Tuzlanski Tobi

Eindrücke vom Freiwilligendienst

Lächeln kostet nichts — im Zimmer von den Putzfrauen und vom Hausmeister, mit denen wir gerne zusammensaßen — ein kleines Refugium

Eindrücke vom Freiwilligendienst in Tuzla / Тузла (Bosnien und Herzegowina)

oder auch: Ein Hoch auf die bosnisch-deutsche Völkerverständigung! oder auch: Wie kleine Dinge die Welt bewegen!


Poster zum Thema Lachen/Lachklub von Schülern der ersten Klasse an der Elektrotechnischen Schule Tuzla

Vorab/Disclaimer: Dieser Text spiegelt meine persönlichen Erfahrungen wider und ist deshalb subjektiv, auch wenn ich mich um ein ausgewogenes Bild bemühe! Die Meinungen sind ausschließlich meine eigenen und müssen nicht unbedingt mit den Standpunkten von kulturweit oder übergeordneter Institutionen übereinstimmen! Phasenweise wurden Textabschnitte auch mit einem kleinen Augenzwinkern geschrieben. Die Bilder dürfen gerne unter den Bestimmungen der Creative Commons BY-NC-SA 4.0 weiterverwendet werden, sofern die Weiterverwendung der entsprechenden Bilder nicht die Rechte Dritter verletzen.

Mein auf 12 Monate angesetzter Freiwilligendienst wurde leider wegen der Viruspandemie vorzeitig abgebrochen und jetzt sitze ich wieder unverhofft irgendwo im Südwesten Deutschlands. Eines steht auf jeden Fall schon mal fest: Meine Zeit in Tuzla / Тузла und in Bosnien und Herzegowina war ein Privileg! Es fällt schwer, die ganzen Erlebnisse und das, was ich gelernt und erfahren habe, in Worte zu fassen. Ich habe Bosnien und Herzegowina ein Stück weit in mein Herz geschlossen. Das Projekt „Freiwilligendienst“ ist hiermit aber auch abgeschlossen und der Text nicht weiter aktualisiert, schließlich geht es auch weiter in die Zukunft!

Ich möchte gleich an dieser Stelle einigen Personen danken, die mir ein solches Erlebnis erst einmal möglich gemacht haben! An erster Stelle gebührt mein vollumfänglichster Dank meinem Ansprechpartner vor Ort, der sich super um alles und um mich gekümmert hat und mit dem ich zusammen viele gute Stunden innerhalb und außerhalb des Schulkosmoses verbracht habe!

Ich möchte meinem Vermieter für die tolle Aufnahme bedanken und dass ich das bosnische Leben direkt miterleben durfte. Danke auch für das Mitnehmen im Auto! Auch danke ich seiner Freundin für alles und die lustige Zeit! Auch an die Freunde vom Vermieter, dass ich dabei sein durfte und wir gemeinsam gefeiert und geredet haben!

Der Dank darf auch nicht gegenüber „meinen“ Schülern fehlen! Am Anfang hatte ich etwas Angst und ich wusste nicht, ob es die richtige Entscheidung war, nach Bosnien an eine Mittelschule zu gehen, weil das ab und zu auch ein hartes Pflaster ist. Aber nach und nach habe ich meine Scheu abgelegt und ich habe es manchmal echt geliebt (manchmal war es auch etwas schwieriger). Irgendwann habe ich es genossen, morgens in die Schule zu kommen und die Leute allesamt zu begrüßen und mit einem „Guten Tag!“ zurückbegrüßt zu werden. Es war schon etwas Besonderes und ehrlicherweise habe ich mir in der Rolle des Fremden ein bisschen gefallen, weil ich dadurch mal auch etwas „Besonderes“ war 😉 Im Rückblick waren die Schülerinnen und Schüler sehr nett, manchmal auch etwas hart, aber herzlich.

Ich hatte die Ehre, mich mit ein paar von euch  auf Muttersprachniveau unterhalten zu dürfen. Es hat mir viel Spaß gemacht, für die besonders Guten Tutor sein zu dürfen! Diese Arbeit war sehr sinnstiftend, erfüllend für mich und ich habe auch einiges über mich (meine Schwächen wie Stärken) lernen dürfen!

Mein inniger Dank gilt auch dem Direktor und dem Kollegium an der ETS Tuzla für die freundliche Aufnahme und für die gemeinsame Zeit, insbesondere auch im „Kabinett“.

Ich danke auch meiner Homezone für den Westbalkan für die gemeinsame Zeit auf dem Vorbereitungsseminar, das gemeinsame Weihnachten und das gemeinsame Silvester. Für mich war das eine unvergessliche Zeit und manchmal hatte ich das Gefühl, richtig nah dran am Leben zu sein!

Ebenso bedanke ich mich bei der Organisation kulturweit und beim Goethe-Institut, insbesondere Herrn Čevra, für die Organisation!

Nicht zuletzt danke ich auch meiner Betreuerin meiner Masterarbeit und den Angestellten am Institut für Akustik und Bauphysik an der Universität Stuttgart für die Geduld und kulanten Fristensetzungen und überhaupt für die Toleranz, dass ich meine Masterarbeit parallel zum FSJ im Ausland absolviert habe.

So… Gerade jetzt sind die Erinnerungen noch ziemlich frisch und ich muss ein wenig Ordnung in meine Gedanken bringen. Schließlich enden jetzt zwei Lebensabschnitte auf einmal. Zum einen mein Studentendasein und auch ­— eher unfreiwillig — mein Leben als Freiwilliger. Deswegen schaue ich mir noch die Bilder an und möchte gerne noch ein paar Eindrücke mit Euch teilen und so auch erhalten. Einen Freiwilligendienst in Bosnien und Herzegowina sollte man nicht so schnell abschreiben, er kann sehr bereichernd sein – auch wenn natürlich nicht alles perfekt ist, aber das ist schwer in Ordnung so.

Nachfolgend ein paar Bilder mit kurzen oder längeren Beschreibungen, etwas durcheinander und nicht chronologisch geordnet.

Blick aus dem Fenster der kleinen Wohnung, in der ich gewohnt habe. Die Wohnung war in einem Talausläufer (wie eine Art Fjord) von Tuzla / Тузла. Ich hatte das Glück, bei dem Bruder meines Ansprechpartners unterzukommen. Es war ein kleines Glück im Grünen! Auch etwas oberhalb, sodass die Luft wirklich gut war! Das kann man nämlich von der Innenstadt nicht gerade behaupten…

und eine Etage höher…

Ausgerechnet jetzt, wo der Frühling gekommen ist, wurde ich wegen des Corona-Viruses wortwörtlich aus dem Paradies vertrieben! Ich habe immer die ganzen Nachrichten wegen des Corona-Viruses gelesen und gedacht, dass jeden Moment die Welt untergeht, aber dann habe ich rausgeschaut und alles war so friedlich und ruhig wie immer. Es war schon etwas surreal!

Blicke zur Nachbarschaft
Mein Zimmer zu Beginn meines Freiwilligendienstes
Nach seiner Heilung von einem Krebs hat sich mein Vermieter das kleine Paradies mit seinen Freunden aufgebaut! Er hat dafür meinen allergrößten Respekt! Die Bilder wurden zum Abschied kurz vor der vorzeitigen Ausreise geschossen.

Ach, da drinnen habe ich, mein Vermieter, seine Freundin und Freunde viel Zeit verbracht. Fast jeden Freitag kamen die Freunde vom Vermieter vorbei und wir haben gemeinsam den Feierabend gebührend zelebriert! Ich kam des Öfteren in den Genuss des hausgemachten Rakijas – original und ohne Zusatzstoffe.

Dazu kam, dass ich unverschämtes Glück hatte, dass die Kinder von der Freundin meines Vermieters in Deutschland Ausbildungen machen und sie auch Deutsch gesprochen hat. Mit meinem Vermieter habe ich auf Englisch gesprochen, ebenso mit seinen Freunden und mit einem auch teilweise auf Deutsch, da er während seines Studiums in Wien gelebt hatte. Ich habe zwar 1000 km weit weg von Deutschland gewohnt, aber dennoch hat es sich dadurch nie wirklich weit weg gefühlt.

Die Miete war auch fair und ich hatte wirklich großes Glück mit meinem Vermieter. Wenige schwarze Schafe versuchen, aus dem Volunteering ein Geschäftsmodell zu machen und verlangen für lokale Einwohner verhältnismäßig hohe bis absurde Mieten mit dem Wissen, dass zu Hause in Deutschland die Verwandten notfalls geradestehen.

Das Fahrrad im Garten des „Wohnkomplexes“, in dem ich gewohnt habe. Das Fahrrad habe ich mit Unterstützung meines Vermieters privat gekauft. Damit bin ich immer schnell zur Schule — die elektrotechnische Mittelschule — heruntergefahren. Zu Fuß dauerte der Weg ca. 30 Minuten, mit dem Fahrrad 10 min und weniger, wenn es mal etwas schneller gehen musste. Allerdings musste ich auf dem Rückweg schon schieben, da der letzte Wegabschnitt immer sehr steil war.

Weiterer Vorteil in Tuzla: Man verliert seine Angst vor Hunden. In der Nähe war ein Hundeheim (und eine offene Mülldeponie) und dementsprechend gab es viele wildlebende Hunde in unserer Gegend und wir hatten regelmäßig Besuch und manchmal auch bellende Begleitung, wenn ich mit dem Fahrrad heruntergebraust bin.

Der Weg zu meiner Schule

Vorbei am Fußballplatz und an der Schießanlage, die aktiv von Polizei und Militär genutzt wird


Einmal links abbiegen und weiter runter geht es

An der ersten Hochhaussiedlung vorbei
Dort gibt es auch einen kleinen Tante-Emma-Laden, bei dem man alles Lebensnotwendige bekommt.
Dann unten am Bulevar mit dem Fahrrad anfangs auf dem Gehweg, später dann immer auf der zweispurigen Fahrplan. Gerade zu den Hauptverkehrszeiten war es schwierig, eine Lücke im Verkehrsstrom zu erwischen und Fahrradfahrer gehören auf dem Bulevar nicht zum gängigen Erscheinungsbild.
Hereinspaziert wahlweise ins Radionica 4 auf der linken Seite oder rechts in den Raum für das elektrotechnische Praktikum!
Der Werkraum 4 / Radionica 4 im Erdgeschoss, in dem die meisten unserer Stunden stattgefunden haben.
In der ersten Schuljahreshälfte waren die Tische noch an den Wänden und die Schülerinnen und Schüler haben wie Häftlinge auf die Wände gestarrt und man konnte die Schülerinnen und Schüler hinter der Säule rechts auch nicht komplett sehen… Das war für manchen Hinterbänkler eine willkommene Einladung, sich dann anderweitig im Unterricht zu beschäftigen. Meine Ansprechperson hatte dann die Idee, die Tische eher wie in einem Seminar aufzustellen. In der zweiten Hälfte war dann auch eine bessere Stimmung!Praktischerweise gab es ein Zwischengeschoss, in dem ich mich ausbreiten konnte und mein kleines Paradies hatte.
Daumen hoch von meiner „Ansprechperson“, die mehr war als nur eine Ansprechperson. Von dem Zwischengeschoss hatte ich manchmal eine Sicht wie von einer Loge auf das Unterrichtsgeschehen. Zusammen mit dem Beamer kam da auch mal Kinostimmung auf! Insbesondere wenn der Beamer nach längerem Streik wieder ein „Wiederauferstehungserlebnis“ hatte.
Das „Zwischendeck“: Bis dato Abstellkammer oder Technikfriedhof, hat diese Räumlichkeit immer noch Potential, eine gemütliche „Deutschecke“ mit Sofa zu werden.

Mit Lehrmittelspenden vom Goethe-Institut von mir „zusammengesteckter“ Arbeitsplatz. Einige Schüler haben tatkräftig geholfen. Ich hoffe, dass er in der Zukunft von Schülern für Onlinerecherchen und Onlineübungen genutzt werden kann — mit zwei Monitoren wie ein Pro. Eine ausrangierte Fritz!Box leistet dort treue Dienste und versorgt das Klassenzimmer mit WLAN für die Lehrkräfte. Dafür wurde auch das LAN-Kabel vom Schulnetzwerk entsprechend an der Decke angeklebt und zur Fritz!Box verlegt. Das WLAN weckt natürlich auch Begehrlichkeiten bei den Schülerinnen und Schüler und so gab es auch schon Nachfragen nach dem WLAN-Passwort. Ein Schüler hat auch dann auf einmal gerne die Fenster oben im Zwischengeschoss zu Beginn der Stunde geöffnet — wohl in der Hoffnung, das Passwort bei der Fritz!Box ablesen zu können…

Ich freue mich übrigens sehr, dass das Goethe-Institut bald im Radionica 4 ein Smartboard installieren lässt! Das wird das erste Smartboard an dieser Schule sein.

Generell waren wir progressiv unterwegs: So haben wir das Lehrmaterial bei Google Drive hochgeladen, sodass wir einen gemeinsamen Datenpool hatten und ich habe noch einige Bücher eingescannt und Unterrichtseinheiten in Worddateien als Handouts zusammengestellt, damit wir diese auch digtal zur Verfügung hatten. Das hat sich dann auch richtig ausgezahlt, als im Zuge der Corona-Pandemie digitale Unterrichtsmaterialien verteilt werden sollten.

Das war unser Stundenplan für die zweite Schuljahreshälfte (Frühling). Im Herbst war der Stundenplan genau gespiegelt. An der Schule wird in zwei Schichten unterrichtet, entweder hat eine Klasse vormittags oder nachmittags Unterricht. Der Unterricht wird in 45-Minuten-Blöcken erteilt. Diejenigen Schüler, die Deutsch obligatorisch hatten, haben wöchentlich zwei Stunden Deutsch (90 min) gehabt und diejenigen, die Deutsch nur fakulativ hatten, lediglich 45 min pro Woche. Meine Privatmeinung dazu ist, dass das für eine Sprache viel zu wenig ist (use it or lose it) und dass sich so kein nachhaltiger Lernerfolg einstellen kann. Auf der anderen Seite haben die Schülerinnen und Schüler einen vollgestopften Stundenplan und eine elektrotechnische Mittelschule hat eine andere Zielsetzung als ein humanistisches Gymnasium mit Sprachprofil. Trotzdem ist es mir ein Rätsel, wie man den Stoff für eine Sprachniveaustufe (A2) an einer weiterführenden Schule auf ganze vier Jahre (im fakulativen Zug) strecken kann.

Schwierig fand ich den Stundenplan dann doch, weil ein strukturierter Tagesablauf damit schwierig hinzubekommen ist. Direkt montags die „volle Ladung“ mit 6 Stunden und emotionalem Wechselbad der Gefühle: Ganz früh eine der besten Klassen vom technischen Zweig (vierjährige Ausbildung, erkennbar am T in den Klassenbezeichnungen) und später die dritte Horror-Klasse mit einigen Problemschülern vom handwerklichen Zweig (dreijährige Ausbildung, erkennbar am S oder P in der Klassenbezeichnung) und gleichzeitig mit einem Schüler, der vom Lehrplan deutlich unterfordert wurde. Ich habe mit ihm von Zeit zu Zeit zusammengearbeitet. Diese Ballung auf Montag und Donnerstag war wirklich anstrengend, kann aber wohl wegen der Raumproblematik (zu wenig Räume) vom Stundenplankoordinator nicht andersweitig gelöst werden. Dann mittwochs nur drei Stunden ­— salopp gesagt — zum Mittagessen an der Schule vorbeischauen und dienstags und freitags am Abend Stunden abhalten. Freitagabends war die Klassenstunde „COZ“ für die Klasse, dessen Klassenlehrer mein Ansprechpartner war.

Erschwerend zu diesem Stundenplan kam noch dazu, dass die Busverbindungen für die Schüler auch nicht auf den Schulunterricht abgestimmt sind. Weil einige Schülerinnen und Schüler weiter weg wohnen und die Busse nicht so oft fahren, haben einige den Unterricht immer vorzeitig verlassen müssen. Damit war eine ruhige Vermittlung von Stoff erschwert. Ich habe auch Schüler bei Busreisen verwundert in entfernten Bushhaltestellen zusteigen sehen und dann im Gespräch festellen dürfen, dass diese extra Wohnungen in Tuzla / Тузла nur wegen der Schule haben. Die elektrotechnische Schule in Tuzla / Тузла ist wohl die einzige (?) im gesamten Kanton.

Was mich aber manchmal wirklich als (zumindestens noch am Anfang) auf Effizienz gedrillter Student noch innerlich zur Weißglut getrieben hat, war diese unsägliche Bürokratie mit den Klassenbüchern! In einigen Stunden saßen mehrere Klassen zusammen. Nehmen wir zum Beispiel den extremsten Fall 3T4/3T5/3T6. Dann hat ein Schüler eben drei Klassenbücher aus dem Lehrerzimmer geholt, auch wenn da nur sechs Schüler anwesend waren. Die Schüleranzahl variierte auch sehr stark, was auch an der massiven Abwanderung von jungen Menschen nach Westeuropa liegt. Es wird übrigens immer ein Schüler zum Holen der Bücher geschickt. In diesen Büchern stehen auch alle Noten. Es gibt also viel Vertrauen in die Schülerinnen und Schüler… Nun denn, also, dass Klassenbuch ist wohlbehalten beim Lehrer angekommen. Dann muss die Unterrichtsstunde gemäß Jahresplan (der auch im Klassenbuch stand) eingetragen werden, egal ob der Stoff dann tatsächlich behandelt wurde oder nicht, damit eine Schulinspektion später nicht meckert. Also immer schön abgleichen, dann in der Modulübersicht die Stundenzahl vom Monat überprüfen und als i-Tüpfelchen die Anwesenheit überprüfen. Das ganze in diesem Fall dann drei Mal, da kann man sich vorstellen, wie viel Zeit von den 45 Minuten ratzfatz für solche unproduktiven Vorgänge einfach „verschwendet“ werden. Meine Ansprechperson hat gewitzelt, das mir wohl ein Denkmal gesetzt werden würde, wenn ich als Regierungsverantwortlicher diese Bürokratie abschaffen würde.

Zu Beginn des Schuljahres mussten wir ja auch die Jahrespläne, die ja digital vorhanden waren, handschriftlich akkurat in Kleinstschrift in die gut 30 Klassenbücher übertragen, was eine Woche in Anspruch genommen hat. Ich habe es in meinem anfänglichen Enthusiasmus gerne gemacht, aber über so etwas muss ich einfach mittlerweile meinen Kopf schütteln. Reine, stupide Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, bei der einem die Hand abfault! Und wehe dir, wenn du als Lehrer irgendwo einen nicht-tipp-ex-rückgängig-machbaren Fehler im Klassenbuch machst. Dann musst du notfalls zum Direktor und die Korrektur abstempeln lassen… Wenn ich dann von Freiwilligen aus Kroatien gehört habe, dass dort die Lehrer ihre Unterrichtsstunden digital eintragen, dann wurde mir klar, wie überfällig so manche Reformen in Bosnien und Herzegowina sind.

Das klingt vielleicht alles etwas negativer, aber neben vielem Guten und der menschlichen Wärme gehören diese Dinge auch zu meinen Erfahrungen.

Die elektrotechnische Schule in Tuzla / Тузла ohne Schülerinnen und Schüler wegen des Coronaviruses
Ein Lehrer ohne Schüler ist wie ein Clown ohne Zuschauer…

Blick in ein Klassenzimmer für das elektrotechnische Praktikum. Die Stimmung an der Schule war grundsätzlich positiv. Wir haben vor Schulbeginn am Ende der Winterferien und während des coronabedingten Unterrichtsausfalls auch zusammen mit einigen Kollegen auch Burek mit leckerem Kaymak gefrühstückt und miteinander gequatscht.

Manche Fachlehrer, insbesondere im nachgefragten Bereich der Elektrotechnik, haben das Glück, eine unbefristete Stelle zu haben. Es gibt aber auch systematische, eklatante Missstände „by design“. Viele Lehrer haben prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Eine Vollzeitkraft verdient ungefähr 500 € bzw. 1000 KM. Das ist im Verhältnis zu den Lebenskosten nicht viel, da viele Güter auch importiert werden müssen. Hinzu kommt, dass viele Lehrerinnen und Lehrer nur befristete Verträge mit einer Dauer von einem Jahr haben. Die Sommerferien müssen dann für die Bewerbungen an verschiedenen Schulen genutzt werden. In Deutschland werden die Lehrer dafür belächelt, dass sie Beamte sind. Mittlerweile weiß ich, dass das wichtig ist, gerade weil Lehrer auch unbequeme und unliebsame Entscheidungen treffen müssen, gerade auch aus Qualitäts- und Gerechtigkeitsgründen. Wer befristet angestellt ist und natürlich auch bei der nächsten Bewerbungsrunde durchkommen möchte, ist bestrebt, bei seinem Chef möglichst keine Probleme (eben auch „nema problema“ im unguten Sinne) zu verursachen und nicht negativ aufzufallen. Bei schlechten Noten ist es wohl nicht unüblich, dass die Eltern das Gespräch mit dem Schuldirektor suchen, zumal die Lehrer nicht den gleichen Respekt wie beispielsweise in Deutschland genießen. In der Konsequenz heißt das auch, dass versucht wird, möglichst wenig Schülerinnen und Schüler durchfallen zu lassen, also mindestens eine 2 zu vergeben (1 ist negativ bzw. durchgefallen und 5 die beste Note). Hinzu kommt, dass wegen der massiven Abwanderung die Schülerzahlen sinken und es natürlich Druck gibt, die verbleibenden Schüler durch das Schulsystem notfalls auch durchzuschleppen. Das sorgt letzten Endes auch dafür, dass Schüler im Extremfall (!) auf dem Papier zum Teil Deutsch seit der Grundschule haben und in der ersten Klasse (10. Klasse nach deutschem Schulsystem) an der weiterführenden Schule keinen geraden Satz zusammenbekommen („totes Meer“). Die unbequeme Frage bleibt dann natürlich, wie viel wert die Noten trotz der vielen Tests auf dem Papier tatsächlich sind… Wie in einem Gesamtschulsystem üblich gibt es dann natürlich auch den positiven Extremfall von sehr talentierten Schülern, die dann allerdings mit jenen anderen Schülern in einer „heterogenen“ Klasse sitzen. Eine solche Situation macht natürlich niemanden glücklich, wenn es keine individuellen Förderungsmöglichkeiten oder „Binnendifferenzierung“ gibt.
Die Stellenvergabe mittels Punktesystem ist transparent. Das Ergebnis wird öffentlich ausgehängt.

Auch der Schuldirektor hat einen befristeten Vertrag, der allerdings über mehrere Jahre geht. Wenn die Regierung wechselt, weil sich durch die Kantonalwahl neue Mehrheitsverhältnisse gebildet haben, müssen viele Direktoren um ihre Posten bangen. Viele von ihnen fahren auch auf „Parteiticket“. So kam es beispielsweise zu kantonweiten, massiven öffentlichen Neuausschreibungen der Rektorenposten, nachdem sich die neue Regierung auf kantonaler Ebene gebildet hat. Die Regierungsparteien egal welcher Couleur sind immer gut damit beschäftigt, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen und verteilen fleißig die Pöstchen in öffentlichen Einrichtungen, als wären diese ein Selbstbedienungsladen.

Gerade aus geht es im ersten Stock zum Schuldirektor, rechts zum Lehrerzimmer.

Das Kabinett im zweiten Obergeschoss — eine ehemalige Caféteria, die nun als Pausenraum für die Lehrerinnen und Lehrer dient. Hier wurde fleißig Zigarette geraucht. Ein Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden wie in der EU gibt es in Bosnien und Herzegowina nicht. Fast der gesamte Lehrkörper hat hier Dampf abgelassen.

Es wurde aber auch unglaublich viel gelacht. Die Bosnier sind für mich die Humorweltmeister und haben immer einen witzigen Spruch auf Lager. Die bosnische Comedyserie „Lud, zbunjen, normalan“ (Verrückt, verwirrt, normal) über eine Dreigenerationen-WG ist auf dem ganzen Balkan ein Hit. Es ist auch sehr interessant, den Humor verschiedener Länder zu vergleichen. Die Bosnier haben eher einen situativen Humor. Die Deutschen haben tendenziell einen vergleichsweise eher hinterhältigen und auch trockenen Humor. (Dieser Satz ist von der Präsentation eines Schülers für Mein Meter Deutschland inspiriert…)

Einmal kurz in ein Klassenzimmer schauen
…und danach ein Blick auf das „schwarze Brett“ der Schule werfen — natürlich auch mit Werbung für Goethe-Zertifikate und PASCH-Wettbewerbe 😉
Das Tor zur Freiheit und zum Wissen – je nachdem, welche Richtung man einschlägt und wie man Schule wahrnimmt 😉 Zu sehen ist die Eingangstür der Schule, durch die alle Schüler ein- und ausgegangen sind.
Eine weitere Spezialität auf dem Westbalkan: Der Pausendienst von Schülern
Schüler „bewachen“ während der Pausen und auch während der Unterrichtszeit die Flure auf den Stockwerken und haben sich dafür hinter der abgebildeten Theke („Rezeption“) hingesetzt. Zugegebermaßen ist das auf Dauer eine recht langweilige Aufgabe, aber die Schülerinnen und Schüler reden auch mit ja auch mit ihren Klassenkameradinnen und -kameraden und erledigen Hausaufgaben. Außerdem gibt es auch einen Aufsichtslehrer. Alle Lehrer werden dafür einmal eingeteilt und sie beaufsichtigen dann mit, z.B. sitzen sie die Zeit bei den Putzfrauen ab.Auf der einen Seite lernen die Jugendlichen Verantwortung für die Schule und die anderen zu übernehmen, auf der anderen Seite gehen die Schüler dann auch nicht in den Unterricht und bekommen auch als Kompensation unterrichtsfrei. Übrigens gab es in unserem Unterricht eigentlich keine Hausaufgaben. Es wird vorausgesetzt, dass die Schülerinnen und Schüler den Unterrichtsstoff selbstständig aufarbeiten. Der Pausendienst gab es auch in dem Gymnasium in Сремски Карловци / Sremski Karlovci (Serbien), das wir während des Zwischenseminars besucht haben.

Diejenigen Schüler, die Unterricht in den Räumlichkeiten im Erdgeschoss haben, müssen im abgebildeten Eingangsbereich warten, bis der Lehrer sie abholt und ruft. Diese Regel musste wohl wegen einiger Vorfälle eingeführt werden.

Der Bulevar vor der Schule ­­— einer von zwei Hauptverkehrsachsen, die Tuzla auf beiden Seiten des Tals einrahmen
Stillleben des Lehrerzimmers — hier gehen auch Schülerinnen und Schüler ein und aus, um die Klassenbücher zu den Lehrern in den Klassen zu bringen oder zurückzubringen

Blick auf der anderen Seite der Schule / vom (unbefestigten) Parkplatz auf den Sportplatz, der auch von der Schule mitbenutzt wird. Auf dem Parkplatz soll eine Turnhalle entstehen.

Allerdings ist es auch kompliziert, eine Baugenehmigung für Baumaßnahmen zu bekommen. Die Schule gehört nämlich dem Kanton, das Grundstück, auf dem die Schule steht, aber der Stadt. Die Stadt wiederum verlangt eine unverschämt hohe Summe für eine Baugenehmigung und der zuständige Beamte hat sogar nahegelegt, schwarz und ohne Genehmigung zu bauen. Dann aber gehen die Schule und die Verantwortlichen natürlich ein hohes Risko ein. Von der Bürokratie werden immer wieder Steine in den Weg gelegt, wenn man etwas verändern möchte…

Die Schule war früher eine Militärkaserne und wird schrittweise saniert. Vorne wurde die Fassade zur Straßenseite und das Dach neu gemacht.

Im Hinterhof sieht man aber noch den alten Zustand der Schule.
Eines meiner Highlights im FSJ: „Mein Meter Deutschland“ mit Schülerinnen und Schülern von PASCH-Schulen

Ursprünglich als Wettbewerb ausgelegt, konnten sich die Schüler in Sarajevo für ein paar Tage kreativ austoben und Bilder und Plastiken zum Thema „Mein Meter Deutschland“ erstellen. Ich fand die Aktion klasse, weil die Schülerinnen und Schülern mal die Gelegenheiten bekommen, ganz ihre Kreativität auszuüben. Das kommt im bosnischen Schulalltag, der stark von Frontalunterricht geprägt ist, sonst nicht (oft) vor. Am Ende gab es eine Ausstellung der künstlerischen Werke in einem Jugendzentrum in Sarajevo mit einem würdigen Rahmen.
Ich habe mich dann auch bisschen künstlerisch ausgetobt bzw. habe es probiert.Mmhh… auch die Verpflegung war top!

Bilder aus Tuzla

Sporttag an der Elektrotechnischen Schule Tuzla: An verschiedenen Plätzen rund um die Schule gab es Fußball und Basketball zu spielen. In der Schule selbst gibt es eine Halle mit Tischtennisplatten. Gar keine dumme Idee!
Beim Sporttag mit ein paar begeisterten Zuschauern und Schülern — Wir haben zusammen die Basketballspiele im Slatina angeschaut, bei denen auch der Schuldirektor mitgemacht hat. Nebenbei haben wir auch über Filme usw. gequatscht. Das hat Spaß gemacht. Irgendwann kam auch ein Alkoholiker vorbei und hat versucht, mir klarzumachen, dass Wasser krank macht und nur Rakija gesund ist…. Naja 😉
An einem Wochenende wurde ich eingeladen, mit zum bosnischen Kulturabend zu kommen. Ein Kulturverein hat Jubiläum gefeiert. Zur Feier gab es dann Tanzvorführungen ohne Eintritt. So habe ich ein wenig von den bosnischen Tanzbräuchen und von der traditionellen bosnischen Musik erfahren. Ich muss sagen, dass die Musik auch etwas betörend wirkt. Es gibt auch Aufnahmen und zwar hier und hier. Viel Spaß!
Am europäischen Sprachentag haben wir an einer Veranstaltung mit Vertretern von EU-Staaten an der philosphischen Fakultät an der Universität Tuzla (zumindest zu Beginn) teilgenommen.Leider hat die Veranstaltungsorganisation die Technik nicht zum Laufen bekommen und wir mussten zurück zur Schule zwecks Unterricht. Eine kulturweit-Kollegin aus Sarajevo ist mit dem Goethe-Institut und einem Stand vertreten gewesen und wir hatten uns auch nochmal extra getroffen, um ein bisschen Tuzla zu zeigen.
In den Winterferien im Januar müssen die Lehrer trotzdem zur Schule kommen, wenn auch nur mit reduzierter Stundenzahl. Wir haben die Zeit genutzt und haben gemeinsam einen freiwilligen Deutschkurs für die Lehrer organisiert. Erwachsene bei Laune zu halten ist genauso anstrengend wie mit Schülern :). Mit reiner Stoffvermittlung kommt man nicht weit. Man muss auch immer „emotional packen“. Da habe ich auch einiges lernen können. Es hat aber auch Spaß gemacht, vor allem wenn ich ein paar Parts übernehmen durfte.
Ganz offizielle Ankündigung des Sprachkurses. Ein Aushang hing auch im Aufenthaltsraum der Putzfrauen und des Hausmeisters. Ich fand es toll, dass die Putzfrauen und der Hausmeister wie selbstverständlich zur Schulfamilie dazugehört haben. Während in Deutschland die Lehrer und Schüler auf das Hauspersonal tendenziell herunterschauen („die Putze“) und Standesdünkel verbreitet ist, sind einige Lehrer an der ETS gerne bei ihnen ein- und ausgegangen. Wir haben dort zusammen Tee und Kaffee getrunken und miteinander gequatscht, zumindest im Rahmen meiner begrenzten Bosnischkenntnisse. Wenn der Hausmeister da war, konnte ich mit ihm auf Deutsch reden, da auch er Verwandte in Deutschland hat und natürlich ein gutes Deutsch gesprochen hat. Das war immer sehr angenehm und hat für eine entspannte Atmosphäre gesorgt.. Mir war trotzdem etwas mulmig zumute, als ich erfahren habe, dass eine Putzfrau weniger Geld (250 €) verdient hat als ich an monatlichem Zuschuss (350 €) bekommen habe!Generell kennen sich viele in Tuzla / Тузла untereinander und der menschliche Umgang miteinander ist unverkrampfter („leben und leben lassen“), wärmer und auch emotionaler. Ich glaube, dass Deutsche in Bosnien im Vergleich dazu manchmal als emotionslose Kühlschränke rüberkommen, wenngleich natürlich deutsche Produkte ein hohes Ansehen genießen und Deutschland bei vielen als das Paradies gesehen wird, in dem es sichere Arbeit und gut bezahlte Jobs gibt. Gleichwohl empfinde ich persönlich Deutschland als sozial kälter, auch wenn in der Bundesrepublik vieles besser organisiert ist.
Bilder vom Modrac-See in der Nähe von Tuzla (Fahrradtour am Abend um den See herum)
Fußballspiel der ersten bosnischen Liga im Stadion von Tuzla in der Nähe von der Schule
Langsame Grenzkontrollen und lange Wartezeiten mit dem Bus, das war keine Seltenheit. Als wir von der Schule aus mit den Lehrern zur Büchermesse nach Belgrad gefahren sind, haben wir an der Grenze ca. 2 Stunden gewartet. Aber dank der ausgelassenen Art des Lehrerkollegiums ging diese Wartezeit auch irgendwie rum. Die Buchmesse ist auf dem ganzen Balkan bekannt und beliebt, weil man dort sehr billig Bücher einkaufen kann und da die Menschen in der Region allesamt die gleiche Sprache mit ein paar Variationen beherrschen, ist das alles kein Problem. Es gab auch einen Stand mit englischsprachiger Literatur, was mich erleichtert hatte, da ich zu diesem Zeitpunkt von Serbokratisch noch nicht viel verstanden habe und schon recht nicht das serbische Kyrllisch lesen konnte!
Nachfolgend ein paar Bilder von der Buchmesse und von Belgrad selbst — auch wenn wir die Stadt nur für einen Tag besuchen konnten.
Das Messegelände stammt noch aus Titos Jugoslawien-Zeiten. Der Baustil des „Brutalismus“ war damals vorherrschend, mit entsprechend viel Beton.
In genau dieser Messehalle hat man jetzt ein riesiges Bettenlager wegen Corona aufgebaut. Unglaublich!
Bilder aus der Belgrader Altstadt:
Es hat ein bisschen das Feeling von Prag — ebenfalls eine Stadt am Fluss.
Bilder aus Bjelovar, wo ich und ein paar Homezonies Tim, ebenfalls kulturweit-Freiwilliger, besucht haben und einen schönen Abend verbracht haben. Eine Stadt mit einer sehr hohen Cafédichte und strengem geometrischen Grundriss. Kroatien ist eben nicht nur die Küste.

Der Footlose vom Vorbereitungsseminar wurde formvollendet in Bjelovar aufgeführt 😉  Bjelovar bei Nacht und bei Tag…
Alternatives Zentrum, das wir im Rahmen des Zwischenseminars in Novi Sad besucht haben. Novi Sad wird Europäische Kulturhauptstadt im Jahr 2021.
Fehlerhafte Planung in Bijeljina, RS, BiH. Ich will nicht nörgeln, zumal die Stadt nach dem Bosnienkrieg mehr oder weniger aus dem Boden gestampft wurde, aber das ist mir halt aufgefallen.
Das sehr veraltete Kohlekraftwerk bei Tuzla („termoelektra“) — verantwortlich für die teilweise katastrophale Luftverschmutzung. Es wird bald durch einen neuen Kohlekraftwerk-Block ersetzt, der von einer chinesischen Firma mittels chinesischer Kredite gebaut werden soll.

Das Kohlekraftwerk in der Nacht — Hauptschlagader der lokalen Wirtschaft

In Deutschland wurde während meines Auslandaufenthalts über den Kohleausstieg diskutiert, während in Tuzla / Тузла die ganze Region auch von der Kohle abhängt und die Luftverpestung wohl oder übel ertragen werden muss. Statt Ausstieg gibt es in Tuzla / Тузла einen Neubau. Das hat mir gezeigt, dass wir beim Thema Umweltschutz in Europa in zwei Paralleluniversen leben. Manche Staaten können sich das einfach (noch) nicht leisten.

Die Stromversorgung funktioniert recht zuverlässig. Nur zwei Mal ist der Strom ausgefallen. Das eine Mal war in der Schule morgens nachdem es in der Nacht davor heftig geschneit hatte. Dann saß die Schule mal für fünf Minuten im Dunkeln. Das andere Mal war in unserem Wohngebiet. Das war ganz schön ungewohnt, so ohne Licht und ohne Mobifunknetz…

Bilder von einer Fahrradtour von Tuzla nach Srebenik (zur Festung):



Ich habe mich auf die Routenführung von brouter verlassen. Generell gibt es keine extra Fahrradwege in Bosnien und Herzegowina und notfalls muss man auf den Magistralstraßen fahren, da andere Straßen nicht unbedingt befestigt sind. Das kann aber auch gefährlich werden, weil auf diesen Straßen alles fährt, auch große Laster. Auf jeden Fall hatte ich mich damals mit der Zeit verschätzt und kam bei Einbruch der Dunkelheit erst bei der Festung an und bin dann abends im Dunkeln auf der Magistralstraße zurück Fahrrad gefahren und bin gefühlt tausend Tode gestorben, vor allem als in einem verlassenen Gebiet mehrere wilde Straßenhunde hinter mir hergerannt sind! Einmal und nie wieder.

Mein Vermieter und seine Freundin haben mich netterweise zum Zwischenseminar in Sremski Karlovci (Serbien) gefahren. Wir haben zu dritt eine kleine Balkantour gemacht! Etwas außerhalb von Tuzla / Тузла haben wir die Aussicht genossen und paar Bilder geschossen. Als dann ein Laster um die Ecke kam, sind wir schnell zum Auto, damit wir nicht stundenlang einem Laster hinterher fahren mussten. In Bijeljina haben wir in einem Restaurant noch richtig gut gegessen.

Mein Vermieter ist während des Bosnienkriegs und noch als Jugendlicher zur bosnischen Armee gegangen und hat in diesem Gebiet gegen die serbischen Truppen gekämpft. Deshalb ist diese ganze Gegend wie auch andere Teile von Bosnien und Herzegowina auch leider bis heute vermint und an der Interentitätslinie zwischen der Föderation Bosnien und Herzegowina und Republika Srpska immer noch ein Niemandsland. Er hat auch bisschen Bammel, dass er auf der serbischen Seite als Veteran festgenommen und in das Gefängnis gesteckt wird. Das war aber Gott sei Dank nicht der Fall und alles verlief — von einem Umweg abgesehen — problemlos ab.

Leider bis heute traurige Realität: Verminte Gebiete in Bosnien und HerzegowinaEs sterben wegen der Minen noch jedes Jahr Menschen in Bosnien und Herzegowina. Es ist mir klar geworden, wie schwierig es auch sein kann, Frieden aufrechtzuerhalten und wie ein Krieg — wie der Balkankrieg vor gut 20 Jahren — in Windeseile zerstören und die Lebensbedingungen von Generationen danach beeinträchtigen kann – physisch und psychisch. Diesen Balkankrieg und seine verherrenden Wirkungen hätte man sicherlich auch verhindern können, wenn es nicht solche Hitzköpfe auf jeder Seite gegeben hätten…
Das Zwischenseminar in Сремски Карловци / Sremski Karlovci hat im Ökologischen Zentrum stattgefunden. Wir haben auch das hier abgebildete alterwürdige Gymnasium besucht, das wirklich schön hergerichtet ist.





Der Hauptplatz in Zagreb. Egal ob zu Weihnachten oder zu Silvester,
an Zagreb kam ich des Öfteren vorbei. Leider wurde Zagreb vor Kurzem von einem starken Erdbeben getroffen, insbesondere die Altstadt wurde in Mitleidenschaft umgezogen – auch dort, wo wir Freiwilligen unser gemeinsames Weihnachten gefeiert haben.Krippenspiel vor der Zagreber Kathedrale an HeiligabendÀ propos: Während des Freiwilligendienstes gab es ungewöhnlich viele Erdbeben in der Balkanregion. Die Freiwilligen in Albanien konnten ein Lied davon singen, da dort meistens das Epizentrum lag. Die Erdbeben hat man auch in Tuzla in milder Form gespürt. So vibrierte zwei, drei Mal der Boden in meiner Unterkunft und auch einmal in der Schule hat man es einmal ganz leicht mitbekommen.
Bilder von der Gornji Grad in Zagreb
Die Beleuchtung in der Gornji Grad wird ganz retro mit Gas betrieben.
in Budapest: hier hat ein Teil des Balkansquads/der Homezone (darunter auch ich) Silvester verbracht! Besonders schön war es abends in den Ruinenbars.
Leider habe ich auf der Busfahrt von Tuzla nach Budapest wegen übermäßig langer Grenzkontrolle in Orašje meinen Anschlussbus in Zagreb verpasst. Am Schalter habe ich dann eben die nächstmögliche Verbindung genommen, mit einem weiteren Umstieg in Ljubljana. Dadurch hat mein Silvester um Mitternacht allerdings während der Busfahrt zwischen Zagreb und Ljubljana stattgefunden. Zwischen den einzelnen Bussen war immer ausreichend Pausen, sodass ich in der Silvesternacht drei europäische Hauptstädte besucht habe. Das ist ja auch nicht schlecht 😉
Silvesternacht in Ljubljana
Die Stadt hat den Flair einer StudentenstadtAls in Budapest morgens ankam, war der Akku von meinem Handy leer und ich habe versucht, die Unterkunft auch so zu finden. Erst ohne Erfolg, denn ich bin mindestens anderthalb Stunden durch eine menschenleere Stadt geirrt, aber dann hab ich halt doch das Handy am Laptop angeschlossen und irgendwann die Unterkunft gefunden. Ich war eigentlich schon hellwach, aber die anderen haben lieber ausgeschlafen und dann habe ich schon mal so die Stadt angeschaut. Budapest ist sehr schön, aber war nicht gerade billig. Dazu auch so ein unpraktischer Wechselkurs wie in Serbien… Zu viele Nullen.
Blick auf Sarajevo von dem Berg, auf dem man mit der Seilbahn hochfahren kann. In Sarajevo hatten wir unsere Willkommenstage vom Goethe-Institut!

Das Goethe-Institut war die Partnerorganisation für meinen Freiwilligendienst an einer PASCH-Schule. Die Rolle ist nicht zu unterschätzen, denn für eine längere Aufenthaltsgenehmigung in Bosnien und Herzegowina braucht es sehr viele Nachweise, auch vom Goethe-Institut.

Die einzureichende Unterlagen waren:

  • Antrag mit Passfoto
  • Implementierungsvertrag vom Gerichtsdolmetscher auf Bosnisch übersetzt
  • eine notariell beglaubigte Kopie vom Reisepass (Notare hat es im Überfluss)
  • Weiße Karte (Aufenthaltsnachweis, nach der Einreise bei der lokalen Behörde einzuholen)
  • die Bestätigung von kulturweit (englischsprachig)
  • der Mietvertrag
  • die BH6-Bescheinigung der Krankenkasse aus Deutschland (Kooperationsvertrag zwischen dem deutschen und dem ex-jugoslawischen Gesundheitssystem, das einfach für Bosnien und Herzegowina weitergilt)
  • die Gesundheitsbestätigung vom lokalen öffentlichen Gesundheitsamt (dafür ist ein halber Tag einzuplanen, da man auf Herz und Nieren geprüft und von Abteilung zu Abteilung geschickt wird — das darf man auch selbst bezahlen)
  • das amtliche Führungszeugnis in beglaubigter übersetzter Fassung
  • der Nachweis für die Überweisung der Bearbeitungsgebühr für das Amt (Barzahlung ist nicht möglich, um Korruption zu verhindern)
  • die Einsatzstellenbeschreibung auf Bosnisch vom Träger (Goethe-Institut)
  • die Einsatzstellenbeschreibung auf Bosnisch über das Projekt an der Schule (Goethe-Institut)
  • der Kooperationsvertrag zwischen der Schule und dem Goethe-Institut
  • die Nummer des Goethe-Instituts beim Finanzamt mit Stempel und Unterschrift
  • der Solvenznachweis des Goethe-Instituts (Zahlungsfähigkeit des Goethe-Instituts) von der Bank
  • Versicherungsbestätigung in beglaubigter Übersetzung
  • die Versorgungsbestätigung des Goethe-Instituts
  • (das Schreiben der Deutschen Botschaft)

und tata… einen Monat später war die Aufenthaltsgenehmigung da. Aber es ist unschwer zu erkennen, dass mit diesen Vorgaben Arbeitsbeschaffung und klassische Wirtschaftsförderung betrieben wird. Danke an das Goethe-Institut, an meinen Ansprechpartner und an meinen Vermieter, die mich dabei tatkräftig unterstützt haben!

Bosnien ist ein wunderschönes Land, das leider kaputtregiert wird. Ich schreibe das jetzt vielleicht aus der Sicht mit einer westeuropäischen Brille, aber  das sage nicht nur ich, sondern kann so ziemlich jeder Bosnier bestätigen, mit dem man spricht. Das ist auch kein theoretisches Gelaber, sondern schlägt sich leider im Alltag nieder. Wenn man von Deutschland über Österreich, Slowenien und Kroatien nach Bosnien und Herzegowina mit dem Bus reist, dann ist das Wohlstandsgefälle einfach augenfällig und die fehlende bosnische Entwicklung im Infrastrukturbereich frappierend. Die bosnische Bürokratie wuchert wild, ist trotzdem ineffektiv und Zuständigkeiten sind nicht immer klar verteilt, auch weil sich die verschiedenen Gebietskörperschaften darum streiten. So hat ein recht dünn besiedeltes Land wie Bosnien mit 3 Millionen Einwohnern verhältnismäßig viele Verwaltungsebenen:

  • Zentraler Staat, der wegen Herumstreitereien zwischen den Entitäten auch 20 Jahre nach dem Dayton-Friedensabkommen noch schwach ausgeprägt ist. Es vergeht kaum ein Tag, an dem einer drei Präsidenten, die jeweils eines der konstituierenden Volksgruppen (Bosnier, Kroaten, Serben), gegen die anderen verbal schießt oder sich den Vorschlägen von den anderen Präsidenten verweigert. Das passiert alles mit Vorsatz, um den Staat zu delegitimieren. Das Zusammenstellen der letzten Regierung hat so beispielsweise ein Jahr gedauert. Es zeigt sich einfach, dass es keinen gemeinsamen Konsens über diesen Staat gibt. Es gibt keinen gemeinsamen Geist, der diesen Staat trägt, außer vielleicht, dass es keinen Krieg mehr geben soll. Auch werden Beschlüsse des obersten Verfassungsgerichts von den Entitäten teilweise nicht anerkannt und diese Konflikte einfach ausgesessen. Dazukommen kommt noch ein parlamentarisches Zweikammernsystem à la USA mit Ober- und Unterhaus, das für einen umfassenden Interessensausgleich zwischen den Volksgruppen sorgen soll. Durch die Vetomöglichkeiten der Volksgruppen sind in der politischen Praxis jedoch politische Prozesse schnell blockiert.
  • Die Entitäten Förderation Bosnien und Herzegowina (bosnisch-kroatisch dominiert) und Republika Srpska (serbisch dominiert). Die Föderation Bosnien und Herzegowina hat auch noch keine Regierung und ist während meines Aufenthalts auch nicht besonders durch Tatkräftigkeit in Erscheinung getreten, da die Föderation selbst äußerst förderativ konzipiert ist und die Macht eher bei den Kantonen liegt.
  • Kantone (in der Förderation Bosnien und Herzegowina, denn Kroaten und Bosnier streiten sich auch herum und deswegen gibt es die Kantone) mit eigenen Ministerpräsidenten und Kabinetten. Es gibt zehn Kantone mit weitreichenden eigenen Zuständigkeiten; so auch in der Bildungspolitik. Wie in der Bundesrepublik Deutschland gibt es dadurch auch zehn verschiedene Schulsysteme und Lehrpläne.
  • Städte (grad)
  • Gemeinde (općina), die unterste Verwaltungseinheit. Am bekanntesten dürfte die Opcina Stari Grad Sarajevo sein, die Gemeinde der Altstadt Sarajevos.

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es (fast) genauso viele Verwaltungsebenen (föderaler Gesamtstaat, Bundesländer, (Regierungsbezirke), Kreise, Städte/Gemeinde), allerdings mit 80 Millionen Einwohnern!

Jetzt kann man sich vorstellen, was für Unsummen ein solcher Apparat verschlingt, da auf jeder Verwaltungsebene natürlich auch Direktoren und Stellvertreter eingesetzt werden und der ethnische Proporz z.B. bei den Stellvertreterposten eingehalten werden muss.

Die mentale Spaltung des Landes spiegelt sich auch in der Parteienlandschaft wider. Die dominierenden Parteien sind jeweils eindeutig den jeweiligen konstituierenden Volksgruppen zuzuordnen (SDA Bosnier, HDZ Kroaten und SNSD Serben) und es dient ihrem Machterhalt, wenn sie sich voneinander abgrenzen. Gleichzeitig ist die HDZ ein wichtiger Player im politischen System Kroatiens. Das sorgt alles dafür, dass die politischen Geschehnisse in Bosnien und Herzegowina immer hochgradig von den Entwicklungen in Kroatien und Serbien abhängen. Hier sieht man die fortwährende politischen Verflechtungen zwischen den Staaten und das postsozialistische Erbe von Jugoslawien. Gleichzeitig ist auch nicht zu vergessen, dass dies allesamt junge Nationalstaaten sind und die Identitätsfragen noch viel stärker gestellt werden als wie es in Westeuropa der Fall ist.

Nicht zu vergessen ist, dass Bosnien und Herzegowina nach dem Friedensvertrag nur teilsouverän, unter internationaler Beobachtung steht und überwacht wird und ein hoher Repräsentant aus der internationalen Gemeinschaft weitreichende Befugnisse hat, um die Politiker „zurückzupfeifen“, wenn sie ihre Spielchen zu weit treiben oder Abspaltungsversuche zu offensiv bewerben. Erst letztens gab es auch ein Protestschreiben, weil nach dem Regierungswechsel im Kanton Tuzla / Тузла der Polizeipräsident vor die Tür gesetzt wurde.

Die direkte Eingriffsmöglichkeit der internationalen Gemeinschaft wurde in letzter Zeit nicht genutzt. Die internationale Gemeinschaft ist ja zur Zeit auch eher zerstritten und Bosnien und Herzegowina muss dann als einer der ersten Länder dieses Entscheidungsvakuum ausbaden. Das Land ist deswegen in einer unguten Gleichgewichts- bzw. Pattsituation (à la Nash-Gleichgewicht) gelandet, die eine konstruktive Weiterentwicklung und zeitgemäße Anpassung des politischen Systems verunmöglicht und die Menschen nicht zufriedenstellt. Man muss sich die unbequeme Frage stellen, ob man viel erreicht hat, wenn man zwar weiteren Krieg verhindert hat (und das ist auch gut so!), aber danach das Land durch Auswanderung ausdünnt? Auswanderung ist ja auch quasi eine „Abstimmung mit Füßen“.

Wir haben in Bosnien und Herzegowina also extrem viele Player auf verschiedenen Ebenen. Ich möchte mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber der Spruch, dass zu viele Köche den Brei verderben, könnte durchaus auf Bosnien und Herzegowina zutreffen. Jedenfalls funktioniert das aktuelle System mehr schlecht als recht, aber immerhin hält es den Frieden aufrecht.

Ausgebrannte Kantonalhauptverwaltung: 2014 gab es landesweite Proteste wegen Korruption, Arbeitslosigkeit, Privatisierungen. Mitunter wurde auch die kantonale Hauptverwaltung direkt gegenüber von der Schule in Brand gesetzt. Seitdem steht das Hochhaus verwaist in der Stadt und es wird auch nicht mehr hergerichtet. Mein Vermieter hat auch an den Protesten teilgenommen. „Zum Dank“ haben sie ihm einen Schlagstock in den Brustbereich gerammt und er musste wegen einer Infektion dann im Krankenhaus behandelt werden.
Das Hochhausviertel „Slatina“ direkt bei der Schule
In der Platzmitte wurden im Herbst neue Spielgeräte für die Kinder aufgebaut. Wir sind mit einer Traube Schüler dann auch rübergegangen und haben die Eröffnung durch den Bürgermeister (mit Fernsehen) verfolgt. Der Bürgermeister ist schon relativ lange im Amt, sodass er von einigen auch schon scherzhaft „Pharao“ genannt wird. Tuzla / Тузла ist selbst gilt als eine Hochburg der Sozialdemokraten und die Ortsansässigen haben öfters betont, dass sie die Stadt Tuzla / Тузла wegen ihrer offenen Multikulturalität besonders schätzen. Sie meinten auch, dass es das sonst nirgendwo sonst in Bosnien und Herzegowina in dieser Form gäbe. Fest steht auf jeden Fall, dass es neben der bosnischen Mehrheit auch eine bedeutende kroatische sowie eine serbischen Minderheit gibt. In der Stadt gibt es das Komplettpaket an bedeutenden Religionen in Europa: mehrere Moscheen, ein katholisches Kloster und eine orthodoxe Kirche.
Blick auf den Gesundheitszentrumskomplex. Bei meiner Pflichtuntersuchung für meine Aufenthaltsgenehmigung wurde ich mitunter zur Lungenabteilung geschickt und geröngt. Ironischerweise hat es genau dort am meisten nach Tabakrauch gestunken.
Eben dort, beim Gesundheitsamt, wurde ich vollumfänglichst untersucht. In Bosnien ist alles nur mit Unterschrift und Stempel gültig. Auf diese Tatsache wurde ich von meinem Ansprechpartner mehrmals hingewiesen. Dem aufmerksamen Leser wird an dieser Stelle vielleicht nicht entgangen sein, dass auf bosnischen Urkunden der Name des Vaters in Klammern gesetzt immer dabei steht.

Am Anfang habe ich gedacht, dass so eine Gesundheitsuntersuchung übertrieben ist. Aber mittlerweile finde ich es nicht schlecht, dass ich mal einen Komplett-Check bekommen habe. Nach der von kulturweit vorgeschriebenen allgemeinärztlichen Beratung und der arbeitsmedizinischen Vorsorgeberatung in Deutschland war das dann mein dritter Akt in Sachen Arztbesuch. In Bosnien gibt es keine Krankenkassen wie bei uns, sondern zentrale Gesundheitsämter, denen man dann einen Besuch abstattet. Dort arbeiten dann alle Ärzte von den verschiedenen Fachgebieten. Dieses System stammt noch aus den sozialistischen Zeiten und das Gesundheitsamt in Tuzla / Тузла definitiv auch. Es war sehr spartanisch ausgestattet und wurde lange Zeit nicht modernisiert. Auch die Krankenhäuser sind nicht im Top-Zustand. Das ist mitunter der Grund, weshalb jetzt wegen des Coronaviruses so harte Maßnahmen wie Ausgangssperren für junge und alte Menschen erlassen wurden, da das Gesundheitssystem in keinem guten Zustand ist. Aber es gibt auch eine Reihe von privaten Ärzten, wenn man eine etwas bessere Behandlung als in den öffentlichen Gesundheitsämtern haben möchte, aber die muss man auch komplett selbst bezahlen. Naja zurück zu meiner Gesundheitsuntersuchung: Bei der Psychologin wurde ich nur gefragt, ob es mir gut geht bzw. ob ich irgendwelche psychischen Probleme hätte. Als ich verneint habe, gab es dann auch schon den Stempel mit Unterschrift. Das Lustigste war immer noch der Neuropsychologe, der mir einen Kulli zugeworfen hatte, den ich gefangen habe, nur um meine kognitiven Fähigkeiten zu testen und das war auch schon alles bei ihm. Ich habe ihn dann noch netterweise darauf hingewiesen, dass auf dem Boden in seinem Zimmer ein blutverschmierter Verband lag. Das fand ich auch wiederum eher weniger amüsant. Die Blutabnahme war auch nicht so schön. Das wurde wie am Fließband abgewickelt. Die Leute standen vor dem Arztzimmer Schlange und dann Tür auf, (her)eintreten, Tür zu, kurz warten, Tür auf, der Nächste usw. Das Blut wurde nicht zu knapp abgenommen… Obwohl wir extra früh morgens dort waren, war das Amt gut gefüllt.

„Meine“ Bäckerei, bei der ich immer entweder ein Burek (mit Fleisch) oder ein Sirnica (mit Käse) mit Joghurt gekauft habe. Das erste Mal habe ich versucht, auf Bosnisch zu bestellen, aber die Verkäuferinnen wechselten gleich auf Englisch. Aber später war es auf Bosnisch auch kein Problem. Die beiden Verkäuferinnen sind wirklich sehr nett und sympathisch! Die Bäckereien haben oft ziemlich lange geöffnet und es ist immer eine Diskussion zwischen mir und meinem Vermieter gewesen, wo es die besten Burek der Stadt gibt… Es gab auch eine 24/7-Bäckerei in Tuzla! Generell sind die Öffnungszeiten nicht weiter geregelt. So haben größere Lebensmittelgeschäfte zum Teil auch sonntags geöffnet.

Übrigens heißt Sirnica Sirnica und nicht Burek mit Käse, wie in anderen Balkenstaaten. In Bosnien wird darauf großen Wert gelegt; jede Burekart hat seinen Namen!

Die Altstadt von Tuzla

Am Kreisverkehr auf der einen Seite der Panonischen Seen
Eine ewige Baustelle
Am Hauptplatz von Tuzla: Dort finden Kulturveranstaltungen wie Konzerte und auch der Weihnachtsmarkt statt. Interessant ist, wie osmanischer und habsburgerischer Baustil (Hotel auf der rechten Seite) aufeinander treffen.
Der Fußballverein Sloboda (Freiheit) Tuzla hat im Winter auch Jubiläum gefeiert und zur Feier kam auch eine junge Sängerin aus Bosnien, die bei einer serbischen Talentschau im Fernsehen gewonnen hatte. Es wurden auch Himmelslaternen gestartet.
Das Standesamt von Tuzla

Kunst in einer der Gassen in der Altstadt (beim Tattoostudio)
Blick von einem der Hügel auf die Stadt bzw. auf Slatina. Man kann auch die Scheinwerfer vom Stadion sehen.
Pannonica / Die pannonischen Salzseen in Tuzla sind sehr bekannt und im Sommer ein beliebtes Ausflugsziel zum Baden

Die Nacht in Sarajevo ist wunderschön — die vielen Lichter funkeln wie Sterne!
Hier noch ein paar Eindrücke von Sarajevo
An dieser Stelle in Sarajevo fand das Attentat statt, welches den ersten Weltkrieg ausgelöst hat.
Blick von Sarajevo in die Republika Srpska. Auf dieser Straße geht es auch zum ehemaligen olympischen Wintersportzentrum am Jahorina, auf dem wir auch Ski gefahren sind.
Der Klassiker aus Sarajevo (Altstadt):
In Sarajevo trifft osmanischer und habsburgerischer Baustil aufeinander. Man kann quasi die Geschichte „mitgehen“.
In Sarajevo verkehrt auch eine Straßenbahn mit der gebotenen Langsamkeit, was auch am  Gleisoberbau liegt, dessen Zustand eher bedenklich ist. Der Fuhrpark besteht aus – ich kann es leider nicht anders ausdrücken – sowjetischen Schrottbüchsen. Aber sie tun ihren Dienst noch zuverlässig!
Bilder von meiner Rückreise:

Am Flughafen von Sarajevo für die vorzeitige Rückkehr: Viele sind mit den Atemmasken herumgelaufen und das Flugzeug nach Deutschland war bis auf den letzten Platz belegt. Lustigerweise lief auf den Flachbildschirmen im Warteraum noch die Weihnachtswerbung von Coca-Cola… im März. Eile mit Weile!

Sarajevo von oben
Im Flieger saßen noch zwei weitere Freiwillige/Praktikantinnen neben mir, die bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in Sarajevo tätig waren und jetzt wohl Homeoffice von Deutschland aus betreiben…
Letzter Blick auf den gebirgigen Teil des Westbalkans

Mein „Handgepäck“ bei der Rückreise nach Deutschland — das ging ohne Murren durch Zollkontrolle, am Schalter und im Flugzeug gab es auch „nema problema“. Mein Flachbildschirm im großen Koffer hat es auch überlebt.
Umgekehrt noch ein paar Bilder von der erstmaligen Hinreise nach Tuzla. Die Fahrt von Sarajevo nach Tuzla dauert mit dem Bus ca. 3 Stunden und führt durch Schluchten und über Berge. Bustickets erwirbt man am besten immer direkt vor Ort. Gerade bei knappen Anschlüssen sollte man keine Tickets vorab online erwerben. Das ist dort noch nicht so gängig. Außerdem kann man die Tickets meistens auch im Bus erwerben, wenn man mit den lokalen Busunternehmen unterwegs ist.
Die Zeit, die ich mir für andere nehme, mag manchmal wie verschwendete Zeit daherkommen. Aber sie ist die schönste Zeit, die ich in meinem Leben „verschwenden“ kann.

Danke für das halbe Jahr und danke fürs Lesen!
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