Die einsame Reisende

Um 5 Uhr morgens ist die schönste Zeit draußen zu sein. Sich fragend, ob nun eher Tag oder Nacht ist. Sonne, Mond und Sterne teilen sich den violetten Himmel. Die sonst so volle Stadt ist wie leergefegt. Die Zeit steht still. Ich kann durchatmen. Hin und wieder hört man ein Auto vorbeifahren. Jemand fegt den Bürgersteig. Ein, zwei Frühaufsteher erledigen die Einkäufe bevor die tagtägliche Hitze hereinbricht. Man spürt sie jetzt schon. Einer der Gründe für mich ans Meer zu fahren. Alleine die Küste hoch: von Batumi, der südlichsten Großstadt Georgiens, Bade- und Partyresort, 13 km von der türkischen Grenze entfernt, nach Poti, das Nahe des immer noch von russischen Truppen besetzten Abchasien liegt.

Da meine Eltern mich mit einem kurzen Appell an meine Vernunft davon abhalten konnten per Anhalter nach Batumi zu fahren, streife ich also um 5:15 Uhr Richtung Hauptbahnhof. Eine gesunde Mischung aus Intuition und Google Maps weist mir den Weg.

Weg zum Bahnhof

Am Bahnsteig spiele ich Poirot. Beobachte die Menschen, versuche ihre Beziehungen untereinander zu erraten, woher sie wohl kommen. Ganz schnell diagnostiziere ich Schubladendenken bei mir. Auch beim Einsteigen in den Zug komme ich mir vor, wie in einem Agatha Christie Krimi. Pardon: will ich mir vorkommen. Viel High Tech und ein künstlicher Erdbeergeruch holen mich in die Realität zurück. Ein parfümierter Zug, den man nicht fahren hört. Das nennt man wohl Luxus.

In Batumi angekommen habe ich mich vom Bahnhof erstmal auf den Weg in die Innenstadt, zu meinem Hostel gemacht. Ich bin gelaufen und konnte so hautnah mitbekommen, wie intensiv die Stadt bebaut und die Straßen erneuert werden. Auch hier hofft man auf mehr Profit durch Tourismus. Bei einer späteren Free Walking Tour durch die Stadt erzählt der Gruppenleiter, dass die Einwohner Batumis von Mai bis September vom Tourismus leben und sich danach wieder auf anderen Wegen ernähren müssen.

Strand von Batumi

Taxi- und Busfahrer fragen mich, wie mir Batumi gefalle und was ich denn schon alles gesehen habe. Sie bieten mir an, mich noch dort und da hinzufahren. Ein „Nein“ wird nicht akzeptiert. Es wird weitergedrängt. Im Sommer ist die Beutejagd eröffnet.

Batumi

Meine Touristenhighlights in Batumi waren die Free Walking Tour mit Altstadt, Hafen und Weinprobe und das Kunstmuseum. Das Museum ist wirklich sehr sehr klein, aber einige ausgestellten Werke haben es mir angetan. Der botanische Garten etwas außerhalb von Batumi, im grünen Kap, ist auch wunderschön. Vom Strand war ich nicht sehr begeistert und das Nachtleben habe ich ruhen lassen.

Blick aus dem Botanischen Garten

Gestörte Idylle im Botanischen Garten

2 Tage in Batumi haben mir gereicht. Ich habe bestimmt nicht alles gesehen und mir vielleicht voreilig meine Meinung gebildet, aber ich habe Lust weiterzureisen. Nächster Stop: Ureki. Dort soll es einen schönen Strand mit Magnetsand geben, der nicht nur cool aussieht, weil schwarz, sondern auch heilende Kräfte aufweist. Leider war mein „3-Sterne“-Hotel ein kompletter Reinfall. Kinder, vertraut nicht zu sehr aufs Internet und lest Bewertungen. Nach meinem Aufenthalt dort habe ich eine Kritik geschrieben und es hat teuflisch viel Spaß gemacht. Gut, dass ich in Ureki nur eine Nacht verbringen wollte. In Ureki war ich dann auch endlich schwimmen. Ganze 5 Minuten lang. Das Schwarze Meer ist, wie alte Mythen, Sagen und Legenden beschreiben, sehr wild und stürmisch.

Strand von Ureki

Eigentlich hatte ich noch vor nach Poti zu fahren, um dort einen Nationalpark zu besichtigen, jedoch wurde mir die Einsamkeit und das Alleinesein mit meinen Gedanken und Gefühlen zu viel. Ich fuhr nach Hause -nach Tiflis, mit der Erkenntnis, dass alleine Reisen nichts für mich ist.

Zum Glück gibt es um mich herum nette Menschen, Mitfreiwillige, die mich einladen mit ihnen nach Baku zu fahren. Nach 2 Tagen in Tiflis stürzte ich mich ins nächste kleine Abenteuer: Aserbaidschan. Mit dem Nachtzug ist man von Tiflis aus innerhalb von 2 Stunden an der aserbaidschanischen Grenze. Über die vermeintlich strenge Grenzkontrolle habe ich viele Geschichten gehört: wenn man einmal in Armenien war, lassen sie einen nicht nach Aserbaidschan einreisen. Die Taschen werden durchsucht. Es werden Fingerabdrücke genommen. Ich kann zur allgemeinen Beruhigung sagen, dass bei unserer Reise das nicht der Fall war. Die Grenzbeamten simulierten Strenge, jedoch war die Atmosphäre trotz der langen Kontrollzeiten -jeweils einstündige Kontrolle auf georgischer und armenischer Seite, die wir beim Plaudern draußen verbracht haben- relativ entspannt.

Baku hat mir sehr gefallen. Eine moderne Stadt, die mich von der Architektur im Viertel nahe der Strandprominade sehr an Paris erinnert hat; ansonsten aber viele orientalische Elemente aufweist. Bei einem Tagesausflug haben wir den Tempel der Zarathustra besichtigt, in Schlammvulkanen „gebadet“ und die bis zu 40.000 Jahre alten steinzeitlichen Felszeichnungen von Qobustan bewundert. Wie bereits in Kasachstan, ist mir auch in Baku aufgefallen, um wie viel bunter Tiflis ist.

Teppiche-Baku

Alltag-Baku

Brennender Berg

Als ich mir Ende Juni, nachdem ich aus einem 10-tägigen Feriencamp aus Bakuriani zurückgekehrt bin, vorgestellt habe, noch ganze 2 Monat in Tiflis verbringen zu müssen, kam mir die Zeit furchtbar lange und die Langeweile unerträglich vor. Ich wusste nicht, was ich mit der ganzen Freizeit anfangen soll. Jetzt ist ein Monat seit Bakuriani vergangen und ich merke, wie mir die Zeit davonrinnt. Ich freue mich auf zu Hause, aber ich merke, dass ich längst noch nicht alles gesehen, gefühlt, geschmeckt habe und das dieses Land noch so viel mehr für mich bereit hält.

Zum Beispiel:

Sonnenuntergänge

Spiele

Kunst