„Vor der Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis“.

Um zu erklären, weshalb es für mich von Anfang an außer Frage stand, diesen Beitrag unbedingt schreiben zu wollen, müsst ihr mich etwas ausholen lassen: Noch im August vor meiner Ausreise stand ich vor einigen haushohen Fragezeichen: Wohin sollen sich meine Schritte im nächsten Jahr lenken? Will ich wirklich nach Bolivien? Sehe ich mich im kommenden Jahr nicht viel eher in Deutschland?

Einer der Gründe dafür, dass ich mich letztendlich so entschieden habe, wie ich mich entschieden habe und jetzt mitten im bolivianischen Sommer kalten Kaffee schlürfend an diesem Eintrag arbeite, liegt darin, dass ich damals meinerseits einen Blog gelesen habe. Und zwar den eines ehemaligen Freiwilligen in meiner Stadt, an meiner Schule. Einen ganzen Morgen lang habe ich mich in ihn vertieft und konnte nach meiner ausgiebigen Lektüre zum ersten Mal feststellen, dass sich langsam ein Gefühl der freudigen Erwartung in meiner Magengrube breit machte.

Lange Rede, kurzer Sinn: Mir hat dieser Blog unheimlich geholfen, deshalb möchte ich jetzt einigen von euch, für die es in der Zukunft zu entschieden heißt, ob sie sich auf nach Bolivien machen, eine hoffnungsfrohe Botschaft senden. Und allen anderen von euch berichten, was es heißt, sich zu fühlen wie in Kafkas „Prozess“, machtlos und orientierungslos: nämlich während des Prozesses zur Erlangung der Arbeitserlaubnis in Bolivien. Ja, es soll um nichts weiter als mein Visum gehen. Aber was für ein Visum!

Bolivien gilt als eines der Länder mit dem aufwendigsten Prozess zur Erlangung einer Arbeits- oder Aufenthaltserlaubnis. Das Ganze fing schon gut in Deutschland an: Um hier in Bolivien einen Antrag auf eine „permanencia“ stellen zu dürfen, braucht es – offizieller Weise – ein „visa de objeto determinado“, welches bei einer bolivianischen Vertretung in Deutschland zu beantragen ist. Und zwar mit ganz schön vielen Dokumenten. Zum Glück hatte ich tatkräftige Unterstützung durch meine Eltern, die in Berlin leben und mir so verschiedenste Odysseen zu Honorarkonsulaten im Süden Deutschlands ersparen konnten.

Außerdem erhielten wir im Vornherein eine Liste, eine lange Liste, mit verschiedensten Dokumenten, die für die Antragsstellung in Bolivien vonnöten sein sollten. Alles natürlich in mehrfacher Ausführung, übersetzt und legalisiert. Ablaufen durfte so einiges auch nicht, musste also auf den letzten Drücker beantragt werden. Ich liebe Papierkrieg!

Hier angekommen hatte ich glücklicherweise einen Tipp von meinem Vorfreiwilligen erhalten: Er gab mir den Kontakt einer Frau, die hauptberuflich mit Äusländer*innen deren Behördengänge erledigt und deshalb genau wusste, welche Dokumente ich benötigte. Ansonsten hätte mir eines der oft gehörten Horrorszenarien gedroht: Welche Dokumente benötigt werden, ändert sich oft, ständig werden die Antragstellenden weggeschickt, um noch andere Dokumente zu besorgen, dann ist manches plötzlich zu alt. Auch interessant: Ich habe keines, ich wiederhole, keines der Dokumente aus Deutschland hier verwandt. Zitat: „Das ist aus Deutschland, das bringt dir hier nichts.“

Dank der tatkräftigen Hilfe der oben erwähnten Dame kämpfte ich mich inklusive langer Wartezeiten erfolgreich durch den Behördendschungel und hielt ungefähr sechs Wochen nach meiner Ankunft den Abholzettel für meinen Reisepass inklusive Arbeitserlaubnis für ein Jahr in den Händen. Doch bisher war ja alles viel zu einfach gewesen. Also dachte ich mir, ich wasche einfach mal meine Hose. Inklusive Abholzettel!

Mittlere bis schwere Krise. Doch beim Abholen zeigte sich dann, dass es in den Behörden hier eben doch nicht immer so formal zugeht wie zu einem Großteil der Zeit. Ich konnte mich ganz einfach mit einer Unterschrift ausweisen und hielt den heiligen Gral, das Zeichen meiner Legalität in den Händen.

Jetzt hieß es nur noch meinen Ausweis für Ausländer*innen beantragen, den ich am Montag nach einer halben Weltreise entlang einer Straße in Cocha, die so lang ist, dass Adressen mithilfe der Entfernung vom Zentrum in Kilometern angegeben werden (meine Behörde lang bei Kilometer 7), abgeholt habe. Das bedeutet: endlich Ruhe. Soweit ich das absehen kann, bin ich jetzt aus dem Schneider.

Also, ihr lieben zukünftigen Freiwilligen: Lasst euch nicht ins Bockshorn jagen. Ja, es ist nicht leicht, es ist nervenaufreibend und noch dazu ziemlich teuer. Aber ihr werdet immer Hilfe angeboten kommen, euch immer irgendwie durchwurschteln. Am Ende wird es sich gelohnt haben: Dann seid ihr nämlich im Besitz einer Plastikkarte mit einem schrecklichen Webcam-Foto von euch und habt das Gefühl, genau da sein zu dürfen, wo ihr sein wollt. Legal!