Lebensgeschichten

Besuch, China-Tag, Reise, Sommer-Anfang

Ab Ende April hatte ich eine besondere Zeit dieses Dienstes vor mir, denn zum einen kam mich eine Mit-Freiwillige aus einem anderen Teil Kroatiens besuchen, und zum anderen besuchte ich sie im Gegenzug in „ihrer“ Stadt. Direkt darauf folgten dann in einer Woche einige besondere Ereignisse. Doch fangen wir langsam an.

Schon vor dem Dienst und auf dem Seminar hatten wir die Idee, uns gegenseitig zu besuchen, um so etwas günstiger und einfacher Kroatien kennenzulernen. Nun schien sich jedoch eine Schwierigkeit zu entwickeln. Mein Vermieter-Ehepaar verbat mir, Besucher in meiner Wohnung aufzunehmen. Warum? Nun, wir wohnen beide im selben Haus, sie im Erd- und Obergeschoss, ich im Untergeschoss. Da haben sie es natürlich nicht gerne, wenn so ein Student (für sie) wildfremde Leute in die Wohnung bringt, oder vielleicht gar noch ausufernde Partys dort schmeißt. Ich vertraue natürlich all meinen Gästen, doch verstehe ich den Einwand auch. Sie haben meines Gefühls nichts gegen Fremde, sonst hätten sie mich nicht aufgenommen. Nur wollen sie keinen Freifahrts-Schein für irgendwen ausstellen, den/die sie gar nicht kennen. Und hat es nichts mit Kroatien oder mit mir zu tun, so Einstellungen kenne ich auch aus Deutschland. Und so fragen wir nach einer Ausnahme, schließlich sind sie es, die ja auch eine Ausnahme von der Regel geben können, erklären, wer sie ist, und der Besuch ist genehmigt.

Sie kommt an einem Freitag Mittag in Pula per Bus an, ich hole sie vom Busbahnhof ab, ihr gleich Stadt und Meer gezeigt, welches es so an ihrem Ort nicht gibt. Am Abend sie mit Freiwilligen des European Voluntary Service in Pula bekannt gemacht, die am Abend direkt gemeinsam ausgingen. Am nächsten Tag ging es dann für einen Tages-Ausflug in einen nahegelegenen Nationalpark namens Premantura, an die Südspitze Istriens, wo wir wanderten, in die dortige Safari Bar einkehrten und uns ein dort Aufgewachsener die Gegend und den zu der Zeit wachsenden Wildspargel erklärte. Am nächsten Tag zeige ich ihr den Rest der Stadt, das Schloss inmitten der Innenstadt, das jedoch visuell verborgen ist, inklusive der dortigen Aussicht und anliegendem Museum.

Am nächsten Tag zeige ich ihr meinen Arbeits-Platz, den sie gewissermaßen an einem typischen Tag erlebt: es stand einmal wieder ein Projekt an. An jenem Tag gab es einen Projekt-Tag für China, infolge der wachsenden Zusammenarbeit von China und Kroatien. Noch im Herbst zuvor, während ich da war, gab es eine große Aufführung der chinesischen Botschaft im Pulaer Amphitheater. An diesem Tage verreisten Schüler des Deutsch-Unterrichts mithilfe von PASCH-Net nach China. Das bedeutet, sie lasen entsprechende Meldungen bzw. schauten Videos zu PASCH in China. Hierzu gab es ein Arbeitsblatt mit QR-Codes zu den entsprechenden Links, und die Inhalte wurden mithilfe der vom Goethe-Institut Kroatien gesponsorten iPads aufgerufen. Am Abend gingen wir noch in ein Restaurant der Stadt, wo wir ein leckeres Essen hatten.

Direkt am nächsten Tag ging es dann weiter mit dem Bus nach Varaždin. Die Stadt gefiel mir direkt, mir fiel auf, wie es dort noch ruhiger als in Pula ist, was ich sehr schätz(t)e. Vieles war anders dort, ich war im Inneren Kroatiens, und nicht mehr an der Küste. Ich bekam das Gäste-Zimmer in ihrer Wohnung und die Freiheiten eines Gastes, vielen Dank dafür, habe mich da sehr wohl gefühlt. Am nächsten Tag zeigt sie mir die Stadt, diverse Kirchen, den Stadt-Park und das Schloss der Stadt, die Stadt hat ihren eigenen Charme und bietet schöne Motive zum Fotografieren. Danach begleite ich sie in ihre Schule in den Unterricht. Über den Tag verbringe ich dann Zeit in der Stadt, genieße ihre Energie, lege mich in den Park und schaue mir das dortige Museum der Engel an.

Am nächsten Tag schaue ich mir zwei Museen, einmal das der alten und neuen Meister, und das Stadt-Museum an, entspanne mich danach am Vormittag. Zum Mittag machen wir uns auf zum Bahnhof für eine Fahrt ins nahegelegene Čakovec, wo wir uns eben das dortige Schloss anguckten, die Kuchen-Spezialität Međimurska gibanica (sogenannter Vierlings-Strudel aus 4 verschiedenen Füllungen, den ich aus Pula kannte) in ihrer Heimat und setzten uns in ein Café in der Fußgängerzone. Am Abend kochen wir uns eine große, deftige Speise Spargel mit Reis, Eiern, Zwiebeln und Knoblauch. Fühle mich bei dieser deftigen Speise an Deutschland erinnert, seit langem nichts deftiges mehr gegessen, hier esse, koche und lebe ich doch recht spartanisch.

Am nächsten Tag leiht sie mir ein Rad für einen Tages-Ausflug, mit dem ich mich in den Wald, an die Drava (den dortigen schönen Fluss) und den anliegenden See begebe. Ewig war ich kein Fahrrad mehr gefahren, dabei kann das in einer solchen Landschaft richtig schön sein. Am Morgen begleitete ich sie in den Unterricht und durfte dann beim Kaffee-Trinken der Lehrer*innen dabei sein. Dann uns den Friedhof der Stadt angeschaut.

Am Samstag schauen wir uns dann zusammen mit einer Deutsch-Lehrerin und ihrem Sohn das berühmte Schloss Trakošćan in der Nähe von Varaždin an. Ist es auch auf der Landkarte recht nah, so ist es ohne Auto nur schwer zu erreichen. Die Lehrerin konnte glücklicherweise, sodass der Trip einfacher wurde. Es gibt da wohl einen Bus hin, doch ist das wohl recht kompliziert, wie ich es verstanden habe. Der Besuch des Schlosses umrahmten wir je mit zwei Besuchen im nahegelegenen Café auf dem See. Das Schloss von nahem zu sehen und drin zu sein war mindestens genauso beeindruckend wie es auf den Fotos aussieht. Zum Abschluss noch auf ein leckeres Abendessen eingeladen und einen See in der Gegend gezeigt. Das war ein beeindruckender Trip, nachdem sich am Abend bei mir ein Reise-High ankündigte.

Am letzten Tag, dem Sonntag, lassen wir die Zeit noch in einem vom Kroatien-Reiseführer empfohlenen Café ausklingen, nehme Abschied von dieser schönen Stadt, begebe mich mit einem Hoch und Dankbarkeit zurück nach Pula.

In der nächsten Woche standen nun einige wichtige Ereignisse an: der Info-Punkt an der Schule wurde eröffnet. Der Info-Punkt ist ein neben der Eingangstür der Schule positionierter Info-Stand. Hier sitzen Schüler*innen des Deutsch-Unterrichts und beantworten vorbeiziehenden Passanten (Fokus: deutschsprachige Reisende) Fragen über Pula oder die PASCH-Schule. Hierdurch gewinnen sie erste praktische, konkrete Erfahrungen für einen Beruf im Tourismus.

Zu diesem Anlass sollte ich dann auch ein Interview für die Regionalzeitung Glas Istre (kroatisch für Stimme Istriens) geben, beantwortete dazu einige per Mail zugesandte Fragen. Ein paar Tage später wurde das dann tatsächlich veröffentlich, was mir dann meine ersten 15 minutes of fame meines Lebens gab. In den darauffolgenden Tagen sprachen mich einige darauf an, dass sie über mich in der Zeitung gelesen haben, und andere meinten, ich sei jetzt ein VIP in Pula. Als introvertierter Mensch ist mir so externer Erfolg wie in der Zeitung stehen nichts was ich explizit anstrebe, doch ist er klarer zu fassen als ein interner à la ‚ich fühle mich sehr wohl in diesem Job an diesem Ort‘.

Noch am selben Tag bereiten wir die Schule für einen besonderen Anlass vor: die jährlichen Fit-Prüfungen des Goethe-Institutes finden statt, dieses Jahr mit über 100 Teilnehmer*innen. Zwei Prüferinnen aus Zagreb (der Hauptstadt Kroatiens und Sitz des dortigen Goethe-Instituts) kamen nach Pula, wir bereiteten bis in den Abend die Räume entsprechend vor. Die nächsten Tage half ich als Gang-Aufsicht aus, mit der Aufgabe, bei den Teilnehmern für Ruhe während der Prüfung zu sorgen. Das ist gar nicht so einfach, weil viele Schüler*innen an einem typischen Schul-Tag ihre Lautstärke nicht drosseln müssen, und bei den Teilnehmer*innen selbst noch schwerer, da so eine Prüfung doch sehr emotional ist. Wie wir und ich wohl damals vor den Abitur-Prüfungen drauf waren? Das hat mich dann drei Tage am Stück gefordert, teils bis zum frühen Abend, natürlich mit Pausen dazwischen.

Direkt nach den Prüfungen stand auch schon das nächste Projekt an: das Sommer-Praktikum von 12 Schüler*innen in bayrischen Hotels. Über einen längeren Zeitraum hatten sich Schüler*innen über die Agentur für Arbeit auf ein 2-monatiges Praktikum im Sommer in einem bayrischen Hotel bei den Seen in der Region Traunstein beworben. Im Mai kam nun die endgültige Zuteilung, wer wo arbeiten wird. In der Folge gaben wir für sie Unterricht in Servierkunde, Fahrt, Formalitäten u.v.m. vor diesen großen Projekt mussten erledigt werden. Anfang Juni fuhren die Praktikant*innen dann mit dem Bus von Pula nach Bayern, und bleiben dort bis Anfang August. Das Projekt nennt sich „Deutsch für meinen Beruf“ und ist mit dem EU-Sprachensiegel ausgezeichnet worden.

Zu dieser Zeit fängt hier auch der Sommer an, mit fast täglicher Sonne und Temperaturen um oder sogar über 30 ° C. Das ist für mich eine Umgewohnung, da ich die Stadt im kompletten Gegenteil, im kühlen Winter mit orkanartigen Winden kennen und lieben gelernt habe. Auch ist meine Natur und meine helle Haut eher für den Winter geeignet. Doch während sich das FSJ auf die Zielgerade bewegt, wird mir ganz langsam klar, dass ich ein Jahr lang geschafft habe. Ich war mir zu Anfang nicht mal sicher, ob ich ein halbes Jahr aushalten würde, nun sollte ein ganzes mir gelingen, und ich will vom Gefühl her am liebsten gar nicht mehr gehen.

Neben der großen Reise nach Varaždin machte ich einen Tages-Trip in der Region, ins nahegelegene Dorf Vodnjan. Aus Freude an Zügen nahm ich die Eisenbahn statt des Stadt-Busses in die Nachbar-Gemeinde Pulas. Es ist recht malerisch dort, ich treffe auf einen dort wohnenden Schüler, mache Fjaka (kroatische Version der Siesta, d.h. sich mittags schlafen legen) auf einer Wiese nahe der Kirche, lege mich auf nahegelegenden Feldern hin, am Ende genieße ich noch eine schöne abgekühltere Abend-Atmosphäre auf dem zentralen Volksplatz, bevor es für mich zurückgeht.

Das letzte große Projekt im Schuljahr stellte ein Auftritt zur Sprachanimation an einer Grundschule im istrischen Dorf Sveti Lovreč dar. Hierzu machen wir zu dritt in einer Klasse, meine Ansprechpartnerinnen als Deutsch-Lehrerinnen und ich im Kostüm des Maskottchen Treffi eine Animations-Stunde für den Deutsch-Unterricht. Die Lehrerinnen haben einen einfachen Dialog in Form einer Vorstellungsrunde gemacht, haben den Inhalt — verschiedene Gegenstände — von Treffis Tasche vorgestellt. Dann wurde Treffi erweckt, und mit ihm haben alle Obstsalat mit den zuvor gelernten Begriffen von Treffis Tasche gespielt. Danach sollten die Schüler*innen malen, was sich in Treffis Tasche befindet. Treffi hat ihnen dabei Feedback gegeben. Zum krönenden Abschluss haben wir dann als Gesamt-Gruppe zum Fliegerlied getanzt.

Einen historischen Ort erlaufen

Irgendwann im Januar 2018 bemerke ich irgendwo im Internet die Werbung für einen 10-Kilometer-Lauf auf den nahegelegenen Brijuni-Inseln. Ich entscheide mich dann, an diesem Lauf Anfang März teilzunehmen, und mich bis dahin entsprechend vorzubereiten. So laufe ich dann häufiger durch die Stadt und ihre Umgebung, komme auch mit mir bis dato unbekannten Teilen der Stadt in Kontakt. Als der Lauf näher kommt, entscheide ich mich, für die Nacht zuvor ein Hostel in der den Inseln gegenüberliegenden Gemeinde Fažana zu nehmen. Denn hätte ich um rechtzeitig zum Start um 11 Uhr auf der Insel zu sein, um 9 Uhr die Fähre in Fažana nehmen müssen, und um dorthin zu kommen, den Bus um 6 Uhr aus dem Zentrum von Pula. Das war mir doch zu früh und unpraktisch, zudem ist Fažana auch eine interessante Stadt für sich. Ich war zuvor zweimal kurz da gewesen, aber noch nicht länger.

Der Name Brijuni wird wohl vielen nichts sagen… zumindest hat er mir vor diesem Austausch nichts gesagt. Doch sind diese unscheinbar wirkenden Inseln doch ein einzigartiger und auch historischer Ort: es gibt dort Elefanten, Lamas, Zebras, einen Golfplatz, Hotels, u.v.m. Wie kam all das dahin? Nun, die Insel war zu Zeiten Jugoslawiens Sommer-Residenz von Staatsmann Tito, jahrzehntelang Präsident von Jugoslawien und die zentrale Figur des Staates, ein auch heute noch umstrittener Mensch. Die Tiere hat er dann von befreundeten Staatsmännern als Geschenk erhalten. Tito ist seit den 80ern tot, Jugoslawien zerfallen und die Inseln sind in der Folge an Kroatien übergegangen. Heute sind sie ein Nationalpark. Denn es gibt auf den Inseln viel schützenswerte Flora und Fauna. Ein Besuch ist nur als Teil einer offiziellen Führung, als Gast eines Hotels, oder jetzt in meinem Fall durch die Teilnahme am Lauf möglich.

Zu Zeiten der österreichisch-ungarischen Monarchie (der Kroatien einmal angehörte) war die Insel ein beliebter Treffpunkt der Wiener Oberschicht. Der irische Autor James Joyce war auch einmal Gast auf der Insel, genauso wie einige Dinosaurier vor Jahrmillionen, deren Spuren bis heute geblieben sind. Es gibt hier tausende an kleinen Geschichten und Anekdoten zu den Inseln.

Ich stand zum Lauf früh auf, machte mir das Frühstück direkt am Meeres-Ufer von Fažana, das um die Ecke des Hostels lag. Das Wetter an jenem Tag war nicht allzu gut, kühl, windig und bewölkt. Doch beim Frühstück hat es noch keinen Regen gegeben. Vor der Abfahrt der Fähre um 9 Uhr gönne ich mir noch einen Kaffee in einer am Ufer gelegenen Bar, die komplett im Golf-Theme gehalten ist, diverse Schläger-Replikas an den Wänden und unter einer Glasplatte auf jedem Tisch eine Sammlung an Golfbällen beinhaltet. Fahre dann mit den anderen Läufer*innen rüber auf die Ostseite der Insel zum einzigen Hafen, direkt an den Hotels der Insel, der Nummern-Ausgabe und dem Start und Ziel des Rennens. Hier komme ich dann ungeplant in die kroatische Tagesschau, als ich im Hintergrund eines Interviews mit einer Läuferin stehe. Gegen 11 Uhr geht es dann los, spüre, wie ich mich kaum fit fühle, und das regnerische, dunkle, bewölkte Wetter ist nicht wirklich motivationsförderlich. Es geht viel durch Wälder, an Grünflächen vorbei, teils auch am bzw. übers Meer und quer über den Golfplatz der Insel. Ungewöhnlich war der kurze, schätze 500 m lange Teil durch den Safari-Park der Insel, wo ich Zebras, Lamas, Pferde sah. Vom berühmten Elefanten sah ich jedoch „nur“ die Skulptur, den echten sah ich nicht. Den Lauf empfand ich jedoch als hart, biss mich durch, nicht mein Tag. Hatte noch auf eine Zeit unter einer Stunde gehofft, doch das gelang mir nicht. So Tage gibt es auch, gehört zum Laufen (bzw. dem Leben allgemein) dazu.

Nach dem Lauf mich dann ins Restaurant des Hotels gesetzt und mir zuerst einen Kaffee dort gegönnt, und dann das Mittagessen des Laufes eingenommen. Ich spaziere danach noch was über die Insel, wer weiß, wann ich wieder hier bin. Als Hobby-Fotograf hätte ich mir gerne die Foto-Ausstellung zu Tito angeschaut, doch war sie an dem Tag geschlossen. Am Ende gehe ich ins Boots-Haus, ein Museum über die Geschichte der Insel, dessen Besuch ich dann auf halber Strecke unterbreche, um die Fähre zurück ans Land, und den Bus nach Pula zu bekommen. Der Hostel-Rezeptionist hat mich dann mit zwei anderen Läuferinnen freundlicherweise zurückgefahren, und ich habe an diesem Tag nach dem Lauf und den vielen Eindrücken der Insel nicht mehr viel gemacht. Die Insel war eine Erfahrung für sich, eine ganz eigene Atmosphäre und Energie spürte ich da.

Warum wir das Ergebnis der Fußball-WM schon vorher kannten

Ende Februar kommen zwei Studentinnen auf Lehramt von der Universität Bielefeld für ihr Praktikum an die Schule für Tourismus, Gastgewerbe und Handel in Pula. Sie kamen für das Projekt „Didaktik ohne Grenzen“ an die Schule. Das war ein schönes Erlebnis und eine gute Erfahrung. Auch vor allem schön zu sehen, wie andere Menschen die Stadt für sich entdecken und erleben, für mich als jemanden, der zu dem Zeitpunkt vergleichsweise länger dort gelebt hat.

Die Studentinnen sammelten praktische Erfahrungen im Unterricht, halfen bei den Projekten an der Schule aus, reisten in der Umgebung und waren aktiver Teil einiger Schul-Ereignisse. Zum krönenden Abschluss machten wir an drei aufeinanderfolgenden Tagen in den istrischen Städten Pazin, Poreč und Rovinj Werbung für den Deutsch-Unterricht und die Goethe-Prüfungen. Hierzu präsentierten wir vor Klassen des Deutsch-Unterrichts.

Meine Ansprechpartnerinnen und Deutsch-Lehrerinnen der Schule stellten zuerst in einem Sketch die Schule und den Deutsch-Unterricht dort dar, dann stellten die Studentinnen ihre Stadt Bielefeld vor anhand von Bildern und Erzählungen. Danach fand eine Aufteilung in Kleingruppen statt, meine Ansprechpartnerinnen gingen näher auf die Möglichkeiten des Goethe-Instituts ein, die Studentinnen tauschten sich mit Schülern aus und ich stellte das kulturweit-Programm vor. Dieses Projekt hat viel Spaß gemacht und auch Früchte getragen, denn es haben sich gleich für die Prüfungen im Mai einige Schüler angemeldet.

Zum Tag der Schule Anfang März darf ich am Volleyball-Match Schüler gegen Lehrer teilnehmen, was viel Spaß gemacht hat. An jenem Tag hatten alle Schüler*innen frei, und in der Turnhalle der Schule fand ein großes Programm mit Singen, Tanzen und Aufführungen statt, mit dem Abschluss des Volleyball-Spieles Schüler gegen Lehrer. Da die Lehrer-Mannschaft schon voll war, wurde ich dann gebeten, bei den Schülern mitzuspielen. Mit der Zeit nach anfänglichen Anlaufschwierigkeiten kam ich immer besser ins Spiel, das ich keine handvoll Male in meinem Leben gespielt habe. Im Team waren sehr gute Spieler, ich gab als gefühlt schwächstes Glied mein Bestes. Es war ein knappes Match, wir waren beide ziemlich gut, verloren dann am Ende knapp. Im folgenden Revanche-Spiel gewannen wir dann relativ klar, kamen besser in Harmonie und ich persönlich leistete mir weniger Fehler. Doch zählen tut natürlich im Endeffekt nur das erste, das wahre Spiel der Schüler gegen Lehrer. Das Spiel hat einfach Spaß gemacht, mich zu bewegen, in dieses Spiel reinzukommen, das Fieber des Wettbewerbs, jeder Punkt zählt.

Recht bald nach dem Tag der Schule, noch im März, begeben sich die Fußballer der Schule zur Schul-Hallenfußball-WM nach Israel. Die Mannschaft der Schule hatte — für alle überraschend — die Auswahlspiele zur Repräsentation des kroatischen Nationalteams und damit die Qualifikation für die WM gewonnen. Hier spielten dann die Teams aus aller Herren Länder mit, wie es auch bei der echten Fußball-WM der Fall ist. Neben Gastgeber Israel waren z.B. Italien, die Türkei, Brasilien dabei. Deutschland war nicht dabei, sollte das schon ein Omen auf die Zukunft sein? Die Schüler hatten jedenfalls nichts zu verlieren, war es ja schon eine Sensation, überhaupt dabei zu sein.

Doch die Qualifikation war ihnen nicht genug und sollte wahrhaftig nicht das Ende der Fahnenstange sein. Sie gewannen gleich ihr erstes Spiel, und von da an entstand eine Euphorie für das Team an der Schule. Ein mitgefahrener Religionslehrer machte zu jedem Spiel einen Facebook-Livestream, dessen Zuschauerzahlen ins Dreifache gingen. Hier verfolgten Schüler, Lehrer und Alumni der Schule gespannt die Spiele inklusive Live-Kommentar. Mehrfach haben wir auf Leinwand über den Beamer das Spiel übertragen, und auch andere Klassen mit in den Treffpunkt Deutschland, den größten Raum der Schule, zum Public Viewing eingeladen. Und das alles nicht umsonst, denn dem Team gelang Sieg um Sieg, sie waren hungrig auf den Titel, und machten sich mit jedem Spiel mehr und mehr zu Legenden an der Schule. Und sie erreichten tatsächlich das Finale! Sollte ihnen jetzt auch noch der allesentscheidende Sieg gelingen? Nun, sie gaben alles, doch stießen sie im Finale erstmals auf einen Gegner, der ihnen eindeutig überlegen war. Störte die Final-Niederlage an der Schule jemanden? Nun, nicht allzu sehr, im Fokus stand der unglaubliche Einzug ins Finale. Bei der Rückkehr wurde dem Team, dem Trainer und den Funktionären drumherum ein Riesen-Empfang gegeben, es gab eine große Festlichkeit mit Riesen-Kuchen und Getränken, die Schüler wurden als Sieger gefeiert.

Fußball ist in Kroatien ähnlich wie in Deutschland Volks-Sport, auch wenn die Dimensionen bei 4 Millionen Einwohnern Kroatiens gegenüber 80 Millionen in Deutschland natürlich ganz andere sind. Das moderne Nationalteam gibt es wie den Staat seit Anfang der 90er-Jahre, hat bei der WM 1998 den dritten Platz erreicht, auf dem Weg den damaligen Europameister Deutschland besiegt und ist am Gastgeber und späteren Weltmeister Frankreich im Halbfinale gescheitert. Ein Schüler erzählte mir, dass seine Eltern davon noch heute reden würden.

Drei Monate später sollte dann die Weltmeisterschaft der professionellen Fußballer folgen, an denen das kroatische Team auch teilnahm. Unserer Schule kam die Aufgabe und das Privileg zu, für PASCH-Net einen Beitrag zu Fußball in Kroatien zu schreiben, in dem ein Schüler vom Team folgendes erwartete:

Ich denke, dass Kroatien die Weltmeisterschaft gewinnen wird. Wir haben viele gute Spieler, die das schaffen können. Ich kann es kaum erwarten, bis es losgeht! (http://www.pasch-net.de/de/pas/cls/sch/jus/spo/21261655.html#bodyTyp4)

Und mit dem Beginn der Weltmeisterschaft entwickelte sich hier auch ein Fußball-Fieber, Cafés haben Fernseher aufgestellt, die sämtliche Spiele zeigten. Spätestens ab dem Viertelfinale war vom Gefühl her alles möglich, die Sensation lag hier schon in der Luft. Gerade an Spieltagen war es hier nicht unüblich, in Cafés oder auch Supermärkten das gesamte Personal in den Nationalfarben, dem rot-weißen Schachmuster, gekleidet zu sehen. Supermärkte und kleinere Läden hatten ab einer Stunde vor Spielbeginn geschlossen. Und ich erinnere mich an eine Werbeanzeige von Coca-Cola vor dem Halbfinale am Hauptplatz Pulas, die sagte „Für uns seid ihr schon Weltmeister [wörtlich: die Ersten]!“ (Za nas ste već prvaci). Zu dem Zeitpunkt an einer Hauptverkehrsstraße lebend bin ich Zeuge davon geworden, wie nach jedem Sieg Hup-Konzerte von vielen Autos stattfanden.

Das Lied Igraj moja Hrvatska (übersetzt: Spiel, mein Kroatien) der Band Zaprešić Boys habe ich vielerorts gehört und nach einer Weile wiedererkannt. Hier eben eine Hör-Probe dieses Liedes:

Als der Final-Einzug feststand, wurde kurzfristig ein Public Viewing in der Pulaer Arena, dem Wahrzeichen der Stadt und eines der Wahrzeichen Kroatiens, eingerichtet.

Im Gedächtnis blieb mir ein Dialog zwischen dem Kellner eines Cafés und eines Touristen am Tag vor dem Finale:

Tourist: Where can I see the final tomorrow?

Kellner: Everywhere.

Tourist: Do you show it, too?

Kellner: Yes.

Am Tag des Finals fühlte ich mich recht schlapp, fühlte mich nicht fit und wohl für die Massen eines stadionartigen Amphitheaters und schaute es in einem Café um die Ecke. Ich bin kein Typ, der groß Entscheidungen bereut, doch wenn ich es tun würde, dann wohl hier, denn da soll es ziemlich abgegangen sein. Beeindruckend fand ich, wie viele Leute direkt nach dem Spiel, trotz Niederlage, applaudierten, und wie mir schien die Niederlage gar nicht allzu traurig nahmen. Der Empfang der Nationalmannschaft auf dem zentralen Platz der Hauptstadt Zagreb war ein Riesen-Ereignis und die Mannschaft als Helden bezeichnet. Immer wieder mal seit dem Turnier komme ich mit dem Nationalteam in Berührung, sei es über ein aufgehangenes Plakat in einem Café, über Bier-Werbung, die sich „Zweite in der Welt, Erste in unseren Herzen“ liest (Drugi na svijetu, prvaci u našim srcima), über Cola-Flaschen mit aufgedruckten Spiel-Ergebnis drauf.

Karneval in Pula und Rijeka

In der Stadt Köln aufgewachsen, hat mich der Karneval wie jede*n von dort geprägt. Der Karneval ist dort kein Event à la „Jahrmarkt“ oder „Kirmes“, sondern ein monatelange vorbereitetes, knapp ein-wöchentliches Ereignis und Spektakel, die größte Karnevals-Veranstaltung in Deutschland und eine der größten der Welt. So fand ich es interessant, ob bzw. wie das in Kroatien gefeiert wird. Ich hatte gelesen, dass es in Pula da etwas gibt, allerdings werde es „richtig gefeiert“ nur in Rijeka [drittgrößte Stadt Kroatiens, mit 2 Autostunden Entfernung die nächstgelegene Großstadt von Pula aus].

Da die Veranstaltungen für mich glücklich an zwei verschiedenen Wochenenden stattfanden, musste ich keine schwierige Entscheidung wagen, sondern konnte einfach zu beiden gehen. Mitte Januar versuchte ich dann mein Glück bei der ersten ausgeschriebenen Veranstaltung in Pula, der Schlüsselübergabe des Bürgermeisters an die „Jecken“ (kölscher Begriff für die Leute, die Karneval feiern). Hiermit wird der Schlüssel der Stadt, und damit die Herrschaft darüber, vom Bürgermeister an die Jecken übergeben, die von da an das Geschehen in der Stadt bestimmen. Ich traf also zeitig zur genannten Uhrzeit vor dem Rathaus ein, wollte reingehen, doch vom Sicherheits-Personal gestoppt, ich hätte hier keinen Zugang ins Rathaus und zu der Schlüsselübergabe. Ich versuche also soweit möglich, das Geschehen — als einziger Zuschauer auf dem ganzen Platz — zu verfolgen. Ich bemerke, wie eine Gruppe von ca. 15 kostümierten Leuten ankommt, und sich langsam in dieses Rathaus begibt und auch eingelassen wird. Von draußen bekomme ich jedoch wenig mit, sodass ich mich bald aus der Kälte draußen nach Hause begebe.

Mehr zu sehen und erleben hatte ich am Samstag, den 3. Februar, als die Karnevals-Vereine Pulas (und Umgebung, wenn ich das richtig wahrgenommen habe), einen Zug durch die Stadt machten. Hier habe ich eine kostümierte Parade gesehen, und da es vergleichsweise wenig Zuschauer und keine Absperrungen gab, war ich auch ziemlich nah an dem Geschehen dran. Fand es schön, bei diesem Ereignis dabei sein zu dürfen, und es sogar recht angenehm, dass so viel weniger als im Rheinland los war. Karneval muss nicht groß sein, um schön zu sein.

Die größere Veranstaltung hatte ich dann dafür am folgenden Wochenende in Rijeka. Eine kulturweit-Alumni, die mittlerweile in Kroatien lebt, hat mir freundlicherweise ein Zimmer in ihrer Wohnung zur Verfügung gestellt, da sie zu dem Zeitpunkt nicht vor Ort war. Hier war der Karneval zu einer ähnlichen Zeit im Januar losgegangen, im Vorfeld jedoch viel mehr Veranstaltungen und Vorbereitungen auf die Veranstaltung, genauso finden an dem Wochenende selbst viele Feiern statt. Ich konzentrierte mich dabei auf den großen Umzug durch die Altstadt und über den Korzo, die berühmte Promenade und Fußgängerzone der Stadt. Die ganze Stadt ist prächtig und spektakulär, eine Großstadt mit eigenem Puls. Am Samstag gucke ich mir die Stadt an, besuche den Suppen-Ausschank eines Autismus-Vereins in der Stadt, und probiere selbst von der Suppe. Hier ein paar Fotos davon:

Am Sonntag schaute ich mir den Zug auf dem Korzo touristisch an für einige Stunden am Stück. Aus den verschiedensten Ecken Kroatiens und der Welt kamen dazu Vereine und Organisationen, die ihren Teil zum Zug beigetragen haben. Der Zug dauerte lange, es waren schon mindestens 50 Gruppen an mir vorbeigezogen, als ich eine Pause machte. Auch eine Gruppe aus Pula, die ich am Samstag zuvor gesehen hatte, war beim Zug dabei. In Erinnerung blieb mir, dass ich am Sonntag gegen 18 Uhr den Bus zum Zug zurück nahm, ich bin auch selbst schon völlig platt, auf meinem Weg zum Bahnhof der Zug immer noch lief. Es war ein spektakuläres Ereignis, ähnlich und doch anders als es in Köln ist. Danke, dass ich dabei sein durfte!

Fotos vom Karneval in Pula

Neujahr und Reise nach Sarajevo

Neujahr

Das neue Jahr fing für mich zusammen mit einer Couchsurferin an, die die Stadt Pula (meinen Austausch-Ort an der Küste Kroatiens) zu diesem Anlass besucht hatte. Sie hatte eine Anfrage dort gestellt, ich ihr Unterkunft angeboten, und sie dann angenommen. Wir entschlossen uns, zum neuen Jahr an den Strand zu gehen, wo uns gleich in bewölktem Wetter und Regen starke Wellen grüßten. Der Strand und das Meer hatten so etwas fast Melancholisches, gar Trauriges an sich, und ich weiß noch, dass sie sich dort mit Reflektionen im Tagebuch beschäftigt hat. Ich sah auch einige in den starken Wellen und Wind surfen und anderen Wassersport treiben, und einige hat das neue Jahr auch zum Schwimmen bewegt. Ich bin dieses Jahr mit den Füßen reingegangen, für Schwimmen habe ich mich in dem Moment nicht fit/mutig genug gefühlt.

Reise nach Sarajevo

Nachdem die Couchsurferin an ihren nächsten Reiseort zog, ging es dann auch für mich fast direkt weiter. Denn ich hatte zu Beginn des Jahres mir mit dankbar erhaltenem Weihnachtsgeld eine Reise durch die Region erhofft und grob geplant. Meine Idee war, Richtung Süden des ehemaligen Jugoslawiens zu fahren, mir Split (zweitgrößte Stadt Kroatiens im Süden des Landes), Sarajevo (Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina), Podgorica (Hauptstadt von Montenegro) und Tirana (Hauptstadt von Albanien) jeweils anzuschauen, und dann zurückzukehren. Dabei hätte ich an drei Orten mich je mit den dort wohnenden Freiwilligen getroffen. So eine große Reise hatte ich noch nicht gewagt geschweige denn geschafft, doch ist ja das FSJ eine Zeit zum Experimentieren.

Ich fahre für die erste Strecke von Pula nach Split über 12 Stunden mit dem Zug, von 9 Uhr morgens bis ca. 21-22 Uhr abends, steige auf der Strecke dreimal um, gönne mir im istrischen Dorf Lupoglav einen Kaffee, erkunde die Gegend um den Hauptbahnhof in der (Groß-)Stadt Rijeka und probiere leckere Teilchen eines dortigen Bäckers und warte einige Minuten im Halbdunkeln an einer Station im Dorf Oštarije in den kroatischen Bergen.

Die Fahrt führt durch diverse spektakuläre Landschaften, und ich realisiere, wie viel ich doch von Kroatien noch nicht gesehen habe, bzw. wie mir teils dessen Existenz gar nicht mal bewusst ist. Istrien, die Region in der ich lebe, ist bloß ein Teil eines großen Landes, und selbst hier kenne ich nicht mal alles. Auf dem letzten Teil der Strecke komme ich dann mit einem Fahrgast ins Gespräch, der mit seinem Sohn vom Zagreber Weihnachtsmarkt [dem größten des Landes in der Hauptstadt] zurückkommt. Er erzählt mir auch, wie er zwei Jahre in Deutschland als Flugzeug-Bauer gearbeitet hat, da mehr Geld als in Kroatien verdient hat, doch nach Kroatien zurückkehrte, denn „home is home“. Er riet mir auch dazu, das jährlich stattfindende Fest Alka in seiner Heimatstadt zu besuchen, welches einen Sieg der Kroaten gegen die Osmanen im 18. Jahrhundert zelebriert.

In Split holt mich dann ein lokaler Couchsurfer ab, der mich für die Nacht beherbegt. Mit ihm habe ich noch eine schöne Unterhaltung, erfahre noch von anderen Seiten in Kroatien, wie auch in Split viel Tourismus herrscht, vor allem zu den berühmten Festivals und von Besuchern der nahegelegenen Inseln. In Split blieb ich bloß für die Nacht und fuhr gleich am Morgen weiter nach Sarajevo. Im Nachhinein hätte ich mir mehr Zeit in Split nehmen sollen, denn wirkte das doch sehr interessant, und ist es gar nicht so einfach und billig, von Pula nach Split zu kommen.

Doch hatte ich da bereits den nächsten Schritt nach Sarajevo geplant. Denn wollte ich mich mit den dortigen Freiwilligen treffen, die jedoch selbst auch einige Tage später verreisten, sodass ich keine Zeit zu verlieren hatte. Ich fuhr also am frühen Morgen los, kam gegen Nachmittag wohlbehalten, wenn auch müde, in Sarajevo an. Mich eben in einem Hostel eingerichtet, mir die Altstadt schonmal angeguckt, merke jedoch hier schon, dass mein Geld knapp wird. Eine Weiter-Fahrt ginge schon noch, doch gäbe es dann ein Problem: ich würde nicht mehr zurückkommen. Und fürs Hitch-Hiking fehlte mir in dem Moment der Mut.

Für den nächsten Tag war ich dann verabredet mit den Freiwilligen aus Sarajevo und einem Freiwilligen aus Belgrad, der dort zu Besuch war. Wir trafen uns vor dem National-Museum, es gesellten sich zwei Freiwillige aus den Vereinigten Staaten dazu, die einen vergleichbaren Austausch in Sarajevo machten. Zuerst war wohl eine Wanderung geplant, doch da der Bus nicht oder sehr spät kam, entschieden wir uns für den Besuch mehrerer Kaffee- und Tee-Häuser, in denen wir uns gut gönnten, entspannten, spielten und uns unterhielten. In einer Pause besuchte ich zwei Kunst-Museen, während der Rest ins Genozid-Museum ging. Letzteres wurde mir persönlich zu viel, doch der Krieg war auch in der zeitgenössischen Kunst präsent.

Denn hat Sarajevo unter dem Bosnien-Krieg stark gelitten und war währenddessen über 4 Jahre besetzt. Der ganze Krieg war keine schöne Angelegenheit, und — meines Eindrucks nach — zwar vorbei, aber noch nicht komplett verarbeitet. Für mich war das das erste Mal ein (direkter) Kontakt mit dem Krieg, denn mein Arbeitsort Pula war weit vom Kriegsgebiet entfernt. Nach der Pause ging der Tag dann in den Tee-Häusern und Restaurants weiter, und auch am nächsten Tag hatten wir eine gute Zeit, bis die Freiwilligen dann auf Reisen zogen.

Ich entschied mich dann, den Trip noch zu verlängern, da es mir so gut gefiel. Ich guckte mir noch einige der touristischen Attraktionen an, nahm einen spektakulären Sonnenuntergang auf einem Hügel der Stadt mit (danke für die Empfehlung!), aß täglich die dort erhältlichen Sirnica [vom türkischen Bürek inspirierte Teigtaschen mit Käse gefüllt]. Ich empfand die Stadt als ziemlich beeindruckend und schön, und hoffe, dass ich da nochmal hinkomme.

Auf der Rückfahrt hatte ich dann noch ein ungewolltes Abenteuer. Ich nahm für die Rückfahrt den Bus über Zagreb, denn war dies die günstigste Route. Der Bus brauchte für die Strecke jedoch länger als geplant, sodass ich den Anschluss in Zagreb verpasste, ich versuchte dort, einen anderen Bus zu nehmen, doch war der letzte für diesen Tag bereits voll. Ich war also am Zagreber Busbahnhof gestrandet. Schrieb eine Last-Minute-Anfrage auf Couchsurfing, im schlimmsten Fall nehme ich mir ein Hostel für die Nacht. Und ich erhielt tatsächlich zwei Angebote, einmal zur Übernachtung in Zagreb, einmal für eine Überfahrt nach Rijeka (auf halber Strecke), entscheide mich im „Heat of the Moment“ für die Fahrt, vielleicht um dem Zuhause in Pula näher zu kommen. So fuhr ich dann also mit einem freundlichen Couchsurfer durch die kroatische Nacht in ein Zuhause und ein Bett für die Nacht irgendwo in Rijeka. Während solcher außerplanmäßiger Abenteuer will ich immer bloß so schnell wie möglich in das mir vertraute Zuhause in Pula. Während ich das jetzt so schreibe und reflektiere, wirkt es mir eigentlich halb so wild, ich bin da keine 20 Stunden in einer ungewohnten Situation gewesen. Doch das Zeit-Empfinden in dem Moment ist dann anders.

Empfang des Botschafters zum Tag der Deutschen Einheit in Zagreb

Vom 1.-4. Oktober 2017 war ich in Zagreb, der Hauptstadt Kroatiens. Der Besuch erfolgte infolge der Einladung durch die Deutsche Botschaft in Zagreb zum Empfang des Botschafters am Tag der Deutschen Einheit.

Ich kam am Sonntag, den 1. Oktober gegen Nachmittag mit dem Bus aus Pula an, eine Fahrt von 4 Stunden lag hinter mir. Ich blieb in einem kleinen, gemütlichen Hostel 10 Minuten vom Hauptbahnhof entfernt. Nach dem Check-In erstmal in den nahegelegenen Josip-Juraj-Strossmayer-Park (Bilder) die Stadt angucken, sieht sehr schön dort aus.

Am nächsten Tag begab ich mich morgens in das Goethe-Institut Kroatien, welches meinen Arbeitsort in Pula unterstützt. Ich lernte meinen dortigen Betreuer und die Mitarbeiter kennen, die verschiedenen Projekte des Instituts und hielt mich noch in der Bibliothek des Instituts auf. Bin freundlich empfangen worden, mich gleich als Teil davon gefühlt.

Begab mich dann an den Fluss der Stadt, die Save (Bilder). Ich hoffte, dort eben schwimmen zu gehen. Doch waren an der Stelle, wo ich war, jeweils weit und breit steile Hänge um den Fluss – ich wäre ins Wasser gekommen, aber nicht mehr raus. Suche ein wenig nach einer flacheren Stelle, finde zuerst nicht, werde dann ungeduldig und kehre zurück ins Zentrum. Mache mir noch einen ruhigen Tag, kehre zum Sonnenuntergang gucken an einen Park am Fluss zurück und entspanne dort.

Am nächsten Tag hole ich recht früh eine Freiwillige aus einem anderen Teil Kroatiens ab, die ebenfalls den Empfang besucht und mit der ich zusammen den Tag verbringe. Wie sich herausstellte, war sie von der Arbeit schon mal in Zagreb gewesen und zeigte mir so einige Sehenswürdigkeiten, die mir zuvor nicht bekannt waren. Ich hatte mich sozusagen auf ein Blind Date mit Zagreb eingelassen – keinen Reiseführer oder TripAdvisor dazu gelesen, einfach vor Ort geschaut, was es so gibt. So bin ich an einem Tag mir nichts, dir nichts über den berühmten Hauptplatz der Stadt mit Reiter-Statue gelaufen, ohne es zu bemerken. Sie zeigte mir die berühmte Kathedrale von Zagreb, ich fühlte mich da direkt an den Kölner Dom aus meiner Heimatstadt erinnert. In der Tat sind die Kirchen laut Wikipedia beide dem Baustil der Gotik zuzurechnen.

Nach einem Kaffee und Croissant zur Stärkung zogen wir weiter in die Museen der Stadt – zuerst in das Museum für Naive Kunst. Ich verweise dafür auf deren eigene Website zur Beschreibung: http://www.hmnu.hr/ – die Bilder erklären das besser, als ich es als Kunst-Laie beschreiben könnte.

Darauf gingen wir dann in ein ungewöhnlicheres Kunst-Museum: das Museum der zerbrochenen Beziehungen. Mit Beziehungen sind hier romantische Liebes-Beziehungen gemeint.

Es handelt sich dabei um ein Theme-Museum, in dem der Name Programm ist: es wird je gescheiterter Beziehung ein für die Beziehung symbolischer Gegenstand gezeigt, und dazu gibt es eine Geschichte der gescheiterten Liebe von einem der beiden Betroffenen, Frauen*-Männer*-Verhältnis war meines Gefühls nach recht ausgeglichen. Diese missglückten Romanzen scheinen ein globales Phänomen zu sein, denn haben die Museumsgründerin und Museumsgründer  – es lässt sich unschwer erraten: ein ehemaliges Paar – Einsendungen aus allen Ecken der Welt zusammengesammelt.

Ich fand es doch recht erheiternd, was Leute im Namen der Liebe alles tatsächlich getan haben oder ihnen getan wurde. Zugegebenermaßen bin ich jedoch auch in einer komfortablen Lage in diesem Museum. Als Single lässt sich leicht auf solche Ereignisse gucken. Für Romantiker*innen, die fest an die ewige Liebe glauben, kann das durchaus ein Schock sein. Finde das jedoch sinnvoll, dieses Thema Liebe nicht bloß von der romantischen Seite, vom „bis dass der Tod uns scheidet“, sondern realistischer zu betrachten. Manchmal, aber nur manchmal, ist eben die Scheidung die klügere Entscheidung als die Heirat.

Kann das Museum aus vollstem Herzen für jede*n Besucher*in empfehlen – und wer selbst den Abgang der letzten Flamme noch nicht emotional verarbeitet hat, dem steht es frei, selbst Teil des Museums zu werden: https://brokenships.com/

Nach so viel Input dann uns erstmal mit einem leckeren Burger versorgt und was ausgeruht. Eben für den Empfang schickgemacht, dann durch den Regen in Zagreb auf zum Französischen Pavillon im Studenten-Zentrum (Studentski centar) gemacht.

Das ist ein Festsaal der Universität, der für diesen Anlass zur Verfügung gestellt wurde. Die Wahl erfolgte nicht zufällig. So steht der französische Pavillon für die europäische Einigung, die viel mit der deutschen Wiedervereinigung zu tun hat. Die Versöhnung mit dem Nachbarn Frankreich ist da ein Teil von. Zum anderen ist der Ort, an dem früher die Zagreber Messe war, auch ein Mahnmal. 1941 wurden hier Juden für die Fahrt ins Konzentrationslager „gesammelt“.

Der Empfang selbst war sehr schick, viele fein angezogen, es gab kostenlose Getränke und Snacks, die einem vom Kellner gebracht wurden. Recht bald trafen wir auf die zwei anderen Freiwilligen in Kroatien, sodass wir zu viert vollzählig als kulturweit-Freiwillige in Kroatien auf dem Empfang vertreten waren. Ich kam mit einigen Menschen auf dem Empfang in Kontakt und ins Gespräch.

Wie aus dem Nichts wurden dann die Europa-Hymne sowie die Hymnen von Kroatien und Deutschland gespielt. Direkt darauf hielt der Botschafter Thomas E. Schultze eine Rede. Ich habe die Rede leider nur kaum gehört, da die Akustik in den Raum nicht allzu gut war, und die Rede nicht bis in die hinteren Reihen, wo wir standen, durchkam.

Doch wie ich gelesen habe, ging es um Europa, dass die deutsche Wiedervereinigung viel mit der Versöhnung in Europa zu tun hat, um die Werte und Errungenschaften der Europäischen Union. Er sagt, dass europäische Solidarität statt nationaler Alleingänge in der Vergangenheit Probleme gelöst hat, und auch in Zukunft dies nur so möglich ist. Ebenfalls brauchen wir keine Angst vor Migration zu haben, denn hat sich Europa über Jahrhunderte durch Migration entwickelt. Dazu zitiert er „Alle Europäer sind Migranten.“ Als Beispiel für gelungene Migration hat er ein kroatisches Catering von Migranten für den Abend eingeladen.

Die komplette Rede ist unter dieser URL nachlesbar: http://www.zagreb.diplo.de/Vertretung/zagreb/de/02/Botschafter__und__Abteilungen/rede-tde-2017.html

Schade, dass ich die Rede nicht live gehört habe! Recht bald nach der Rede und einigen weiteren Gesprächen ging es dann auch für mich zurück ins Hostel, müde von diesem langen Tag. Fand den Tag schön und dieser Empfang war etwas Besonderes, was ich nicht alle Tage erlebe. War sehr froh, dabei gewesen zu sein.

Am letzten Tag, dem 4. Oktober, nahm ich noch an einer sogenannten Free Spirit Walking Tour teil. Eine Gruppe von ca. 50 individuell Reisenden traf sich vor der Pferde-Statue des Hauptplatzes von Zagreb. Eine in Zagreb aufgewachsene und dort lebende Frau  leitete die Führung und erläuterte die verschiedenen Stationen der Tour.

Das war recht eindrucksvoll und interessant, ebenfalls erfuhr ich Details, die ich vorher über die Stadt nicht wusste. Auch bin ich lokalen Phänomenen begegnet, die ich selbst wohl kaum entdeckt hätte. Nach der Tour recht k.o., ist doch irgendwie anstrengend, an so viele Orte zu gehen und diese vielen Informationen aufzunehmen.

Da bis zur Abfahrt noch was Zeit ist und die Sonne bei wunderschönem Wetter scheint, lege ich mich noch in den Josip-Juraj-Strossmayer-Park, mitten am Puls der Stadt. Zagreb hat sich für mich vom Lebensgefühl wie meine Heimat- und Millionenstadt Köln angefühlt. Das empfand ich als schöne Abwechslung zu Pula, mit 60.000 Einwohnern größte Stadt der Region. So gerne ich an diesem schönen Ort bin, so gerne bin ich auch in der mir vertrauten Großstadt-Atmosphäre.

Recht bald kehrte ich dann wieder in Pula ein, zurück von ein paar schönen Tagen in Zagreb.

Zufälle

Schon immer mal wollte ich einen Blog schreiben und einige Geschichten aus meinem Leben protokollieren, sowohl für mich, mein Ego und für interessierte Verwandte und Freunde. Ein paarmal hatte ich auch vor, das jetzt also wirklich zu machen, bin auf die Registrieren-Buttons von WordPress u.Ä. gegangen, und immer wieder an einer Hürde gescheitert: der Namensfindung. Schließlich muss ich ja überall dem Blog einen Namen geben, dabei will ich doch einfach nur was schreiben. So habe ich dann im Endeffekt nie einen Blog geschrieben.

Einige Tage vor dem Vorbereitungs-Seminar kam mir dann wieder, auf Inspiration dieses kulturweit-Blogs, der Gedanke, nun doch endlich einen Blog zu schreiben. Schließlich ist das ja auch eine Möglichkeit mich auszuprobieren. Dachte mir dann „komm, irgendein Name halt“ und entschied mich für ‚Schritt für Schritt‘, da dieser Freiwilligendienst aus so vielen einzelnen Schritten besteht, am Anfang teils Monate auseinander. Ebenfalls lässt sich aus der Schritt-Metapher eine Menge machen. Übrigens:

Eine gut gebundene Krawatte ist der erste wichtige Schritt im Leben. — Oscar Wilde

Ich nahm also den ersten Schritt, erstellte den Blog, einen ersten Artikel, machte meine ersten Geh-Versuche auf dem Vorbereitungs-Seminar am Werbellinsee, nahm dann den Schritt in den blauen Ozean des Freiwilligendienstes, an die Schule für Tourismus, Gastgewerbe und Handel, nach Pula, nach Kroatien. Viele weitere Schritte habe ich seitdem genommen, einige hier im Blog beschrieben, einige möchte ich noch beschreiben.

In diesem Beitrag möchte ich von einigen zusammenhängenden, nicht geplanten, spontanen Schritt(en) erzählen. Es war an einem gewöhnlichen Arbeitstag an der Schule — frag mich nicht, an welchem. Ich war in dem Fachraum für den Deutsch-Unterricht (dem sogenannten Treffpunkt Deutschland), mit ich weiß nicht mehr was beschäftigt. In dem Raum gibt es eine Auswahl an deutschsprachigen Büchern, die zur Ausleihe zur Verfügung stehen. Die sind auf allen Sprachniveaus, zum Teil Bilderbücher, zum Teil auch Goethe, berühmter deutscher Autor und Namensgeber des Goethe-Instituts, dessen Partner die Schule ist.

Gibt es bei dir auch eine Auswahl an spannenden, interessanten Büchern?

An jenem Tag ging ich (bewusst oder unbewusst) an dem Bücher-Regal vorbei und guckte auf die Buch-Titel. Und siehe, just da sprang mir ein Titel zu meinen Augen: Schritt für Schritt. Das ist doch mehr als ein Zufall!

Natürlich nahm ich dieses Buch genauer unter die Lupe. Schon jemand vor mir hatte die Idee, ein Werk Schritt für Schritt zu nennen. Und zwar ein ungarischer Autor namens Imre Kertész, manchen bekannt als Literatur-Nobelpreisträger 2002. Es handelte sich dabei um ein Drehbuch zu seinem Roman eines Schicksalslosen, welches die Stadt Wien im Rahmen der Reihe Eine Stadt. Ein Buch. herausgab.

Ich entschied mich dann, mir dieses Buch also einmal durchzulesen, im Interesse was andere mit diesem Titel verbinden. Nun ja, das Buch hat deutlich andere Assoziationen mit diesem Titel, als ich sie habe — er beschreibt den Weg eines jüdischen Ungarns durch die Konzentrationslager Auschwitz und Buchenwald. Ich empfand es als ein sehr wertvolles Buch, das ich jedem/r empfehle. Natürlich kein schöner Inhalt, das ist hoffentlich klar. Will die Handlung jetzt nicht spoilern, daher gebe ich einmal eine Rezension vom Buchrücken wieder, was eine*n hier erwartet:

Imre Kertész, der Auschwitz und Buchenwald überlebte und im Überleben die ‚unüberwindliche Schande der Selbsterhaltung‘ fand, hat eindringlich die Zäsur markiert, die Auschwitz für die Menschheitsgeschichte bedeutet. ‚Die moderne Mythologie beginnt mit einem gigantischen Negativum: Gott hat die Welt erschaffen, der Mensch hat Auschwitz erschaffen.‘ — Karl-Markus Gauß in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

Das ist ein zufälliges (oder etwa nicht?) Geschehnis, Erlebnis, das ich während der Zeit im Freiwilligendienst hatte. Es hätte wohl auch in Deutschland geschehen können, ist es aber nicht. Das ist einer von zahllosen Eindrücken, die ich mitnehme, noch viele weitere werden folgen.

Welche derartig unerwarteten, zufälligen Erlebnisse hast du während deines Freiwilligendienstes gehabt?

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