Reisen hier wieder anzukommen. Tatsächlich habe ich während meiner Abwesenheit über vieles reflektiert, einen gewissen Abstand zu manchem eingenommen, mir sehr stark so einige Veränderungen gewünscht. Darauf lässt sich, so glaube ich, mein anfängliches Fremdeln mit Cocha erklären.

Doch: Plötzlich hat sich ein Schalter umgelegt. Die letzten vier Wochen, der gesamte Februar, waren geprägt von eben jenen Veränderungen, die ich mir so sehnlich gewünscht hatte. Zunächst einmal hat sich meine Wohnsituation stark verändert: Ich wohne inzwischen deutlich weiter entfernt vom Zentrum, aber dafür in einer Gegend, die viel weniger als das Viertel, in dem ich bisher gewohnt habe, europäisch anmutet,  wo die Mieten niedriger sind, das Viertel mir deshalb lebhafter und vielfältiger erscheint. Ich muss nur einige Schritte vor die Tür setzen und finde mich sofort zwischen fahrbaren Garküchen, Marktständen und tiendas, also kleinen Tante-Emma-Läden, wieder.

Ich wohne nun in einem wunderbar kruschligen, unaufgeräumten Haus mit insgesamt acht Zimmern. Momentan sind wir sieben: Drei Bolivianer und vier Deutsche. Wir teilen einen riesigen Wohnbereich und eine große Küche, noch dazu einen Garten, der aufgrund unserer Faulheit jeglicher Pflege entbehrt. Ein Paradies für die hier mit uns hausenden vier Hunde, drei Katzen und unzählige Hühner. Ah, wie ihr wahrscheinlich schon bemerkt, bin ich absolut verliebt in unsere casa. Ich fühle mich hier wohler, freier, als in der vorherigen WG und halte mich endlich wieder richtig gern zuhause auf.

Ein Teil meines neuen Reichs.

Die zweite maßgebliche Veränderung hat sich für mich in der Schule eingestellt: Ich arbeite mehr und ganz anderes als bisher. Ich habe endlich einen Stundenplan, wie habe ich mir diesen in den vergangenen sechs Monaten herbeigesehnt! Ich begleite zwei Kindergartenklassen und vier Kurse in der primaria regelmäßig, unterstütze außerdem in der Oberstufe in Konversationskursen und betreue weiterhin Nachhilfeklassen. Noch dazu stehen gerade einige Projekte, zum Beispiel ein Video-Wettbewerb zum Thema „Indigene Kulturen“, an. Das bedeutet, dass ich inzwischen drei Mal in der Woche bis um 16 Uhr bleibe und in Zukunft bestimmt auch den ein oder anderen Samstag oder Sonntag in meine Arbeit investieren werde. Doch wie mich die Arbeit inzwischen erfüllt! Mir ist es inzwischen möglich, Beziehungen zu den Schüler*innen aufzubauen, mit ihnen eine Entwicklung durchzumachen. Es ist ein schönes Gefühl, den Schulhof selten überqueren zu können, ohne sich in ein Gespräch mit Schüler*innen oder Lehrer*innen zu verstricken, ohne in einer Traube von Mädchen aus der 6. festzustecken, die wissen wollen, wann ich wohl wieder vertreten würden (denn das letzte Mal haben wir etwas gespielt, was für ein Ereignis!), ohne fast von einer Gruppe von Erstklässler*innen umgerannt zu werden, die mit lauten Kampfschreien („ALEMAAAAAN, ALEMAAAAAAN!“) zum Deutsch-Unterricht sprinten. In letzter Zeit verlasse ich die Schule fast immer mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht.

So. Das waren in Schnellfassung die letzten drei Monate. Und wisst ihr was? Am 12. März feiere ich meinen 6-Monate-in-Bolivien-Tag. Und wisst ihr, was das bedeutet? Dass mir nur noch weniger als sechs Monate bleiben. Der perfekte Zeitpunkt, um erneut feierlich zu geloben, mich in Zukunft mehr zu melden! Und all den geliebten Menschen zuhause, bei denen ich mich viel zu selten melde, dicke Umarmungen zu schicken. Ich hoffe, ihr akzeptiert auch diese Art und Weise des Sich-Meldens – ich denke an euch!