und wir warten auf den sommer.

und wir warten auf den sommer.

und was ist das eigentlich, dass jetzt schon mai ist. schon wieder vier wochen von jetzt nach damals versetzt. wir waren in vardzia, höhlenstadt und tunnelsysteme, klaustrophobisch kleine gänge in altes gestein, fresken mit ausgekratzten augen, weihrauch, sonne, staub der vergangenen jahrhunderte. heute bauen vögel ihre nester in die kuhlen der wände. dann akhaltsikhe und die festung rabati, die hügel drum herum grün und golden, denn die sonne geht unter, und wir fahren vier stunden zurück. ich wohne ja immer noch in tbilisi, fällt es mir manchmal ein. man wacht nämlich manchmal auf und muss kurz überlegen, wo man ist. und das liegt ja in georgien, schließt sich der gedanke dann an. schräg.

eine lang ersehnte ankunft. wie können denn monate vergangen sein, seit wir uns das letze mal gesehen haben? und jetzt bist du hier, im taxi, in meinem zimmer und meiner küche und meiner stadt. in verrauchten bars mit georgischem bier in der hand. wir fahren nach kazbegi, damit „ihr auch mal ein paar berge seht“. guter witz, denn es ist der wohl nebligste tag des jahrhunderts, und als wir neben der kirche stehen, rot im gesicht und aus der puste gekommen den gipfel erklommen, sehen wir nichts als eine weiße wand. aber wer braucht schon ein berg-panorama, wenn man durch tief-hängende wolken und nebelschwaden wandern kann. du sitzt neben mir in der marschrutka. du sitzt neben mir in der oper, ein ballett mit viel zu kitschigen kostümen vor der nase, während ich neben dir an kopfschmerzen verende. das leben eben und es ist schön.

„brauchst du die tierfreundegeschichten heute?“- „nee kannst du haben, hab meine lesekinder doch erst wieder nächsten mittwoch.“

wir fahren also mit der wackeligen seilbahn zum schildkrötensee, du fährst nach kutaisi und batumi, ich pendel zwischen stadt-arbeit-dir und freue mich in der nach-hause marschrutka so sehr auf meine wohungstür, denn du wartest ja dahinter. sushi und dann wieder georgisches essen. die postkarten sind angekommen und sorgen für freude, und für neugierde, und erfüllen ihren zweck. mein baum, verzweifeltes beschäfigungstherapie-bastel-projekt aus mehreren einzelteilen eines gigantischen plans, schmückt nun die vorher viel zu leere, viel zu große wand des deutschzimmers. der bleibt also schonmal hier, wenn ich es in weniger als drei (!) monaten nicht mehr bin. wenn er nicht abfällt. aber ich hab ja mit der rückseite meines tackers reißzwecken in die wand gehämmert.

und zu hause? sind die ersten auslandsjahre schon wieder vorbei, schlafen die ersten ausgerissenen wieder im eigenen bett. doch hier kommt erst der sommer, mal mit regen so heftig, dass ich danach meinen laptop bekreuzigen und in die sonne legen muss, in der hoffnung, dass er sein unfreiwilliges bad überlebt, mal mit 28 grad. am dritten mai. danke, aber nein danke. rohe tomaten stehen wieder als grundlage dreier mahlzeiten am tag auf dem speiseplan.

am fünften mai ist europatag im rike park. als freiwillige gemeldet, steht man am stand der deutschen botschaft und malt deutschland-farben auf stirnen, wangen, handrücken, arme, stempelt in stempelsammelhefte bis der stempel raucht und ergaunert eu-jutebeutel und brezeln. währenddessen macht es sich tbilisi zur aufgabe, möglichst alle coolen sachen auf genau ein wochenende zu legen. so sitzen wir also jeden abend in einer anderen vorführung des dokumentarfilmfestivals, besuchen fotoausstellungen des kolga-tbilisi-fotofestivals und hechten in die fabrika, um auch den künstlermarkt mit mode und gedöns aus tel aviv ja nicht zu verpassen. gut wars.

und jetzt sitze ich in meinem zimmer, hab den klappsessel eingeklappt und es regnet. es regnet schon seit drei tagen und ich wette du bist dran schuld, weil du wieder ins taxi, aus dem taxi und in ein flugzeug steigen musstest. aber wir alle müssen früher oder später wieder nach hause und wieder mal ankommen. und aus drei monaten werden zwei, aus monaten irgendwann wochen und wenn es dann auch vielleicht nicht mehr regnet, dann bin auch ich wieder da. bis dahin habe ich allerdings noch ein paar sachen zu erledigen, ein land und seine berge und sein meer. die luft riecht also nach nass und asphalt und wir warten auf den sommer.

 

 

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