Logbuch Eintrag 3

 

Der gestrige 23. September – ein denkwürdiges Datum. Nicht nur
war es der letzte Tag vor der heutigen Bundestagswahl, nein es war auch der Ta an dem ich (endlich) den Strand in Tallinn gefunden habe. Ich solltedazu aber erwähnen, dass ich ihn nur durch Zufall fand. Eigentlich wollte ich wegen des unfassbar schönen Herbstwetters in den Kadriorg Park zum Les
en, fand allerdings keinen wirklich geeigneten Platz und lief immer weiter bis da plötzlich die Ostsee vor meinen Füßen war. Ich verspürte ein mir bis dato nur wenig bekanntes Glücksgefühl.

Vor dem gestrigen Großereignis dachte ich mein Highlight dieser Woche wäre der Ausflug zum Moor am Dienstag mit den deutschen Austauschschülern und -lehrern aus Stuttgart gewesen. Das war eine atemberaubende Kulisse.

Mittwoch war ich dann im Oru majas (Haus des Tales), wo der Unterricht der Klassen 6 bis 12 stattfinden und Donnerstag und Freitag bei den Klassen 1 bis 5 im Mäe majas (Haus des Berges). Zum Teil war ich dort Mittelpunkt der Stunde, zu einem anderen nur eingebunden oder habe mich in die hinterste Ecke gesetzt und zugeschaut und gehört.

Ja, das war dann auch eigentlich schon wieder alles. Tschüss oder wie man hier zu sagen pflegt: Head aega!

Eure Thekla aus Tallinn

Logbuch Eintrag 2

Tag 4 in Tallinn. Ich habe bereits herausgefunden, dass ich zu meiner Schule nur 4 Minuten zu Fuß unterwegs bin. Purer Luxus also. Außerdem habe ich mich sogar schon offiziell gemeldet, wobei ich das allein wohl nicht gemacht hätte, aber meine Mitbewohnerin war sehr motiviert und da bin ich kurzer Hand mitgegangen. Ein Dank also an Anna.

Ansonsten bin ich nicht wie der letzte Tourist losgezogen, dementsprechend oft habe ich mich allerdings auch verlaufen. Hier eine kleine Anekdote: Als ich am Donnerstag Abend feststellte, dass ich das dringende Bedürfnis verspürte noch einmal einen Fuß vor die Haustür zu setzen, entschied ich mich zum Strand zu gehen, einmal die Ostsee sehen, vielleicht sogar mal einen Finger reinhalten um festzustellen, dass es eh zu kalt ist und mich dann im Nachhinein zu ärgern, weil meine Hand kalt und nass sein würde. Um das Ende kurz vorwegzunehmen, ich bin nie beim Strand angekommen. Stattdessen beim Hafen für die Fähren nach Stockholm und Helsinki. Sicherlich keine schlechte Information für spätere Ausflüge, aber eben nicht mein Ziel. Meine Idee, dass wenn ich einfach immer weiter daran vorbei laufen würde, früher oder später ans Meer zu gelangen war auch falsch. Irgendwann habe ich mir dann eingeredet, ich hätte zumindest ein wenig Wasser gesehen und bin mit diesem kleinen Erfolg zurück in die Wohnung gestiefelt (Heute kann ich überzeugt sagen, dass ich kein Wasser gesehen habe, sondern nur blau schimmernden Asphalt des Hafens, aber ich brauchte eben einen kleinen Erfolg).

Die Tage darauf folgte ein kleiner Ausflug nach dem anderen. Zum einen auf den Domberg und in die Innenstadt. Die dänische Besetzung hat der Altstadt geformt, wie sie heute größtenteils noch aufzufinden ist und sie ist malerisch. Überall kleine Läden, Pubs, Restaurants. Es ist beeindruckend, wie hier Geschichte auf Realität trifft. Denn wenn man vom Domberg herunterblickt sind die modernen Bank- und Hotelgebäude nicht zu übersehen, aber sie stören die Atmosphäre keineswegs, sie tragen ihren eigenen Teil dazu bei. 

Mein persönliches Highlight war bisher allerdings der Kadriorg-Park (Katharinenthal-Park) mit dem dazugehörigen Schloss. Das war früher die Sommerresidenz verschiedener europäischer Monarchen, wie Adolf Gustav den 2. aus Schweden oder für die Frau eines russischen Zaren, der den Partypalast für sie errichtet hat. Heutzutage ist das Schloss Teil der Estnischen Kunstsammlung, wo hauptsächlich Werke von Vertretern des niederländischen Realismus und Naturalismus, aber auch russische Impressionisten hängen. Im Park und im Schlossist alles wunderbar symmetrisch. Da fühle ich michdoch direkt ein wenig heimisch.

Morgen dann der erste Tag an meiner Einsatzstelle. Davon werde ich dann die Tage berichten.

Liebe Grüße von Thekla aus Tallinn

Logbuch Eintrag 1

Hier bin ich jetzt also: in der technisch progressivsten Stadt Europas. Ob mir das noch großartig etwas bringen wird, weiß ich jetzt noch nicht zu sagen. Insgesamt gehe ich in dieses Jahr mit geringen Vorstellungen. Ich weiß nicht was mich erwartet und diesen Gedanken finde ich persönlich so schön, dass ich mir gar keine Vorstellungen machen möchte. 

Bisher war der Freiwilligendienst für mich nur das Vorberetiungsseminar am Werbellinsee bei Berlin. Seitdem bin ich nun also kritisch weiß, ich bin mir meiner Privilegien bewusst und suche bei gegernderten Worten wie Trainer*innen nicht mehr die Fußnote für das Sternchen. Dementsprechend würde ich die Vorbereitung als einen Erfolg auf ganzer Linie bezeichnen. 

Wobei ich dort ein wenig einlenken muss. Denn als ich hier nun ankam und erschreckend feststellen musste, dass ich nicht mal Danke auf Estnisch (Tänan) sagen kann war es mir schon dezent unangenehm und ich wünschte ich hätte mehr Zeit in meine sprachliche Vorbereitung gesteckt. Aber ich hatte meine Gründe: Meine Großeltern haben mir ein Wörterbuch geschenkt und die ersten Seiten mit Begrüßungen habe ich meines Achtens mit Bravour erledigt bis eine Seite kam, auf der die Überschrift “DIE 14 FÄLLE” prangte. Da hab ich das Büchlein erschrocken zugeschlagen und beäuge es seitdem mit einem schlechten Gewissen. Angefasst habe ich es nur, um es einzupacken (und jetzt im Nachhinein zu schauen, wie Danke übersetzt wird).

Für dieses Wochenende habe ich noch keine großen Pläne, außer mit meinem Tallinn Reiseführer wie der letzte Tourist durch die Stadt zu wandern, die ich vermutlich bis zum Ende meines Freiwilligendienstes ein Zuhause nennen kann. Soviel zu den Erwartungen. 

Viel mehr weiß ich nun nicht zu berichten. Im Grunde ist es auch nur meine Art meiner Familie und meinen Freund*innen zu sagen, dass ich heil angekommen bin. Bin ich. 

Liebe Grüße aus Tallinn von Thekla 

*es wird das vermutlich nicht wieder vorkommen, dass hier gendere, aber ein wenig muss ich den Kulturweitspirit mit mir forttragen.