Arbeitsweisen.

Seit nunmehr zwei Wochen gehöre ich zum arbeitenden Teil der Bevölkerung. Jeden Morgen, von Montag bis Freitag, führt mich mein Weg um kurz nach 07:00 Uhr die Treppe unseres Apartmentblocks herunter, an unseren freundlich grüßenden porteros vorbei (viele vergleichsweise teure Unterkünfte in Cochabamba habe Portiere oder Portierinnen, die kontrollieren, wer das Gelände betritt) auf die vielbefahrenen Straße, an der unser Gebäude liegt. Von da an geht es immer weiter in den Norden Cochabambas, immer weiter den Berg hoch, näher an die gut über der Stadt sichtbaren Bergketten heran. Nach ungefähr einer halben Stunde, in der ich die noch frische Luft und sanfte Morgensonne genieße, zwischendurch aber auch immer wieder dicht befahrene Straßen kreuzen muss (ein wahres Abenteuer im morgendlichen Berufsverkehr!), erreiche ich mein Ziel, meinen Arbeitsplatz: das Colegio Alemán Federico Froebel, eine Privatschule, an der Kinder und Jugendliche im Alter von 4 bis 18 Jahren lernen.

Genauso lang lernen die Schüler*innen an der Froebel auch Deutsch. Bereits im Kindergarten, hier lustiger Weise nur „Kinder“ gennant, singen die Kinder einige Male in der Woche Lieder auf Deutsch, sagen laut Tiernamen oder Farben auf. Mit sechs Jahren beginnt dann die sogenannte „primaria“, also die Unterstufe. Ab der 7. Klasse gehören die Jugendlichen der „secundaria“ an. Mit dem Ende der 12. Klasse erhalten die Schüler*innen das bolivianische Pendant zum deutschen Abitur. Zusätzlich bietet die Schule die Möglichkeit, mit dem Bestehen einer der zwei DSD-Prüfungen (Deutsches Sprach-Diplom) ein Studium an einer deutschen Universität zu beginnen. Ein Studium an einer deutschen Hochschule ist für einige der Schüler*innen, mit denen ich arbeite, das ganz große Ziel. Sie wollen nach Aachen, Marburg oder Berlin, um dort eine ihrer Meinung nach bessere Ausbildung und mit einem deutschen Abschluss bessere Zukunftsmöglichkeiten, sowohl in Bolivien als auch anderswo, zu haben. Doch nicht allen Schüler*innen steht diese Möglichkeit offen, da nicht alle in der 11. oder 12. Klasse bereits das notwendige Niveau erreicht haben, um die doch sehr anspruchsvollen Prüfungen zu bestehen.

Da wären wir auch schon bei meinen „Aufgabenbereichen“ angekommen, wenn ich überhaupt von so etwas sprechen kann – eigentlich mache ich nämlich von allem ein wenig! Ich bin hauptsächlich mit der Unterstützung schwächerer Schüler*innen betraut; jeden Tag betreue ich mit einer deutschen Praktikantin gemeinsam eine kleine Gruppe aus einer bestimmten Jahrgangsstufe. Wir üben das Konjugieren von trennbaren Verben, exerzieren „müssen, sollen, dürfen“ rauf und runter oder spielen Galgenmännchen. Wichtig ist auch, zu versuchen, die Kinder zum Sprechen zu bewegen: Vielen ist es unangenehm, zu zeigen, dass sie auf viele Fragen nicht die richtige Antwort geben können. Deshalb schweigen sie lieber. Doch da wir zu zweit für meistens nicht mehr als zehn Schüler*innen zuständig sind, bietet sich oft die Gelegenheit, in noch kleineren Gruppen zu arbeiten – in denen fällt es dann gleich leichter!

Ansonsten gleicht im Colegio kein Tag dem anderen: Ich betrete morgens völlig unbedarft und ohne genauen Plan davon, wie der Vormittag verlaufen wird, das gemütliche Lehrer*innenzimmer der Deutsch-Abteilung. Vielleicht werde ich bis zur Nachhilfe um 12:00 keinen „Termin“ haben und die Zeit dafür nutzen, an Projekten, wie zum Beispiel einer Collage aus selbstgestalteten Mauerstücken für den Tag der deutschen Einheit oder einer deutschen Wandzeitung, zu arbeiten. Vielleicht werde ich aber auch von meiner Chefin oder einer meiner Kolleginnen mit „Hast du ein bisschen Zeit?“ begrüßt, was bedeutet, dass ich entweder eine Kollegin in ihrer Klasse unterstütze, eingesammelte Texte korrigiere oder nachschreibende Kinder beaufsichtige. Meine Tage sind bunt und intensiv, allerdings habe ich auch reichlich Zeit um mich eben in Projekte zu vertiefen, ein Pläuschchen mit den Lehrerinnen zu halten oder sogar an meinem Spanisch zu arbeiten.

Das also ist meine Arbeit. Ich bin weiterhin gespannt, was kommen wird: welche Projekte sich ergeben, wie sich die Dynamiken innerhalb des Kollegiums verändern werden (zwei Lehrerinnen gehen für zwei Monate an Schulen in Deutschland und wir bekommen Vertretungen dazu) und ob ich bis Weihnachten wohl im Stande sein werde, die Nachhilfeklassen allein, nicht wie bisher in Zusammenarbeit mit einer Praktikantin, zu leiten – bei solchen Rasselbanden gar nicht so einfach…

Leider kann ich diesem Beitrag keine Fotos anfügen: Innerhalb meiner Schule gibt es eine recht strenge Datenschutzrichtlinie, mit der ich mich noch nicht genau genug beschäftigt habe, um hier guten Gewissens Bilder zu teilen. Bei meinem nächsten Beitrag wird sich das allerdings ändern: Ich möchte mit euch eine virtuelle Tour durch meine Stadt unternehmen! Auf bald, meine Lieben.