Elftes Türchen – in der Höhle des Drachen

Die Geschichte eines kleinen Hobbits hat vor einigen Jahren alle Fantasyfans und viele, die sich dafür eigentlich nicht interessieren, mitgerissen. Man hat mitgefiebert, wie es ihm ergehen wird, was er erleben wird, ob am Ende alles gut wird und wie sich die Sache mit dem Drachen entwickeln wird.

Eben dieser Drache – Smaug war sein Name – hat den Reiz der dreiteiligen Filmreihe erst ausgemacht. Dieser riesige Drache in seiner Höhle voll von Gold, schimmernd durch die vielen, vielen Lichter, von riesigem Ausmaß.

Kaum vorzustellen, wie das wäre, in dieser Höhle zu stehen. Bestimmt wunderschön, kaum von dieser Erde und atemberaubend.

Hier ein Video vom Film mit dem wunderschönen und ebenso atemberaubenden Lied „I See Fire“ von Ed Sheeran:

Bestimmt fragst du dich schon, was das ganze jetzt mit Vietnam und dem elften Türchen zu tun hat. Natürlich zu recht!

Und doch hat es meiner Meinung nach mit Vietnam zu tun. Ich war zwar nicht in DER Höhle von Smaug im Einsamen Berg, aber es hat sich fast so angefühlt. Wunderschön, kaum von dieser Erde und atemberaubend.

Aber jetzt erst mal von Anfang an:

Nachdem ich in Hue eine Free Walking Tour am ersten Tag gemacht und am darauf folgenden Tag im Rahmen einer ganztägigen City Tour gefühlt ganz Hue kennengelernt hatte, entschied ich mich, am dritten Tag etwas außerhalb zu unternehmen.

Nach langem Hin und Her – es gibt so viele lockende Angebote und Touren, da ist die Entscheidungsfindung wirklich hart – habe ich mich für eine Ganztagestour in die Paradieshöhle entschieden. Kleiner Spoiler: Es hat sich wirklich gelohnt!

Mit dem Bus ging es um 6:30 Uhr los, was angesichts der Tatsache, dass ich mich am Abend zuvor (oder sollte ich in der Nacht sagen!?) sehr gut mit einem Chilenen und einem Mexikaner im Hostel unterhalten habe, schon recht früh war.

Nach eineinhalb Stunden Busfahrt hielten wir bei der „Lady of La Vang“ an, einer ziemlich verrückten Kirche und Gedenkstätte. Der Legende nach sollen katholische Gläubige im Jahr 1798 wegen religiöser Verfolgungen Unterschlupf im Wald von La Vang gesucht haben. Eines Tages, als die Gläubigen Rosenkränze beteten und um den Schutz Gottes baten, erschien ihnen „the virgin mother in her extreme beauty and splendour“. Nachdem sie den Menschen Schutz und Hilfe ausgesprochen hatte, wurde sie verehrt und der Ort gilt nun als Pilgerstätte. Vor allem optisch ist der Open-Air-Altar sehr, naja, wie soll man sagen, experimentell!? Aber sieht selbst:

 

Nach zwei weiteren Stunden Busfahrt gab es Mittagessen. Besonders gefreut hat mich, abgesehen davon, dass es echt lecker war, die Tatsache, dass wir „typisch Vietnamesisch“ gegessen haben. Das bedeutet: Man hat viele kleine Teller mit köstlichen (natürlich vietnamesischen) Speisen auf dem Tisch stehen. Jeder kann sich von den Tellern nehmen, wonach ihm gerade ist, befördert dieses Essen erst in sein Schüsselchen und danach in seinen Mund. Wichtig dabei: Der Zwischenschritt, dass man erst alles in die kleinen Schüsseln legt, bevor man isst. Gleich zu essen, gilt als absolutes No-Go! Ein klarer Vorteil dieser Tradition ist außerdem, dass man mit den Mitessern, nein, also den Menschen, die auch an der Mahlzeit teilnehmen, durchgehend redet. Schon allein deshalb, weil man sonst keinen Teller gereicht bekommt.

Wenig später sind wir nach insgesamt vier Stunden Busfahrt durch die wunderschöne, jedoch durch die grauen Wolken nicht ganz so strahlende Landschaft am Ziel angekommen, dem Ticketschalter am Eingangsbereich in mitten des Phong Nha-Ke Bang Nationalparks. Mit einem „Buggie“ ging‘s zehn Minuten bis zu dem Punkt, wo man mit einem solchen Gefährt nicht mehr weiterkommt. Zu Fuß stapften wir angeblich 570 Meter bis zum Höhleneingang, angefühlt hat es sich jedoch nach einigem mehr, da es stets bergaufwärts ging. Dafür wurde man schon beim „Wandern“ mit einer tollen Aussicht auf den Park belohnt.

 

Endlich war der Zeitpunkt gekommen, es ging in die Höhle! Und nach einigen Stufen abwärts könnte man einen ersten Blick auf die lang erwartete Höhle werfen.

Der Name eben dieser, Thiên-Đường-Höhle, bedeutet so viel wie Paradieshöhle und diesem wird die Höhle definitiv gerecht.

Je weiter man hinabsteigt, desto mehr Sicht bekommt man auf die mehrere Millionen Jahre alten Stalaktiten und Stalagmiten. Verschiedenste Formationen erinnern an Dinge aus dem alltäglichen Leben und doch fühlt es sich an wie in einer anderen Welt. Den Kopf legt man in den Nacken und mit offenem Mund läuft man den insgesamt einen Kilometer zugänglichen Weg durch die Höhle. Geredet wird dabei fast gar nicht, die Atmosphäre ist zu besonders und die Aussicht wirklich atemberaubend.

Ganz ehrlich, mir fehlen die Worte, selbst jetzt einige Stunden nachdem ich die Höhle wieder verlassen habe. Mir fehlen die Worte, der Schönheit dieser Höhle in irgendeiner Weise in Worten Ausdruck zu verleihen. Und alles, was ich hier schreiben würde, würde einfach nicht reichen.

Aus diesem Grund habe ich dir hier einige Bilder aus der Höhle zusammengestellt und außerdem ein Video von der Höhle.

Natürlich weiß ich, dass auch die Bilder nicht alles zeigen, bei weitem nicht. Und doch möchte ich sie mit dir teilen, damit du wenigstens ein bisschen Einblick in meine Faszination für diese Höhle bekommst und dir dieses „Paradies“ vorstellen kannst.

Nun mach nochmal das Lied vom Anfang an und sieh dir die Bilder in aller Ruhe an. Stell dir vor, dass du gerade durch die steilen Treppen am Einfang trittst und Stufe für Stufe mehr von dieser Höhle zu sehen bekommst. Und am Ende der Höhle triffst du vielleicht den Drachen, der majestätisch seine Flügel aufschlägt und durch die Höhle fliegt. Durch die paradiesische Höhle des Drachen!


Viele Grüße von der immer noch staunenden Sophie

Siebtes Türchen – Mein Hut, der hat drei Ecken

Ich gebe dir eine Aufgabe, keine Angst, sie ist nicht schwierig:
Stelle dir einen Timer für eine Minute. Nun schließe eine Minute lang deine Augen und stell dir Vietnam vor! Öffne deine Augen nach dem Signal, komm wieder in der Realität an und lies weiter!

Bestimmt hast du in dieser Minute eine Reise durch Vietnam gemacht.
Vielleicht hast du Reisterrassen gesehen. Vielleicht bist du durch die engen Gässchen Hanois gewandert.
Vielleicht hast du dir einen wunderschönen Strand mit Palmen vorgestellt.
Vielleicht bist du durch die Berglandschaften Vietnams geklettert.
Vielleicht hast du ein Museum besucht oder einen der vielen Tempel oder Pagoden.
Vielleicht hast du an die vielen Höhlen und Grotten gedacht.
Vielleicht hast du auch das leckere Essen in Vietnam vor dir auf einem Tisch stehen sehen.

Und vielleicht hast du an eines der Symbole Vietnams gedacht: den Nón Lá. Einen dreieckigen Hut, wenn man von einer Kinderzeichnung ausgeht (natürlich weiß ich, dass er nicht wirklich drei Ecken hat 😉 ), die den Hut vereinfacht darstellt:

Man könnte nun zu singen beginnen „Mein Hut, der hat drei Ecken. Drei Ecken hat mein Hut. Und hätte er nicht drei Ecken, so wär er nicht mein Hut“. Natürlich kannst du das gerne machen, abhängig davon wie hoch deine Gesangskünste sind und wo du dich befindest.

Aber um deutsche Kinderlieder soll es nun nicht gehen. Dieses „Türchen“ soll von DEM traditionellen Hut Vietnams gehen. Einen konisch geformten Hut aus getrockneten Blättern. Ich habe es vorhin schon erwähnt, er heißt Nón Lá.

Schon auf antiken Gegenständen wie dem Hap Dong Dao Thinh (einem großen Zylinder aus Bronze von Dao Thinh) und der Trong Dong Lu Ngoc (der Ngoc Lu Trommel aus Bronze) kann man den Nón Lá sehen. Da diese Gegenstände ein Alter von 2.500 bis 3.000 Jahre verzeichnen, zeigt es, dass der Hut bereits zu diesem Zeitpunkt, wenn nicht sogar noch früher entstand.
Und tatsächlich findet sich der besondere Hut seit mehreren Tausend Jahren auf dem Kopf der Vietnamesen. Zudem kommt er in vielen, alten Legenden und Märchen vor, die bis heute von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden.

Der Erzählung nach hat der Nón Lá seinen Ursprung, wie er legendenhafter nicht sein könnte:
Während einer langen und heftigen Sintflut kam eine riesige Frau vom Himmel und schützte die Menschen vor dem Regen. Dafür trug sie einen Hut aus vier, runden Blättern, die den Regen abweisen sollten. Nachdem die Sintflut also abgewendet war und die Göttin zurück im Himmel war, wurde ein Tempel gebaut, um der regen-schützenden Göttin zu danken und ihr zu gedenken.
Es wurde dann versucht, den Hut der Göttin mit Palmenblättern nachzubauen. Das Ergebnis davon sieht man bis heute in ganz Vietnam auf den Köpfen vieler Vietnamesen, aber auch Touristen.

Mit dem Nón Lá auf dem Kopf auf dem Fahrrad unterweg.

Die Modernisierung schreitet weiter voran und immer mehr Maschinen vereinfachen auch in Vietnam die Produktion von Gütern, die Herstellung des Nón Lá jedoch bleibt rein handwerklich. Es schafft wohl doch keine Maschine, die über Jahrhunderte entwickelte und ausgebaute Technik, diesen feinen und eleganten Hut herzustellen, zu ersetzen.

Obwohl allein getrocknete Blätter und ein Rahmen in der Form eines Kegels nötig sind, ist die Herstellung des Nón Lá wesentlich komplizierter als man denken mag.
Am besten funktioniert die Herstellung mit getrockneten Bambusblättern und einem aus Bambus gebogenen Rahmen.
Unter der Sonne werden die frischen, grünen Palmenblätter getrocknet. Mithilfe einer heißen Stahlstange werden die Blätter dann von Handwerkern geglättet. Hierbei ist Können gefragt: Ist das Eisen zu kalt, lassen sich die Blätter nicht bearbeiten. Wenn es bei der Berührung der Blätter unkontrolliert abkühlt oder von Beginn an zu kalt ist, kräuseln sich die Blätter und können nicht wieder verwendet werden.
Ist es jedoch zu heiß, entstehen gelbe Flecken auf den Blättern und sie verbrennen.
Wenn der Prozess des Glättens erfolgreich beendet ist, geht es mit dem Benähen des Hutes weiter. Auf den kegelförmigen Rahmen, bestehend aus 16 runden Bambusstücken, werden nun die geglätteten Bambusblätter genäht.
Nach vielen Versuchen hat sich die Anzahl von 16 Bambusstücken als perfekt erwiesen. Mit einer festen Technik werden nun gut sitzende Hüte nach einem bestimmten Schema hergestellt.
Bestimmt merkst du schon, dass die Herstellung eines Nón Lá wesentlich komplizierter ist, als man auf den ersten Blick denken mag. Er bedarf höchster Präzision und dem handwerklichen Geschick eines erfahrenen Handwerkers.
Faszinierend finde ich, dass jede einzelne Naht ohne Lineal – ich frage mich wirklich, wie das geht – in gleichen Abständen genäht wird. Wegen dieser Regelmäßigkeit ist der dünne Nylonfaden kaum mehr zu erkennen.
Nun wirst du dir bestimmt vorstellen können, wie zeitaufwendig die Herstellung eines Nón Lá ist und vor allem wie viel Geduld man dafür braucht.

Obwohl das Grundgerüst und die Form des Nón Lá durch die 16 Bambussegmente feststeht, gibt es viele Varianten, den Hut noch schöner und besonderer zu machen.
Das wohl berühmteste Beispiel ist das sogenannte Muster „Non Bai Tho“, durch welches der Hut zum „poetischen Hut“ wird. Entstanden in der alten Kaiserstadt Hue zeigt dieser Hut Bilder, die für diese Region in Zentralvietnam stehen. Die Muster werden zwischen zwei Blätterschichten eingenäht. Das Besondere: Sichtbar wird die spezielle Verzierung erst, wenn man den Hut gegen die Sonne hält.

Eine einfachere Methode, den Hut zu schmücken, ist das Anheften von Papierblumen. Schön sind aber auch aufgestickte Bilder wie beispielsweise von Reisfeldern oder anderen landschaftlichen Augenweiden Vietnams.

Nun ist der Hut hergestellt und verziert, aber so hält er noch nicht auf dem Kopf. Mit einem farbigen Seidentuch oder -Netz, das an beiden Seiten des Hutes befestigt wird, wird das Verrutschen von eben diesem unterbunden.

Endlich kann der Hut aufgesetzt werden. Aber nein! Es gibt noch viel mehr Möglichkeiten zur Verwendung des Nón Lá!

Natürlich schützt der Hut auf dem Kopf vor den Sonnenstrahlen im Sommer und auch vor der Hitze. Denn während der Trockenzeit kann es gut und gerne mal 40 Grad werden und dann ist man froh über jeden Zentimeter Schatten.
Umfunktioniert zum Fächer, spendet der Hut durch seine Größe Luft. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das wirklich ein toller Nebeneffekt ist.
Aber auch in der Regenzeit muss der Hut nicht im Keller verstauben. Bei dem monatelangen und oft sintflutartigen Regen kann man über seinen Hut froh sein, da er den Kopf trocken hält. Ja, er ist wirklich wasserfest, denn die Herstellung des Hutes mit mehreren Schichten von Blättern lässt so keinen Tropfen Wasser mehr durch.
Aber auch für den Transport von Obst, Essen oder vielen anderen Dingen ist der Hut zu gebrauchen.
Zu beobachten damit sind auch Mütter, die ihre Kinder vor dem Lärm und dem Staub der Straße schützen.
Man sieht lächelnde Händlerinnen auf den Märkten, die den Hut auf dem Kopf tragen.
Die Verkäuferinnen von frischem Obst, ganzen Gerichten und verschiedenen anderen Waren auf den Straßen erkennt man auch an ihrem kegelförmigen Hut.

Auf dem Heimweg gerade: Eine Frau, die mit dem Hut auf dem Kopf BHs auf der Straße verkauft.

Und es gibt Touristen, die damit viele viele Bilder damit machen, ihren Hut mit auf eine Reise in die Heimat nehmen und irgendwo aufhängen.

Und selbst wenn wahrscheinlich jeder Vietnam-Tourist sich vor dem Abflug sorgt, wie sein kegelförmiger Hut den Flug sicher überleben soll und ihn am Ende gut mit in seine Heimat bringt, wird mein Nón Lá mich an meine besondere Begebenheiten mit dem Nón Lá erinnern:

Zum Beispiel an eine zweistündige Bootsfahrt auf dem Tam Coc Fluss, bei der es bis auf die letzte Viertel Stunde ununterbrochen und gewissermaßen sintflutartig geregnet hat. Die Göttin aus der Legende hatte wohl nochmal prüfen wollen, ob ihre Erfindung, der Nón Lá, immer noch gut vor Regen schützt.

Bei einer Bootsfahrt in Ninh Bin, als es gerade nicht mehr regnete.

An eine etwas kürzere Fahrt mit einem kleinen Bötchen im Mekongdelta, bei der jeder Tourist für die Photos einen eben solchen Hut ausgeliehen bekommen hat.

Und als Symbol für meinen Vietnamaufenthalt insgesamt wird er an die Wand gehängt und er wird mich dann zum Träumen bringen:

Vielleicht von Reisterrassen. Vielleicht von den engen Gässchen Hanois. Vielleicht von einem wunderschönen Strand mit Palmen. Vielleicht von Berglandschaften. Vielleicht von Museen und Tempeln und Pagoden. Vielleicht von den vielen Höhlen und Grotten. Vielleicht von dem leckeren Essen in Vietnam.

Aber ganz bestimmt von einer aufregenden und unvergesslichen Zeit!

Alles Liebe,

die stolze Besitzerin eines Nón Lá – Sophie

Nour und ich – stolz wie Oskar mit unseren neuen Hüten.

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