Die Prager Geister

Am Wochenende habe ich die Prager Geister entdeckt.
Sehr unwahrscheinlich und nicht mal fröstelnd kamen sie mir entgegen. Doch meine Kamera haben sie verdreht. Sogen sich durch ihr Gehäuse und zerfraßen die Technik. Und nun sitzen sie fett und ungelenk zwischen Kugelkopf und Blende und flößen dem lichternen Herz Unschärfe ein. Das pure Gift für den Fokus. Doch dafür (vielleicht die Tugend aus der Not) blickt die Kamera gemeinsam mit mir, neu auf das Wesentliche. Wir entdecken eine Stadt, so anders als im scharfen Fokus meines Augenlichtes. Oder – verändert sich Prag immer in dem kurzen Moment der Unachtsamkeit, wenn ich vom eigenen Auge zur Linse wechsle? Ist Prag vielleicht ein närrischer Wechselbalg? Zum Spaß aufgelegt, da ich eh nicht lange bleibe?
Denn, wie sollte ich mir anders erklären, dass Tag für Tag und Nacht für Nacht die gleichen Orte so anders wirken?
Das goldene Dach des Theaters scheint nie gleich in der rosafarbenen Abendsonne und die verformten Miminkos des Künstler Cerny krabbeln immer an anderer Stelle und mit anderen Gemüt, den Prager Fernsehturm hinauf.

Auf den goldenen Herbst, mit warmen Sonnenstrahlen in den Parks und Gärten der Stadt, folgt ein kühler Herbst. Frischer Nebel umhüllt und durchdringt die Stadt. Am morgen verschleiert er die Burg und das Museum Kampa. Dampfend brühen seine Schwaden über der Moldau.
Noch immer strömen die Besucherinnen und Besucher über die Karlsbrücke und erobern die Burg. Ich spüre mehr denn je: Prag ist ein Ort für Reisende. Vielleicht auch deshalb mein Gefühl der ständigen Veränderung. So viele Menschen, die einen Teil ihres Geistes in der Stadt lassen, um – im Austausch – einen Teil der Stadt mit nach Hause zu nehmen.
All die Spuren, all die Geschichten verweben sich ineinander und ändern täglich den Atem der Stadt.
Vielleicht ist es also gar etwas Gutes, dass die Prager Geister die Sicht meiner Kamera verändern.

Doch nun weniger textlichen Da-Da-Ismus von mir; es folgt der Beitrag der häufig zitierten Kamera: der Versuch einen flüchtigen Moment zu erfassen.

Na shledanou,
Andre

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